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Forschungsministerin Anja Karliczek (CDU) kommuniziert mit einem humanoiden Roboter.

© picture alliance / Jens Kalaene/

Grüne kritisieren Bildungsministerin Karliczek: „Leerlauf bei der Wissenschaftskommunikation“

Die Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen fordert zusätzlich Ausgaben für öffentliche Auseinandersetzung mit Forschungsergebnissen.

Die Bundestagsfraktion der Grünen fordert eine verstärkte Förderung von Wissenschaftskommunikation und - journalismus. Nachdem Wissenschaftsministerin Anja Karliczek (CDU) wiederholt angekündigt hat, die Wissenschaftskommunikation strukturell verankern zu wollen, verlangen die Grünen nun konkrete Schritte. 

„Der Haushaltsentwurf für 2021 zeigt, dass die Wissenschaftskommunikation auch in Zukunft ein Nischendasein fristen wird“, sagte Anna Christmann, Sprecherin für Innovations- und Technologiepolitik der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, dem Tagesspiegel. „Wirklich mehr Geld will Karliczek nicht ausgeben, eine strukturelle Verankerung des Themas rückt in weite Ferne“, lautet Christmanns Kritik.  

20 Millionen Euro zusätzlich gefordert

Die Grünen fordern, dass Wissenschaftskommunikation zu einem integralen Bestandteil der Förderung des Bundesforschungsministeriums wird - und dazu sofort zur bestehenden Förderung des Themas zusätzlich 20 Millionen Euro zur Verfügung gestellt werden.  

Darüber hinaus verlangen die Grünen ein eigenes Forschungsprogramm zu dem Thema und - nach verfassungsrechtlicher Prüfung - den Aufbau einer unabhängigen Fördereinrichtung für wissenschaftskommunikative und wissenschaftsjournalistische Innovationsprojekte. 

„Corona-Pandemie und Klimakrise zeigen deutlicher denn je, wie wichtig Wissenschaftskommunikation und Wissenschaftsjournalismus für eine sachorientierte, wissenschaftsgeleitete Politik sind“, sagte Christmann.

Anna Christmann ist Sprecherin für Innovations- und Technologiepolitik der Grünen im Bundestag.
Anna Christmann ist Sprecherin für Innovations- und Technologiepolitik der Grünen im Bundestag.

© Promo/Grüne

Die Grünen berufen sich unter anderem auch auf den Beschluss des Deutschen Bundestages vom September 2020, wonach die Wissenschaftskommunikation einer breiten Öffentlichkeit die Ergebnisse von Forschung, ihre praktische Anwendung, wissenschaftliche Fragestellungen und Methoden vermitteln und aufklären soll. „Es ist erschreckend, dass Karliczek keinerlei Initiative zeigt, das umzusetzen“, sagte Christmann. Dabei sei es ihre eigene Fraktion gewesen, die den Beschluss herbeigeführt hat. 

Ministerium verweist auf bestehende  Aktivitäten

Gegenwärtig finanziert das Bundesforschungsministerium Aktivitäten zur Unterstützung von Wissenschaftskommunikation und Wissenschaftsjournalismus in diesem Jahr mit geplanten Ausgaben in Höhe von 17,45 Millionen Euro. Im kommenden Jahr soll der Haushaltsansatz  auf 17,65 Millionen Euro anwachsen. 

„Diese an sich schon niedrige Summe, mit welcher auch Projekte im Bereich Soziale Innovationen und Partizipation (wie Projekte aus dem Bereich Bürgerwissenschaften/Citizens Science) finanziert werden, steht in diametralen Widerspruch zu den Ankündigungen von Ministerin Karliczek und dem Willen des Deutschen Bundestags“, sagte Grünen-Abgeordnete Christmann. 

Nach eigenen Angaben setzt sich das  Bundesforschungsministerium  mit einer Reihe von Maßnahmen dafür ein, die Wissenschaftskommunikation zu stärken und verweist auf acht Maßnahmen mit einem geplanten Fördervolumen in Höhe von insgesamt rund 28,3 Millionen Euro in den Haushaltsjahren 2019 bis 2023. Darunter auch die Denkwerkstatt #FactoryWisskomm, die bis zum Frühjahr 2021 Strategien für die die Wissenschaftskommunikation entwickeln soll. 

Ziel sei es, die Wissenschaftskommunikation weiterzuentwickeln und strukturell in der Wissenschaftslandschaft zu verankern, heißt es in einer Antwort von Staatssekretär Thomas Rachel  (CDU) auf eine Anfrage der Grünen-Abgeordneten, die dem Tagesspiegel vorliegt. „Hier besteht weiterhin eine enorme Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit“, sagte Christmann dazu.  

Mit Forschungsergebnissen auseinandersetzen 

Die Grüne Bundestagsfraktion moniert, dass trotz eines bereits im Oktober 2018 gestarteten Dialogprozesses zur Wissenschaftskommunikation die Förderung des Themas weiter im Leerlauf verharre. 

Die Corona-Pandemie führe uns täglich vor Augen, wie wichtig Wissenschaft, Wissenschaftskommunikation und Wissenschaftsjournalismus für die Gesellschaft sind. „In einer demokratischen Gesellschaft ist es entscheidend, dass Forschungsergebnisse, die kommuniziert werden, auch wahrgenommen und diskutiert werden“, heißt es in einem vom Bundestag abgelehnten Antrag der Grünen-Fraktion vom Juni dieses Jahres

Es gehe um ein Ringen um die beste politische Lösung auf der Grundlage wissenschaftlicher Evidenz. „Die ernsthafte Auseinandersetzung mit Forschungsergebnissen durch Politik und Gesellschaft stärkt Nachhaltigkeit und Akzeptanz politischer Entscheidungen“, heißt es in dem Antrag. Ihre Ignoranz hingegen schwäche den ernsthaften demokratischen Diskurs ebenso wie die Wahrnehmung von Wissenschaft in der Gesellschaft.

Zentrale Rolle  Wissenschaftsjournalismus

Die Grünen sehen die Wissenschaft vor enormen Herausforderungen, gerade auch im Hinblick auf populistische Bewegungen und autokratische Regierungen, die ihre Freiheit bedrohen.  Gute Wissenschaftskommunikation brauche zwingend guten Wissenschaftsjournalismus als Gegenpart. 

„Als vierte Gewalt im Staat und unabhängiger Beobachter nehmen WissenschaftsjournalistInnen eine zentrale Rolle ein: sie hinterfragen wissenschaftliche Publikationen, ordnen diese kritisch ein und bereiten die teils komplexen Inhalte verständlich für die Gesellschaft auf“, heißt es in dem Antrag. 

„Ein hochwertiger, unabhängiger Wissenschaftsjournalismus bildet damit die Grundlage für ein informiertes Vertrauen der Bevölkerung in die Wissenschaft und ist konstitutiv für das Funktionieren offener und demokratischer Gesellschaften.“

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