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Mehrere Humane Immunschwäche-Viren (HIV) unter dem Elektronenmikroskop.

© Hans Gelderblom/Robert Koch Institut/dpa

Mutation schützt und schadet zugleich: Immun gegen HIV, aber früher tot

Menschen, denen das Gen CCR5 fehlt, kann der Aids-Erreger nichts anhaben. Doch die Mutation hat auch Nachteile, zeigen jetzt Erbgutdaten aus Großbritannien.

Eine natürlich genetische Veränderung, die unempfindlich gegen den Aids-Erreger HIV macht, erhöht das Sterberisiko durch andere Krankheiten. Das berichten Forscher im Fachblatt „Nature Medicine“. Demnach haben Menschen mit dieser Mutation im Gen „CCR5“ eine um 21 Prozent geringere Chance, das Alter von 76 Jahren zu erreichen.

Ein Mutation mit zweifelhafter Berühmtheit

Weltweite Bekanntheit erlangte die CCR5-Mutation (Delta 32 genannt) im November vergangenen Jahres: Der chinesische Genforscher He Jiankui hatte verkündet, er habe das Erbgut zweier Mädchen mithilfe der Gen-Schere CRISPR/Cas9 mit Mutationen im CCR5-Gen ausgestattet, um sie immun gegen HIV-Infektionen zu machen. Ob das tatsächlich der Fall ist, ist allerdings noch offen. Denn Hes Manipulationen im Erbgut der Zwillinge Nana und Lulu führten zu etwas anderen Mutationen im CCR5-Gen als die natürlich vorkommende Delta-32-Veränderung. Das Experiment sorgte für weltweite Empörung, denn obwohl Menschen ohne CCR5-Gen offenbar gesund und lange leben können, gab es Hinweise, dass sie anfälliger für bestimmte andere Krankheiten sind.

Der chinesische Forscher He Jiankui hat zwei Mädchen, Nana und Lulu, gentechnisch verändert - mit zweifelhaftem Erfolg.
Der chinesische Forscher He Jiankui hat zwei Mädchen, Nana und Lulu, gentechnisch verändert - mit zweifelhaftem Erfolg.

© Tsp/Bartel

Das CCR5-Gen enthält den Bauplan für ein Protein, dass in der Hülle von Blutzellen sitzt. Es gilt als das wichtigste „Einfallstor“ für Aids-Erreger. Fehlt CCR5 aufgrund der Delta-32-Mutation – wie es bei schätzungsweise 100 Millionen Menschen weltweit der Fall sein dürfte –, dann kann HIV die Zellen nicht mehr infizieren, wie etwa beim Berliner Patienten. Allerdings ist die normale Funktion von CCR5 in der Hülle der Blutzellen weitgehend unbekannt. Und damit war auch die Frage offen, ob die Mutation nicht doch Auswirkungen auf die Gesundheit von Menschen hat. Daher untersuchten Xinzhu Wei und Rasmus Nielsen von der University of California in Berkeley mittels der britischen Gen-Datenbank „UK Biobank“ mehr als 400.000 Menschen im Alter von 40 bis 78 Jahren, deren Erbgut mit verschiedenen Genvarianten von CCR5 ausgestattet ist. Eine Gruppe trug auf beiden elterlichen Chromosomen die Mutation Delta 32, eine andere nur auf dem väterlichen oder mütterlichen und die dritte Gruppe war wie die meisten Menschen mit zwei intakten CCR5-Genen ausgestattet.

"Die Crispr-Technik ist viel zu gefährlich, um sie in der Keimbahn einzusetzen"

Durch zwei voneinander unabhängige statistische Analysen gelangten die Forscher zu dem Ergebnis: Menschen mit der zweifach vorhandenen Delta-32-Mutation haben eine um 21 Prozent geringere Wahrscheinlichkeit, 76 Jahre alt zu werden, als solche, die keine oder nur eine Delta-32-Mutation geerbt hatten.

„Hier ist ein funktionelles Protein, von dem wir wissen, dass es im Organismus eine Wirkung hat“, wird Nielsen in einer Mitteilung seiner Universität zitiert. Das Protein sei in fast allen Menschen und den meisten Tieren zu finden. „Daher ist es wahrscheinlich, dass eine Mutation, die das Protein zerstört, im Durchschnitt nicht gut für sie ist.“

Die Delta-32-Mutation bietet Studien zufolge zwar möglicherweise auch Schutz gegen Pocken und einige andere Viren. Andererseits ist die Sterblichkeitsrate bei einer Grippe-Infektion einer früheren Untersuchung zufolge um das Vierfache erhöht. Entsprechend kritisch äußern sich Wei und Nielsen daher gegenüber Hes vorschnellen Eingriffen in das Erbgut von Embryonen: Zum gegenwärtigen Zeitpunkt sei vieles über die Funktionen der Gene unbekannt, sagt Wei: „Die Crispr-Technologie ist viel zu gefährlich, um sie derzeit für die Keimbahnbearbeitung zu verwenden.“ (mit dpa)

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