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Heutige Hauspferde tragen Spuren ihrer frühen Vorfahren im Erbgut.

© dpa

Mitochondrien und Fellfarbe: Forscher verfolgen Herkunft der Hauspferde zurück

Zentralasien galt lange Zeit als Herkunftsort der Hauspferde. Detektivische Arbeit mithilfe von Erbgutanalysen deuten auf eine andere Region.

Rotbraun, schwarz und scheckig: Der Stammbaum der Hauspferde scheint komplizierter zu sein, als bisher vermutet wurde. Während lange Zeit die Steppen Zentralasiens als Wiege der Reittiere galten, rückte jüngst Zentral-Anatolien ins Blickfeld der Forscher.

Neue Untersuchungen zeigen jedoch: die Annahme war falsch. Eva-Maria Geigl von der Universität von Paris und ihr Team analysierte Erbgut aus Überresten von 111 Pferden, die vor 9000 bis vor 1000 Jahren lebten.

In der Zeitschrift „Science Advances“ berichtet die Gruppe, dass die ersten Nutzpferde vor rund 2000 Jahren wohl über den Kaukasus nach Zentral-Anatolien kamen. Das weist auf die Steppenregion nördlich des Schwarzen Meeres und damit in der heutigen Ukraine und dem Süden des europäischen Russlands als Ursprung der modernen Nutzpferde hin.

Kumys, Fleisch und Leder

In Zentralasien wurden die Tiere bereits vor 5500 Jahren in Herden gehalten, haben Ludevic Orlando von der Universität im französischen Toulouse und seine Kollegen im Jahr 2018 gezeigt. Jedoch wurden die Pferde dort, wo im heutigen Kasachstan die Steppen Zentralasiens langsam in die Wälder Sibiriens übergehen, nicht als Reittiere, sondern eher als Grundnahrungsmittel genutzt.

Die Milch der Stuten wurde damals wie heute zu einem „Kumys“ genannten Getränk vergoren, das in vielen Regionen Zentralasiens nach wie vor eine ähnliche Rolle spielt wie Brot in Mitteleuropa. Das Fleisch der Tiere wurde gegessen und die Haut wurde zu Leder gegerbt. Waren und Reiter transportierten die Tiere dagegen vermutlich erst später.

Allerdings finden sich im Erbgut heutiger Reit- oder Kutschpferde kaum noch Spuren dieser frühen Nutzpferde. Wohl aber bei den Przewalski-Pferden, die in den Steppen zwischen dem Süden Sibiriens, Kasachstan, der Mongolei und dem Westen Chinas heimisch waren.

Offensichtlich verwilderten also einige dieser zentralasiatischen Nutzpferde der Steinzeit und wurden zu den Przewalski-Wildpferden. Die Vorfahren der heutigen Nutzpferde müssen dagegen später in einer anderen Weltgegend erneut gezähmt worden sein.

Neue Typen

Zunächst wurde vermutet, dass es Wildpferde der iberischen Halbinsel waren. Aber auch diese längst ausgestorbene Linie konnte inzwischen als Urahn der modernen Nutzpferde ausgeschlossen werden. Damit konzentrierte sich die Suche auf Zentral-Anatolien und die Steppenregionen nördlich des Schwarzen Meeres. Finden Archäologen doch gerade im Gebiet der heutigen Türkei immer wieder die Überreste von Pferden, die offensichtlich seit mindestens 9000 Jahren von Menschen gehalten wurden.

Im Erbgut dieser Tiere fanden Eva-Maria Geigl und ihr Team jetzt deutliche Hinweise auf eine eigene Pferdelinie, die damals in Anatolien lebte. Allerdings handelte es sich um Wildpferde, die Erbgut-Analysen zeigen in der Zeit vor 9000 bis vor 2000 Jahren keine Hinweise auf die Aktivität von Züchtern.

In dieser Zeit gab es beim Erbgut der Mitochondrien der Tiere nur zwei Typen. Vor rund 2000 Jahren werden in Schriften und auf Bildern in Anatolien erstmals häufig Pferde und Reiter genannt und dargestellt. Zur gleichen Zeit tauchen sehr rasch zwölf dort bisher unbekannte Typen mitochondrialen Erbguts auf. Die beiden alten Typen werden dagegen seltener.

Da diese neu angekommenen Typen aus heutigen Nutzpferden bekannt sind, dürften damals in Anatolien erstmals Pferde eingetroffen sein, die in anderen Weltgegenden gezüchtet worden waren. Und die einstigen Pferdejäger wurden zu Züchtern.

Rotbraun, schwarz und scheckig

Eva-Maria Geigl und ihr Team haben sich im Erbgut der Tiere auch die Regionen angeschaut, die für die Färbung des Fells zuständig sind. Demnach hatten die ersten Nutzpferde in Anatolien ein rotbraunes Fell. Neben diesen Füchsen gab es auch noch einige Rappen mit schwarzem Fell, während gescheckte Pferde erst vor rund 1200 Jahren auftauchten.

Schecken trabten dagegen vor 2300 gemeinsam mit vielen Rappen über den Balkan, auf dem in dieser Zeit allerdings keine fuchsfarbenen Pferde unterwegs waren. Daraus schließen Eva-Maria Geigl und ihre Kollegen, dass die ersten Nutzpferde nicht vom Balkan und über dem Bosporus nach Anatolien kamen. Viel eher deuten die Erbgut-Analysen dagegen auf einen Weg über den Kaukasus und damit einen Ursprung im Norden des Schwarzen Meeres hin.

Im Erbgut der Tiere fand das Team deutliche Hinweise, dass die Züchter vor etwa 1200 Jahren ihre Nutzpferde auch mit Eseln kreuzten. Nirgends in Anatolien sind bisher ältere Indizien auf Maultiere aufgetaucht.

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