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Eine Guanchen-Mumie von den Kanarischen Inseln im Anthropologischen Museum von Madrid. Die Guanchen stammen von den nordafrikanischen Berbern ab und wurden im 15. Jahrhundert von den Spaniern besiegt.

© Susana Vera/Reuters

Anthropologie: Forscher lösen Rätsel um Herkunft der Ur-Kanarier

Die ersten Siedler erreichten die Kanarischen Inseln auf Booten. Genomanalysen bestätigen nun: Sie kamen aus Nordafrika.

Erst im 13. Jahrhundert entdeckten Europäer im Atlantik die Kanarischen Inseln vor der afrikanischen Küste – und wunderten sich über die dort bereits lebenden Menschen. Obwohl sie die etwa 120 Kilometer zwischen der östlichsten Kanareninsel Fuerteventura und der Küste Afrikas nur mit Booten überwunden haben konnten, betrieben die Insulaner offenbar keine Schifffahrt. Sie lebten auf den in Sichtweite voneinander liegenden sieben Inseln des Archipels weitgehend isoliert und hatten sogar eigene Sprachen und kulturelle Eigenheiten entwickelt.

Das Rätsel, warum die Ur-Kanarier erst die große Überfahrt meisterten, doch dann das Meer mieden, ist ungeklärt. Konnten sie etwa keine hochseetauglichen Schiffe bauen, weil die dafür nötigen Metallerze auf den Vulkaninseln fehlten? Nun ist immerhin das Geheimnis der Herkunft der Ur-Kanarier gelöst: Ein Forscherteam um Rosa Fregel von der Universidad de La Laguna auf Teneriffa hat das Erbgut von 48 Menschen analysiert, deren Überreste Archäologen an verschiedenen Orten der Inseln ausgegraben hatten. Demnach sind die nordafrikanischen Berber die nächsten Verwandten der Ur-Kanarier, schreiben die Forscher im Fachblatt "Plos One".

Der genetische Einfluss der Europäer ist groß

Der Verdacht, dass die Ur-Kanarier aus Nordafrika stammen könnten, liegt nicht nur aufgrund der geographischen Nähe auf der Hand. Auch ihre Schriftsprache wird heute nur noch von den Tuareg im Westen der Sahara verwendet. Diese Nomaden gehören zu Berbern, die zwischen Marokko, der Zentral-Sahara und Libyen im Nordwesten Afrikas leben. Etliche Ortsnamen auf den Kanaren stammen aus Berber-Sprachen wie dem Tamazight.

Aus dem Erbgut der Menschen, die heute auf dem Archipel leben, lassen sich allerdings keine sicheren Schlüsse auf die Herkunft der Ur-Kanarier ziehen. Zu stark ist der genetische Einfluss der Europäer, die seit der spanischen Eroberung der Kanarischen Inseln zwischen 1403 und 1496 auf die Inseln gekommenen sind. "Deshalb haben wir das Erbgut in den Überresten der Menschen untersucht, die vor dieser Zeit auf dem Archipel lebten", sagt Rosa Fregel.

Die ältesten Spuren menschlicher Besiedlung sind auf den östlichen Inseln Lanzarote und Fuerteventura zu finden. Dort kamen die ersten Menschen frühestens vor etwa 1900 Jahren an, spätestens vor etwa 1700 Jahren. Nur die Römer hatten dort kurz zuvor vorübergehend einen Stützpunkt. Gran Canaria scheint erst vor 1600 oder 1500 Jahren besiedelt worden zu sein, das westlichere Teneriffa sogar erst vor 1300 bis 1100 Jahren.

Die Ur-Kanarier kamen wohl zweimal übers Wasser

Vereinzelte Erbgut-Analysen hatten schon zuvor auf den Norden Afrikas als Herkunft der Ur-Kanarier hingewiesen. Allerdings sind die Erbgutmoleküle nach Jahrhunderten im warmen, subtropischen Klima in keinem leicht zu untersuchenden Zustand. Erst neuere Methoden liefern zuverlässige Ergebnisse.

Bisher hat Fregels Team nur das mitochondriale Erbgut untersucht – kurze DNS-Stücke aus den Energie liefernden Zellorganellen, die nur von Müttern weitervererbt werden. Aber bereits damit können die Forscher mit Sicherheit die Berber aus dem Nordwesten Afrikas als die Vorfahren der Ur-Kanarier identifizieren. Offenbar kamen sie zweimal über das Wasser – vor frühestens 1900 Jahren und vor etwa 800 bis 1000 Jahren.

Die alten Erbgutspuren verraten aber noch mehr über die Geschichte der Kanarier. So lebten auf den großen und relativ wasserreichen Inseln Teneriffa und Gran Canaria ähnlich wie auf der kleineren Insel La Palma Menschen mit einer großen Vielfalt im Erbgut. Die Gene der Einwohner der kargeren Inseln Fuerteventura und Lanzarote und der kleinen Eilande La Gomera und El Hierro sind dagegen arm an Varianten.

"Entweder sind dort ursprünglich nur wenige Menschen angekommen oder zwischenzeitlich war die Bevölkerung auf den Inseln erheblich dezimiert", sagt Rosa Fregel. Gründe könnten sein, dass viele Ur-Kanarier bei der Eroberung der Inseln umkamen oder von den Spaniern als Sklaven verkauft wurden. Die übrigen vermischten sich mit den Neuankömmlingen, ihre Kultur verschwand und über die Generationen auch der Großteil des Ur-Kanarier-Erbguts.

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