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Um Europa wirklich zu verstehen, reicht es nicht aus, nur Englisch und deutsche Geschichte zu studieren, findet unsere Kolumnistin.

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Expertise für die Konflikte von morgen: Die „kleinen Fächer“ sind an Universitäten unverzichtbar!

Sind Unis unter Spardurck, rücken oft „Nischen-Fächer“ wie Regional- und Sprachstudien zu Asien und Afrika auf der Streichliste. Wir müssen sie schützen! Sie bilden Personal aus, das künftig gefragt sein wird.

Ulrike Freitag
Eine Kolumne von Ulrike Freitag

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Zum Verständnis Europas reicht es wohl kaum, mit groben Kenntnissen über die Europäische Union und englischen Sprachkenntnissen zu operieren. Selbst an Kultur und Geschichte nur wenig interessierte Politiker und Geschäftsleute sind auf mehr Kontext und linguistische Fertigkeiten angewiesen, um mit ihren Zielen Erfolg zu haben. Ganz abgesehen von Journalisten, die die Differenzen der EU gegenüber der Ukraine erklären sollen oder Touristen, die zu griechischen Tempeln oder gotischen Kathedralen Einordnungen möchten.

Wer aus einer Außenperspektive versucht, auf den eigenen Kontinent zu blicken, versteht sehr viel besser, warum es wichtig ist, auch in Zeiten sinkender Hochschulfinanzierung die sogenannten „kleinen Fächer“ weiterhin zu fördern. Es befinden sich viele Asien- und Afrikawissenschaften unter ihnen. Jenseits politischer Krisen mag es nicht viele Studierende geben, die kurdische Dialekte, das vor allem in Südindien und auf Sri Lanke gesprochene Tamil oder die Sprache der Nso (oder Lamnso) in Kamerun lernen wollen, sich für die Geschichte Afrikas oder Religionen Südasiens interessieren.

Angesichts geringer Studierendenzahlen mag die Versuchung groß sein, hier die Axt anzulegen. Allerdings fehlt in einer immer enger verflochtenen Welt dann der Sachverstand, wenn er – vielleicht unvorhergesehen – gebraucht wird. Wer kann zum Beispiel mit traumatisierten jesidischen Flüchtlingen in ihrer Sprache kommunizieren? Wer vermag die internen Schwierigkeiten bei der Restitution von Kulturgut an Kamerun verstehen, wenn die komplizierten Verhältnisse dort unbekannt sind? Wer kann erklären, warum bis heute Tamilen in Sri Lanka das Gefühl haben, diskriminiert zu werden?

Jenseits allgemeinen kulturellen Interesses an der Vielfalt der Welt gibt es also auch praktische Gründe, sich mit nichteuropäischen Kulturen und Sprachen zu beschäftigen – heute mehr denn je zuvor.

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