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Kuss

© Getty Images/Stone RF

Mehr als nur ein Kuss: Liebe ist, wenn man sogar seine Mikroben teilt

Was für ein großer Liebesbeweis ein Kuss ist, erschließt sich erst, wenn man weiß, was dabei für Bakterien ausgetauscht werden. Eine Erbonkel-Kolumne für Romantiker zum „Tag des Kusses“. 

Sascha Karberg
Eine Kolumne von Sascha Karberg

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Wann haben Sie Ihren Partner zuletzt leidenschaftlich geküsst? Gerade eben erst? Dann haben Sie sehr wahrscheinlich etwa 80 Millionen Bakterien ausgetauscht, von Lactobacillus bis Bifidobakter, vorausgesetzt, der Schmatzer dauerte länger als zehn Sekunden. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie von Mikrobiom-Forschern der Universität Amsterdam.

Schon länger ist bekannt, dass die Zusammensetzung des Mikrobioms, jener Mix von Abermilliarden von Bakterien im Darm und Mund von Menschen, sich im Laufe der Zeit immer mehr angleicht, wenn sie in einer Wohnung zusammenleben. Besondere Intimitäten braucht es dazu nicht, es reicht, Küche, Bad und Wohnzimmer gemeinsam zu nutzen. Kein Grund, einen Putzfimmel zu entwickeln, denn zumeist handelt es sich um harmlose, sogar nützliche Bakterienspezies.

Je öfter, umso ähnlicher. Ist die Ähnlichkeit der Mundflora ein Maß für die Liebe?

© Getty Images/E+

Ein Teil dieser Bakterienarten wird buchstäblich „vererbt“: Noch im hohen Alter lassen sich jene Mikroben nachweisen, die einst während der Geburt von der Mutter auf den Säugling übertragen wurden. Andere gesellen sich jedoch im Lauf des Lebens unweigerlich dazu, ob nun infolge eines artenreichen Döners oder eines schmierigen Haltegriffs im Bus, sodass jeder seine unverwechselbare Mikrobiomsignatur trägt – und verbreitet, etwa beim Küssen.

Ein Kuss allein ändert jedoch noch nichts in der Mundflora, so die Amsterdamer Forschenden. Sie befragten 21 Paare, wie oft, wie intensiv und wie lange sie sich küssen und ließen sie vor und nach dem Küssen Abstriche aus der Mundhöhle machen. Je häufiger die Paare sich küssten, umso stärker ähnelte sich ihre Bakterienflora. Je länger der letzte Kuss zurücklag, umso stärker unterschieden sich die bakteriellen Signaturen allerdings auch wieder. Einige der Bakterienarten seien zwischen Partnern nur vorübergehend vorhanden, „während andere eine echte Nische auf der Zungenoberfläche gefunden haben, die eine langfristige Besiedlung ermöglicht“.

Das wirft natürlich Fragen auf: Wie viele der Bakterien, die beim ersten leidenschaftlichen Zungenkuss mit der Geliebten in die eigene Mundhöhle wandern, stammen noch von ihrem Ex? Lässt sich echte Liebe an der Ähnlichkeit der Mundflora messen? Und ist es creepy, wenn der Erbonkel jetzt Appetit auf die Bifidobakterienkultur seiner Frau bekommen hat?

Was wir zum Leben mitbekommen und was wir weitergeben – jedes Wochenende Geschichten rund um Gene und mehr in der „Erbonkel“-Kolumne

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