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Jetzt droht Spätfrost: Warum die Obsternte in Gefahr ist
Die ersten Obstbäume blühen in Deutschland – doch jetzt kommt Frost. Paradoxerweise ist es der Klimawandel, der die Blüten noch anfälliger macht. Warum das so ist und wo es am kältesten wird.
Stand:
Die ersten Obstbäume wie Kirschen, Zwetschgen und Pflaumen haben nach den sonnigen Tagen in Deutschland in einigen Regionen bereist zu blühen begonnen. Wenn jetzt noch einmal Frost kommt, wird es für die Blüten gefährlich.
Tatsächlich ist in den kommenden Nächten von Sonntag bis Dienstag in Deutschland Frost möglich. „Kaltluft aus arktischen Gefilden flutet ab Samstag weite Teile des Landes und führt zu einem regelrechten Temperatursturz“, heißt es vom Deutschen Wetterdienst (DWD).

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In der Nacht zum Sonntag sinken die Temperaturen in Sachsen-Anhalt, Thüringen und Bayern unter null Grad. In der Nacht zum Montag werden zwischen Südbrandenburg und dem Alpenrand bis zu minus fünf Grad, am Boden sogar minus acht Grad erreicht. Auch in der Nacht zum Dienstag bleibt es frostig, besonders im Westen Deutschlands und in Bayern.
Blüten und Frostgefahr
Während Knospen Frost überstehen können, sind Blüten in voller Pracht besonders anfällig. Bereits bei minus sechs Grad bilden sich Eiskristalle, die das Gewebe zerstören. Je weiter die Blüte fortschreitet, desto empfindlicher wird sie – in voller Blüte toleriert die Blüte nur 0 bis -0,5 Grad. Blütenfrost mindert die Bestäubungschancen und damit die Ernte, während Früchte deutlich frostresistenter sind.
Empfindliche Pflanzen sollten bei Frost vor allem am Boden geschützt, Topfpflanzen ins Haus geholt werden. Obstplantagen werden zum Teil durch wärmende Feuer oder Vereisung der Blüten geschützt. Die Schäden bis hin zu Ernteausfällen beim Obst waren jedoch in den vergangenen Jahren teilweise beträchtlich.

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Im Mittel treten in Deutschland im April drei bis fünf Frostnächte auf, in Berlin durchschnittlich drei, in München und Köln sogar fünf. Wie stark Spätfröste auch in der zweiten Aprilhälfte noch zuschlagen können, hat das Jahr 2024 gezeigt. Alle ein bis zwei Jahre kann es auch Anfang Mai noch Frost geben.
Inzwischen vergeht kaum ein Jahr, in dem nicht in verschiedenen Regionen Mitteleuropas weniger Äpfel, Pflaumen oder Kirschen geerntet werden als im langjährigen Mittel. Der Grund: Ausgerechnet in der Blütezeit, in der sich die Pflanzen in einem sehr empfindlichen Entwicklungsstadium befinden, setzt Frost ein.
Klimawandel und Frostgefahr
Paradoxerweise erhöht die Klimaerwärmung das Risiko von Frostschäden. Zwar gibt es weniger Spätfröste, doch die frühere Blüte macht Pflanzen anfälliger für Kälteeinbrüche. Die Blüte von Obstgehölzen wie Süßkirsche und Apfel beginnt im bundesdeutschen Mittel etwa 14 Tage früher als im Mittel der letzten 30 Jahre. Wenn dann doch noch Frost kommt, schadet das den Blüten. Die Obstblüte in Deutschland beginnt je nach Witterung und Region meist im April oder Mai.
Forschende des Deutschen Wetterdienstes (DWD) haben das Phänomen untersucht und konnten eine signifikante Zunahme der Frostschäden bestätigen. Die Wahrscheinlichkeit eines Frostereignisses nach Beginn der Süßkirschblüte ist demnach um durchschnittlich acht Prozentpunkte von 19 (1961-1990) auf 27 Prozent (1991-2020) gestiegen.

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Das Problem entsteht nicht trotz, sondern wegen der Klimaerwärmung. Zwar sank die Wahrscheinlichkeit für Temperaturen unter minus zwei Grad zwischen dem 1. April und 15. Mai durch den Klimawandel um etwa zehn Prozent, doch die Kirschblüte beginnt heute rund neun, die Apfelblüte sogar zwölf Tage früher als 1961 bis 1990.
Dadurch steigt trotz milderer Witterung das Risiko für Frostschäden: Spätfröste sind seltener, doch die frühere Blüte setzt Pflanzen verstärkt Kälteeinbrüchen aus. Insgesamt gibt es weniger Kaltlufteinbrüche, aber sie treffen Pflanzen in empfindlicheren Entwicklungsstadien.
„Der Klimawandel führt nicht generell zu weniger Frostschäden“, betonen DWD-Experten. Typische Frühjahrs-Kaltlufteinbrüche mit Temperaturen unter null Grad sind zwar seltener, treffen jedoch weiter entwickelte Pflanzen – und erhöhen so das Frostrisiko in der Blütezeit.
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