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Eine Hebamme misst den Bauchumfang einer Schwangeren.

© dpa/Caroline Seidel

Mehr als 140.000 Schwangerschaften untersucht: Ungeimpfte Schwangere haben ein höheres Risiko für eine Totgeburt

Eine Studie aus Schottland zeigt: Ungeimpfte, mit Covid-19 Infizierte, müssen viermal so oft ins Krankenhaus wie Geimpfte – und verlieren häufiger ihr Baby.

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In den Sozialen Netzwerken hält sich hartnäckig das Gerücht, dass eine Schutzimpfung gegen das Coronavirus unfruchtbar mache. Das ist nicht nur falsch, sondern könnte auch gefährlich sein: Einer neuen Studie zufolge verlieren Schwangere, die mit Covid-19 infiziert sind, häufiger ihr Kind im Mutterleib oder kurz nach der Geburt, wenn sie ungeimpft sind. Schottische Wissenschaftler:innen haben alle 144.546 Schwangerschaften untersucht, die zwischen dem 1. März 2020 und dem 31. Oktober 2021 im nördlichsten Land Großbritanniens registriert wurden. Die Fachzeitschrift „Nature“ veröffentlichte die Studienergebnisse.

Die Ergebnisse würden zeigen, dass es bei Schwangeren, die an Covid-19 erkrankt waren, öfter zu schweren Komplikationen kam als bei geimpften Erkrankten – einschließlich Müttersterben, Totgeburten und Frühgeburten.

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Der Studie zufolge müssen ungeimpfte Schwangere bei einer Coronavirus-Infektion viermal häufiger im Krankenhaus behandelt werden als geimpfte. Am höchsten sei das Risiko, ein Kind durch eine Totgeburt oder im Verlauf des ersten Lebensmonats zu verlieren, wenn die Mutter sich kurz vor der Geburt infiziert hatte.

Während des untersuchten Zeitraums starben in Schottland 2,3 Prozent der Babys – eine Quote, die mehr als viermal so hoch ist wie die durchschnittliche Anzahl der Totgeburten in Schottland. Die Frauen, die ihr Baby während oder kurz nach der Geburt verloren, waren alle ungeimpft. Bei Frauen, die trotz Impfung mit Corona infiziert waren, starb kein Kind.

Auch die Zahl der Frühgeborenen hat sich der Studie zufolge unter infizierten Schwangeren fast verdoppelt. Sechzehn Prozent der Babys kamen vor der 37. Schwangerschaftswoche zur Welt. Der Durchschnitt in Schottland liegt eigentlich bei ungefähr acht Prozent.
Auf diese Entwicklung wies auch Ulrich Knuth im Gespräch mit dem Tagesspiegel hin. Er ist Facharzt für Gynäkologie und Geburtshilfe am Kinderwunschzentrum Hamburg.

„Eine Infektion während einer Schwangerschaft geht nachgewiesenerweise mit einer erhöhten Frühgeburtlichkeit einher“, sagte Knuth. Das bestätigt eine groß angelegte Studie, die im Fachmagazin „Jama“ erschienen ist. Auch Schwangerschaftsvergiftungen und Thrombosen treten bei ihnen demnach häufiger auf.

Stiko empfiehlt Impfung für Schwangere

In Deutschland wurde eine Impfung lange Zeit nur Schwangeren mit erhöhtem Risiko geraten. Seit September 2021 empfiehlt die ständige Impfkommission (Stiko) Schwangeren ab dem zweiten Trimester, sich mit dem Impfstoff von Biontech zu immunisieren.

Nach Erkenntnissen der Stiko sei eine Schwangerschaft an sich ein unabhängiger Risikofaktor für einen schweren Verlauf einer Corona-Infektion. Zusätzlich hätten Sicherheitsdaten zur Impfung für Frauen in der Schwangerschaft keine Hinweise geliefert, dass unerwünschte schwere Komplikationen zu erwarten seien.

Vielmehr seien Schwangere, die mit Covid-19 infiziert sind, besonders gefährdet, laut Daten des deutschen Cronos-Registers:

  • eine von 25 Schwangeren braucht intensivmedizinische Behandlung
  • jede fünfte braucht Atemunterstützung
  • jede zehnte braucht eine ECMO-Therapie
  • die Sterblichkeit liegt bei 50 von 100.000. Bei Schwangeren ohne Covid-19-Erkrankung liegt sie bei rund drei von 100.000.

Falschinformationen zu Impfung und Schwangerschaft verbreitet

In sozialen Medien kursieren jedoch viele Gerüchte und Falschinformationen, dass eine Impfung Frauen unfruchtbar machen könnte, schreibt die Infoseite des Bundesministeriums für Gesundheit.

Meist stützen Menschen, die das behaupten, ihre Argumentation auf die vermeintliche Ähnlichkeit zwischen dem sogenannten Spike-Protein des Coronavirus, mit dem der Erreger an menschliche Zellen andockt, und dem körpereigenen Protein namens Syncytin-1. Dazu sei aus wissenschaftlicher Sicht nur eines zu sagen: Es ist falsch.
Bei gebärfähigen Frauen ist Syncytin-1 etwa für die Bildung der Plazenta verantwortlich, über die der Nachwuchs in der Gebärmutter mit Nährstoffen versorgt wird. Die These ist nun: Wenn der Körper nach einer Impfung eine Immunabwehr gegen das Corona-Spike-Protein bildet, weite sich diese Reaktion zugleich auch auf Syncytin-1 aus und verhindere so die Bildung der Plazenta.

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Es gebe jedoch überhaupt keine besondere Ähnlichkeit zwischen den beiden Proteinen, so „dass eine Kreuzreaktion des Impfstoffs im Grunde unmöglich ist“, sagte die Leiterin der Forschungsgruppe Biochemie und Bioorganische Chemie an der Universität Leipzig, Annette Beck-Sickinger, der „Freien Presse“.

Die Europäische Arzneimittelbehörde (EMA) bekräftigt dies: Nach einer Auswertung von 65.000 Studien zeigten „vermehrte Belege“, dass die mRNA-Impfstoffe von Biontech und Moderna bei Schwangeren keine Komplikationen verursachten. Eine Impfung bringe für Schwangere und ihre Babys mehr Vorteile als Risiken. Das unterstreicht auch die neue Studie aus Schottland.

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