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In Schwedt steht die große Raffinerie – sie muss sich in den nächsten Jahren umstellen.

© dpa/Patrick Pleul

Grüne Chemie in Ostdeutschland: Unis und Startup-Schmieden gründen Netzwerk

Forschungsinstitute, Universitäten und Startup-Inkubatoren aus Berlin, von der Ostsee und aus dem Leipziger Raum haben Großes vor: Sie wollen die deutsche Chemieindustrie auf Nachhaltigkeit trimmen.

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Sechs Partner aus fünf Bundesländern haben jetzt eine Absichtserklärung unterzeichnet, die die chemische Industrie in Ostdeutschland stärken soll – und zwar mit der Forschung aus dem Berliner Raum und darüber hinaus. Bei dem Papier soll es nicht bleiben, sagte Juri Rappsilber auf einer Pressekonferenz am Donnerstagnachmittag. „Es geht um gemeinsames Handeln.“

Der Professor von der Technischen Universität Berlin ist mit dem Berliner Forschungscluster Unisyscat an der Initiative beteiligt. Das gegründete Netzwerk solle auch zu konkreten Lösungen führen, die „langfristig wirken und Strukturen schaffen“. In diesem Plan liefern die universitäre und außeruniversitäre Grundlagenforschung Ideen, die dann in den diversen Startup-Schmieden zu Produkten mit Marktreife weiterentwickelt werden.

Der Zeitpunkt ist günstig, denn der Klimawandel und die Geopolitik zwingt die Industrie zur Reform: Der Ausstieg aus der Kohle ist beschlossen, es fließt kein Öl mehr aus Russland und die Energiepreise steigen immer weiter. Raffinerien wie die in Schwedt stecken in einer tiefen Krise.

Anders als in einigen anderen europäischen Ländern gibt es in Deutschland aber noch eine nennenswerte Chemieindustrie. Diese müsse aber „weg von fossilen Rohstoffen und globalen Lieferketten, hin zu geschlossenen Kreisläufen und nachhaltigen Verfahren“, das sei erklärtes Ziel der Initiative, sagte Rappsilber: „der Osten Deutschlands als Leuchtturm für nachhaltige Chemie“.

Er betonte, wie wichtig es sei, von der akademischen Grundlagenforschung weiterzudenken. Der Standort Berlin reiche nicht aus, es brauche zum Beispiel auch Schwedt, wo sich am Fuße der großen PCK-Raffinerie ein Ökosystem aus Chemie-Firmen bildet, genauso wie die anderen Partner des Netzwerks, alle mit ähnlichen Zielen. Es finde „eine wahnsinnige Transformation“ statt. „Das nicht alles zusammenzubringen, wäre ein Versäumnis oder geradezu ein Verbrechen“, sagt der Biotechnologe.

Projekte in der Pipeline, aber keine konkreten gemeinsamen

So groß die Worte dieser Ankündigung auch waren, konnten die Beteiligten zum Start keine Vorhaben nennen, die sie zusammen umsetzen wollen. „Wir sind so frisch, dass wir noch keine konkreten Verbundprojekte haben, aber jeder von uns hier Anwesenden hat Projekte in verschiedenen Technologiestadien“, antwortete Martin Rahmel, Leiter von Greenchem, einem Berliner Projekt, das Chemie-Startups bei der Gründung hilft.

So drängend das Thema ist, auf schnelle Erfolge darf man sich nicht einstellen. Von der Idee bis zur Markteinführung dauere es manchmal nur zwischen zwei bis drei Jahren, aber nur wenn es um digitale Geschäftsmodelle gehe, erläuterte Rahmel. Chemie, die sich mit Standard-Equipment kochen lasse, benötige mit Skalierung auf große Anlagen, Zulassungsverfahren und Produktion „locker über sieben Jahre“, völlig neue „first-of-a-kind“-Produkte bräuchten noch länger.

Der Vorteil von Startups gegenüber großen Unternehmen sei, dass sie weniger träge seien und durch ihre Agilität Zeit sparen. „Die Transformation ist ohne Startups gar nicht zu denken.“ Er zitierte eine Studie, nach der der deutsche Chemie-Sektor bei Neugründungen zehnmal schwächer aufgestellt ist als andere Industriebereiche. Diese Lücke wolle das Netzwerk nun füllen.

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