
© Jean-Marie Volland/Science
Entdecktes, Erforschtes, Entwickeltes 2022: Von winzigen Viren und weltverändernden Wirkungen
Riesige, aber harmlose Bakterien und Impfstoffe gegen winzige, aber gefährliche Viren wurden dieses Jahr entdeckt und entwickelt. Und vieles, auszeichnungswürdiges mehr.
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Es ist nicht allein das Webb-Teleskop, das vom Fachblatt „Science“ als wichtige wissenschaftliche Errungenschaft des Jahres geehrt wurde. Als „Runners-ups“ für diese Auszeichnung nennt die Redaktion auch die Entdeckung einer „riesigen“ Mikrobe. Thiomargarita magnifica ist etwa einen Zentimeter lang und damit etwa 50 Mal größer als jedes andere bisher bekannte einzellige Lebewesen. Es ist, anders als fast alle Bakterienarten, mit dem bloßen Auge beobachtbar. Der Meeresbiologe Jean-Marie Volland vom Joint Genome Institute am Lawrence Berkeley National Laboratory entdeckte die Mikrobe auf abgestorbenen Blätter im Wasser karibischer Mangrovenwälder, wie „Science“ im Sommer berichtete.
Vermutlich verleihen zahlreiche Organellen, die in der Zellmembran eingelagert sind, der Zelle sowohl die nötige Stabilität, um eine solche Größe erreichen zu können, als auch die biochemischen Fähigkeiten zur Versorgung des Zellkörpers. Dabei spielen wohl auch die Kopien des bakteriellen Erbguts eine wichtige Rolle, die in den Organellen in den Membranen verteilt sind. Ob Thiomargarita magnifica das größtmögliche Bakterium ist, ist allerdings offen. Volland vermutet aber, dass es noch andere, womöglich größere Mikroben gibt.
Nur im Elektronenmikroskop sichtbar sind hingegen Epstein-Barr-Viren, die Pfeiffersches Drüsenfieber auslösen und seit Jahrzehnten im Verdacht standen, etwas mit der Entstehung der oft tödlich verlaufenden Nervenerkrankung Multiple Sklerose zu tun zu haben. Tatsächlich stellte eine umfassende Studie 2022 fest: Jeder Multiple-Sklerose-Patient hat irgendwann vor seiner Erkrankung eine Epstein-Barr-Infektion durchgemacht. Wie nützlich dieses Wissen allerdings ist, etwa um einen Impfstoff zu entwickeln, ist noch offen.
Gegen RSV, das Respiratorische Syncytial-Virus, ist es 2022 endlich, nach Jahrzehnten der Forschung, gelungen, einen Impfstoff zu entwickeln, der Millionen Kindern die Erkrankung und Lungenschäden ersparen und etwa 120.000 jährlich vor dem Tod bewahren könnte. Das Vakzin „RSVpreF“, basierend auf dem F-Protein des Virus, wird schwangeren Müttern gegeben und schützt die Neugeborenen für sechs Monate mit rund 70prozentiger Wirksamkeit vor schwerer RSV-Erkrankung, so eine Studie an 7400 Schwangeren aus 18 Ländern.
Die Entwicklung einer Reissorte, die nicht jedes Jahr neu ausgesät werden muss, sondern mehrere Jahre hintereinander Erträge bringt, gelang Forschern 2022 ebenso wie die Rekonstruktion des vor über zwei Millionen Jahren verschwundenen Ökosystems Grönlands anhand der Analyse der bisher ältesten DNA-Spuren, die seitdem tiefgefroren überdauert hatten. Auch an die Dart-Sonde der Nasa, deren Einschlag auf den Mond Didimos des Asteroiden Dimorphos Ende September erstmals die Bahn eines extraterrestrischen Objekts veränderte, erinnerte „Science“.
Wie Pestbakterien durch die Epidemien im Mittelalter den Genpool der Europäer verändert und dazu beigetragen haben, dass die Nachkommen der damals Überlebenden heute ein besser angepasstes Immunsystem haben, gehört ebenso zur ausgezeichneten Forschung 2022 – und wird hier genauer erklärt.
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