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Zahlreiche Menschen genießen auf den Liegestühlen den sonnigen Nachmittag am Spreeufer, trotz Corona-Sperre.

© Monika Skolimowska/dpa-Zentralbild/dpa

Update

Fahrplan für Corona-Lockerungen: Schon Ende Mai könnte das strenge Kontaktverbot fallen

Die vier großen außeruniversitären Forschungseinrichtungen machen Hoffnung im Pandemie-Kampf. Eine Max-Planck-Wissenschaftlerin erklärt die Details.

Wie geht es weiter im Kampf gegen das Coronavirus in Deutschland? Während Politiker in Bund und Ländern mit immer neuen Vorschlägen und Ideen vorpreschen, haben sich Wissenschaftler der vier großen außeruniversitären Forschungseinrichtungen in Deutschland (Fraunhofer-Gesellschaft, Helmholtz-Gemeinschaft, Leibniz-Gemeinschaft und Max-Planck-Gesellschaft ) zusammengetan, um einen Weg aus der Krise zu zeichnen.

Und der kann Deutschland durchaus Hoffnung machen.

„Wir hatten Ende März noch 6000 bis 7000 Neuinfektionen pro Tag, jetzt sind wir runter auf 1000 bis 1500 Fälle“, sagt Viola Priesemann vom Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation, eine der vier Autorinnen und Autoren des Fahrplans (hier nachzulesen), dem Tagesspiegel.

„Wenn es so weitergeht, wären wir Ende Mai bei einer Zahl, bei der die Kontaktverfolgung möglich wird. Das ist ein absehbarer Horizont. Dann könnte man auch das strenge Kontaktverbot wieder zurücknehmen.“ Voraussetzung sei aber, sagt Priesemann, dass sich die Bürger erst einmal weiter an die Vorgaben halten.

„Müssen einzelne Kontakte nachverfolgen können“

Die detaillierte Kontaktverfolgung ist denn auch das Ziel, dass die Forscher als anstrebenswert erklären. „Am Ende müssen wir darauf hinarbeiten, die einzelnen Kontakte nachverfolgen zu können“, sagt Priesemann. Das funktioniere aber nur dann erfolgreich, wenn man die Infektionsketten wirklich im Detail nachvollziehen könne.

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Ab wann das der Fall sei, dafür gebe es zwar noch keine ganz genauen Angaben. Eine Rückverfolgung müssen am Ende die Gesundheitsämter leisten. Aber Priesemann sagt: „Wir denken, dass es bei einigen hundert Neuinfektionen pro Tag auf jeden Fall leichter wird.“

Schon bei der Verkündung der ersten Lockerungen der Corona-Maßnahmen am 16. April hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel angekündigt: „Wenn wir jetzt mehr öffentliches Leben zulassen, in kleinen Schritten, dann ist es ganz wichtig, das wir noch besser die Infektionsketten verfolgen können. Es muss unser Ziel sein, jede Infektionskette verfolgen zu können.“

Dafür werden in den öffentlichen Gesundheitsdiensten vor Ort zusätzliche Personalkapazitäten geschaffen, mindestens ein Team von fünf Personen pro 20.000 Einwohner. In besonders betroffenen Gebieten sollen zusätzliche Teams der Länder eingesetzt werden und auch die Bundeswehr wird mit geschultem Personal solche Regionen bei der Kontaktnachverfolgung und -betreuung unterstützen.

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Außerdem will die Bundesregierung auch eine App einsetzen, um Infektionsketten besser nachzuvollziehen. Mit deren Entwicklung aber hapert es, weil es Streit um technische Deatils gab. Experten schätzen, dass die App frühestens in ein paar Monaten einsatzbereit ist.

Bis dahin rät Priesemann, auf herkömmliche Mittel zu setzen: Wenn man sich jeden Tag aufschreibe, wen man getroffen habe, könne man diese Personen gegebenenfalls informieren, auch ohne App.

Zwei Phasen-Strategie für weiteres Vorgehen

Die Wissenschaftler der vier großen Forschungsinstitute haben basierend auf unterschiedlichen Modellrechnungen eine Zwei-Phasen-Strategie entwickelt, die letztendlich dazu führt, dass umfangreiche Kontakteinschränkungen in Deutschland „binnen Wochen“ aufgehoben werden können, wie sie schreiben. Mit dem Kontaktverbot würde DIE zentrale Maßnahme der Corona-Einschränkungen wegfallen.

  • In der ersten Phase sollen die Neuinfektionen weiter reduziert werden, bis eine effektive Kontaktverfolgung möglich ist.
  • In der zweiten Phase sind die Neuansteckungen dann soweit reduziert, dass sich Infektionsketten einzeln nachverfolgen lassen und so unterbrochen werden können.

Im Grunde ist das auch die Strategie, die Bund und Länder verfolgen. Ob diese Strategie erfolgreich ist, um das Virus in Schach zu halten, werden die kommenden Wochen zeigen, sagt Priesemann. Generell sei es jetzt aber besser möglich, die Effekte einzelner Maßnahmenpakete zu bewerten.

„Die bisherigen Beschränkungen kamen in sehr kurzer Abfolge innerhalb weniger Wochen. Die Ansteckungen, das Testen und die Registrierung ziehen sich aber teilweise über Tage und Wochen hin. Das macht es unmöglich zu sagen, was einzelne Maßnahmen gebracht haben“, sagt sie. Aber das ändere sich mit dem aktuellen Vorgehen.

„Dass jetzt im Zweiwochen-Rhythmus entschieden wird und die Maßnahmen schrittweise gelockert werden, ermöglicht, dass wir einzelne Lockerungspakete besser bewerten können.“

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Für Priesemann spricht demnach auch nichts dagegen aktuell wieder mehr Aktivität zuzulassen, zum Beispiel die Geschäfte wieder zu öffnen.

„Wenn alle vorsichtig sind und eine Maske tragen, ist das etwas anderes, als wenn man die Läden ohne eine Maskenpflicht wieder öffnet. Wenn alle extrem aufmerksam bei der Infektionsvermeidung bleiben, ist gleichzeitig wieder mehr Aktivität möglich.“

Die Situation ist noch nicht stabil

Eine weitere wichtige Erkenntnis der Forschergruppe: Die Reproduktionszahl R lag seit Ende März leicht unter 1. Das bedeutet, dass die Epidemie in Deutschland rückläufig ist, weil ein Infizierter im Schnitt weniger als einen anderen Menschen ansteckt.

Das persönliche Engagement und die große Akzeptanz in der Bevölkerung hätten zentral zu diesem Ergebnis beigetragen, schreiben die Wissenschaftler. Gleichzeitig warnen die Forscher: „Die Situation ist nicht stabil, selbst eine nur kleine Erhöhung der Reproduktionszahl würde uns zurück in eine Phase des exponentiellen Wachstums führen. Daher muss die Reproduktionszahl bis zur Verfügbarkeit eines Impfstoffs unter 1 gehalten werden.“
Hinweis der Redaktion: Dieser Artikel erschien am 29. April und wurde am 30. April ergänzt.

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