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Neuer mobiler Standard. Wer den „Coffee to go“ umweltbewusst genießen will, greift immer häufiger zu wiederverwendbaren Bambusbechern.

© Daniel Karmann, dpa

Kaffeeklatsche von der Stiftung Warentest: Bambus-Becher sondern Melamin und Formaldehyd ab

Ein Test stellt Mehrwegtassen aus Bambus ein schlechtes Zeugnis aus: Aus manchen lösen sich bedenkliche Stoffe in den Kaffee. Doch es geht offenbar auch anders.

Bambus gilt in vielen Bereichen als das alternative, umweltfreundliche Material schlechthin. Stabil, schnell nachwachsend und komplett „bio“. Doch das Problem ist, wie auch in anderen Bereichen und bei anderen Materialien, dass von den Alternativen dann auch erwartet wird, genau die gleichen oder gar bessere Eigenschaften als das Althergebrachte zu haben. Dafür muss die Industrie dann doch meist ein wenig nachhelfen, etwa mit allerhand Zusätzen, Klebern, Beschichtungen, Lacken. Die Stiftung Warentest hat jetzt wiederverwendbare Kaffeebecher aus Bambus getestet. Das Ergebnis liegt weit jenseits von jeglichem Verwöhn-Aroma.

Bambusbecher: Selbst nach häufigem Gebrauch noch Problemstoffe im Getränk

Viele der untersuchten Becher setzten in Tests mit heißen und leicht sauren Testflüssigkeiten, wie es Kaffee in der Regel auch ist, potenziell ungesunde Abbauprodukte frei. Und sie taten das nicht nur, wenn sie fabrikneu waren, sondern oft auch noch nach mehreren Gebrauchszyklen, mit dann teilweise dann sogar höheren Problemstoffwerten.

Es sind zwei Substanzen, die im Kaffee, aber auch in anderen in heißem Zustand abgefüllten Getränken landen können: Einerseits fand sich das Gewebereizungen auslösende und unter Verdacht, Krebs zu erzeugen, stehende Lösungsmittel Formaldehyd. Dazu kam Melamin. Diese organische Substanz ist auch Grundstoff vieler Kunststoffe. In Tierversuchen hat sie Nieren- und Blasenerkrankungen hervorgerufen. Beide stammen aus dem Melaminharz, das mit dem Bambuspulver vermischt wird, bevor die Becher gepresst werden. Und der Anteil von Melaminharz in den Endprodukten ist hoch. Damit ein Becher stabil bleibt, muss er nach Tagesspiegel-Informationen bei mindestens 30 Prozent liegen. Das bedeutet also, dass selbst die Bambusbecher mit dem niedrigsten Anteil synthetischer Zusatzstoffe nur zu maximal gut zwei Dritteln auch wirklich aus dem Naturmaterial bestehen.

Dass es möglich ist, Bambusbecher – oder eben ehrlicher formuliert: Mischbecher aus Bambus und Melaminharz – herzustellen, bei denen diese Probleme nicht auftauchen, zeigt der Testsieger. Auch hier allerdings die Einschränkung: Die Substanzen werden bei ihm und noch bei vier weiteren Produkten anderer Marken, die ebenfalls gut oder befriedigend abschnitten, auch aus dem Material gelöst, aber in weit geringeren und als unproblematisch geltenden Mengen.

Jene beste Note bei der Stiftung Warentest bekam der „Chic Mic Cup“, vertrieben von einem Frankfurter Unternehmen. Er schnitt bei den Schadstofftests mit der Note 2,2 als „gut“ ab.

Die Bambusbecher sind eine nette Idee - wenn sie nicht geeignet sein sollten, dann ist das eben so. Viel wichtiger als die Frage nach Bambus- oder Plastikbecher ist doch die Frage der Wiederverwendbarkeit.

schreibt NutzerIn Firefighter_No9

Auch teure Bambusbecher schnitten schlecht ab

Dessen Geschäftsführer Alireza Khadem Hossini führt dies auf die Qualität des verwendeten Melaminharzes und langjährige Erfahrungen mit den Produktionsprozessen zurück. Seine Firma, so Khadem Hossini gegenüber dem Tagesspiegel, lasse die Becher in China produzieren, allerdings mit einem in Taiwan eingekauften Melaminharz, das „viermal so teuer“ sei wie Produkte gleichen Namens von anderen Herstellern. Zudem verfüge die Zulieferfirma in Taiwan über langjährige Erfahrungen mit Produkten aus Melaminharz und Bambus.

Tatsächlich gilt dies für andere Hersteller offenbar nicht. Viele produzieren Bambusgeschirr erst, seit 2017 die Nachfrage massiv anstieg. Die Produktionsstätten liegen durchweg in Asien, weil dort einerseits eben Bambus wächst, andererseits die Herstellungskosten deutlich geringer sind als etwa in Deutschland.

Die Becher, die hinsichtlich der Schadstoffe gut oder zumindest befriedigend abgeschnitten haben, gehören durchweg zu den teureren auf dem Markt. Doch auch unter denen mit der Note „mangelhaft“ ist nicht nur der 1,99-Euro-Becher von Aldi Nord, sondern auch etwa ein mit 17 Euro zu Buche schlagendes Gefäß namens „Premium Cup Bamboo to go“. Auf Anfrage teilte Aldi Nord mit, das von dem Discounter geführte Produkt erfülle alle gesetzlichen Normen. Man nehme die Diskussion aber sehr ernst. Khadem Hossini sagt auf Nachfrage, er habe seinen Becher 2017 vom Tüv Rheinland auf eigene Kosten prüfen lassen.

Öko-Image mit Fragezeichen

Die Stiftung Warentest bemängelt bei den Bechern aber nicht nur die sich im Kaffee lösenden, womöglich problematischen Stoffe, sondern auch die Kennzeichnungspraxis der Unternehmen. Hier geht es nicht etwa um Warnungen vor Formaldehyd zum Frühstück unterwegs. Vielmehr ist das gern transportierte Image von der biologisch abbaubaren umwelt- und klimafreundlichen Alternative zum kunststoffbeschichteten Einwegpappbecher das Problem. Denn das Bambus-Melamin-Produkt verrottet auf einem Komposthaufen nicht viel schneller als eines aus reinem Plastik. Und ähnlich wie bei so ziemlich allen Verbundmaterialien ist auch die Recyclingfähigkeit mangelhaft. Bambus, Melamin und Formaldehyd lassen sich – ironischerweise offenbar außer durch heißen Kaffee – nicht wieder von einander trennen und wiederverwerten. Sachgerechte Entsorgung bedeutet bei Bambusbechern immer „thermische Verwertung“, also Verbrennung in der Müllverbrennungsanlage. Sie sind Restmüll.

Ökologisch sinnvoll sind sie also dann, wenn sie lange halten, oft wiederbefüllt und am Ende sachgerecht entsorgt werden. Wie es dann mit der Schadstoffproblematik aussieht, hat die Stiftung an jenen Waren aber gar nicht getestet. Es ist also möglich, dass Melamin und Formaldehyd mit der Zeit weniger freigesetzt werden. Aber auch, dass über viele Verwendungszyklen und mit zunehmender Abnutzung des Materials die Werte sogar steigen könnten, ist nicht auszuschließen. Wer seinen Becher schon 50 Mal verwendet hat, weiß – wenn man dem von der Stiftung Warenteste als Ökobilanz-Experten zitierten Benedikt Kauertz vom ifeu-Institut in Heidelberg glaubt –, dass er oder sie Umwelt und Klima einen Dienst erwiesen hat. Aber jene umweltbewusste Person weiß nicht, was sie jeden Morgen mittrinkt.

Melamin und Formaldehyd in gemessenen Konzentrationen nicht gefährlich

Alternativen zu Melamin-Bambus sind etwa Isoliergefäße mit Glas, Keramik und Edelstahl als mit der Flüssigkeit in Berührung kommenden Materialien. Sie sind aber in der Herstellung aufwendiger als Bambusprodukte und brauchen, um in der Öko- und Klimabilanz die Sinnschwelle zu überschreiten, noch mehr Verwendungszyklen.

Die einigermaßen gute Nachricht ist: Sowohl Melamin als auch Formaldehyd gehören nicht zu den als hochgefährlich eingestuften Stoffen, jedenfalls nicht in den Konzentrationen, die im Kaffee möglich sind, so der aktuelle toxikologische Wissensstand. Auch die Becher, die bei der Stiftung Warentest schlecht abgeschnitten haben, geben bei Temperaturen unter 70 Grad deutlich weniger davon ab. Die etwas traurige, aber sichere Lösung für den Besitzer eines nicht so hochwertigen Bambusbechers lautet also: kalter Kaffee. Mitarbeit: Thorsten Mumme

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