zum Hauptinhalt
Am Dammtorbahnhof in Hamburg löste die Polizei am 4. Januar 2023 eine Protestaktion der „Letzten Generation“ auf.

© dpa/Jonas Walzberg

„Letzte Generation“: Konfliktpotenzial wird wissenschaftlich untersucht

Eine neue Forschungsgruppe an der Humboldt-Universität und in Erfurt will das Konfliktpotenzial von Aktionen radikaler Umweltschützer analysieren, die sich an Straßen und Gemälden festkleben.

Wo die Grenzen der Zumutbarkeit des Widerstands gegen Umweltzerstörung und für mehr Klimaschutz verlaufen, wird seit Monaten in Deutschland diskutiert.

Vor allem dann, wenn sich Vertreter:innen der „letzten Generation“ öffentlichkeitswirksam auf Hauptverkehrsstraßen und Autobahnzufahrten festkleben und dabei nicht nur den Pendler- und Lieferverkehr, sondern auch Rettungsfahrzeuge blockieren.

Wir vermuten, dass in den ökologischen Konflikten Konturen der kommenden Gesellschaft ausgehandelt werden.

Vincent August, Forschungsgruppenleiter, Postdoktorand am Institut für Sozialwissenschaften der HU

Wen die „letzte Generation“ repräsentiert und welche „Konfilktdynamiken“ auch im Mit- und Gegeneinander anderer Bewegungen entstehen, untersucht jetzt eine Forschungsgruppe, die an der Humboldt-Universität zu Berlin und an der Universität Erfurt angesiedelt ist. Neben der altersgemischten „letzten Generation“ soll es dabei auch um die von Schüler:innen begründeten „Fridays for Future“ gehen, die unter anderem von den Vereinten Nationen als Repräsentanten der jungen Generation anerkannt wurden.

Als Gegenformation sehen die Forschenden Repräsentanten der vermeintlich bedrohten Mehrheitsgesellschaft, die nach einem geflügelten Wort von Unions-Fraktionschef Ralph Brinkhaus als „Nackensteak-Esser“ bezeichnet werden. „Wie werden solche Repräsentationsansprüche durchgesetzt? Wann werden sie anerkannt oder abgelehnt?“ Diese exemplarischen Forschungsfragen nennen die beiden Wissenschaftler, die für ihr Projekt eine Förderung der Düsseldorfer Gerda-Henkel-Stiftung eingeworben haben.

240
Tausend Euro erhält die Forschungsgruppe von der Gerda-Henkel-Stiftung

„Wir vermuten, dass in den ökologischen Konflikten Konturen der kommenden Gesellschaft ausgehandelt werden“, erklärt Forschungsgruppenleiter Vincent August, Postdoktorand am Institut für Sozialwissenschaften der HU. Durch die Aktionen insbesondere der „letzten Generation“ werde die Institutionenordnung neu justiert – indem Aktivisten etwa Rechte für Flüsse und Berge einklagen. Auch soziale Gruppen positionierten sich neu. Daraus entstünden „sehr grundlegende Konflikte mit je eigenen Dynamiken“.

„Wir sollten untersuchen, ob sich an diesen Auseinandersetzungen über politische Repräsentanz neue Muster abzeichnen, wie wir künftig unsere politischen Konflikte – auch jenseits der Herausforderungen des Klimawandels – austragen“, sagt André Brodocz, Ko-Leiter der Forschungsgruppe und Professor für Politische Theorie in Erfurt.

Mit der 240.000-Euro-Förderung durch die Gerda-Henkel-Stiftung können August und Brodocz auch drei Promotionsstipendien ab 1. Mai einrichten, für die bis zum 15. Februar Bewerbungen angenommen werden. Forschen sollen die Ausgewählten dann zu je einem von drei Teilprojekten: zu Repräsentationsansprüchen, zu Erinnerungs- und Ideenpolitiken (Stichwort „Grüne RAF“) und zu Konfliktstrategien der Akteure.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false