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Aktivisten nehmen mit einem Plakat „Stop Oil Expanstion“ an einer Demonstration gegen fossile Brennstoffe auf dem UN-Klimagipfel COP29 teil.

© dpa/AP/Peter Dejong

Update

„Ölbefleckte Konferenz“: Wissenschaftler zeigen sich enttäuscht über die Ergebnisse der COP29

Trotz neuer Klimahilfen bleiben entscheidende Themen wie der Ausstieg aus fossilen Energien ungelöst. Forschende sind enttäuscht.

Stand:

Die COP29 hätte ein Wendepunkt im Kampf gegen die Klimakrise sein können – doch stattdessen hinterlässt sie viele Forschende frustriert und besorgt.

Die Teilnehmerstaaten beschlossen in Baku, Aserbaidschan, die jährlichen Klimahilfen für Entwicklungsländer bis 2035 auf mindestens 300 Milliarden US-Dollar zu erhöhen – ein Tropfen auf den heißen Planeten. Und die Diskussionen über den Ausstieg aus fossilen Energieträgern blieben ohne konkrete Ergebnisse. So konnten keine verbindlichen Zusagen für die Reduzierung von Treibhausgasemissionen erzielt werden.

Um eine gefährliche, allumfassende Klimakatastrophe noch zu verhindern, reicht ein ineffektiver und kompromittierter Gesprächskreis einfach nicht aus.

Bill McGuire, emeritierter Professor für Geophysikalische und Klimatische Gefahren am University College London (UCL)

Fossile Interessen scheinen die Klimaverhandlungen gelähmt zu haben, Forschende sprechen von einer „ölbefleckten“ Konferenz.

Bill McGuire, emeritierter Professor für Geophysikalische und Klimatische Gefahren am University College London (UCL), erklärte: „Drei Jahrzehnte nach der ersten COP befinden wir uns bei der COP29 – ausgerichtet in einem Petro-Staat, geleitet von einem Fossilenergie-Chef und durchsetzt von fast 2000 Lobbyisten der fossilen Brennstoffindustrie.“ Dabei bezog er sich auf Mukhtar Babayev, dem Präsident der COP29, der in verschiedenen Positionen beim staatlichen aserbaidschanischen Öl- und Gasunternehmen SOCAR tätig war.

McGuire betonte gegenüber dem britischen Science Media Center, dass die Präsenz der Lobbyisten, die unter anderem Unternehmen wie Chevron, ExxonMobil, bp, Shell und TotalEnergies vertreten, die Klimaverhandlungen untergraben habe. „Solange dieses ,Elefant im Raum’-Thema ignoriert wird, werden die Klimagipfel weiterhin ins Leere laufen“, sagte er.

Frustration, Ungläubigkeit, Angst

Er fügte hinzu, dass viele Klimawissenschaftler die gleiche Mischung aus Frustration, Ungläubigkeit und Angst angesichts des fehlenden Fortschritts teilen. „Da die Emissionen in den nächsten etwa 60 Monaten um mindestens 43 Prozent sinken müssen, um unter 1,5 Grad Celsius zu bleiben und eine gefährliche, allumfassende Klimakatastrophe noch zu verhindern, reicht ein ineffektiver und kompromittierter Gesprächskreis einfach nicht aus.“

McGuire forderte, dass die Welt die Klimakrise mit derselben Dringlichkeit behandeln müsse, wie sie in Kriegszeiten an den Tag gelegt werde. „Die Welt muss auf Kriegsfuß stehen und entsprechend handeln.“

Menschen, die nicht von der Ölindustrie gekauft wurden, kämpfen für uns alle.

Friederike Otto, Leiterin der World Weather Attribution am Zentrum für Umweltpolitik des Imperial College London

Auch Friederike Otto, Leiterin der World Weather Attribution am Zentrum für Umweltpolitik des Imperial College London des, kritisierte die COP29 scharf. Sie beschrieb sie als „eine weitere fragwürdige, von Öl befleckte COP“. Laut Otto habe die Präsidentschaft „um jeden Preis vermieden, fossile Brennstoffe zu erwähnen“. Sie hob hervor, dass der Vorsitzende der Konferenz dabei erwischt wurde, wie er nebenbei Ölgeschäfte einfädeln wollte.

Große Erwartungen an nächste COP

Trotz dieser ernüchternden Einschätzung betonte sie die Bedeutung des Kampfes für echten Fortschritt. Es stünden viele Leben und Existenzen auf dem Spiel, erklärte sie und fügte hinzu, dass „Menschen, die nicht von der Ölindustrie gekauft wurden, für uns alle kämpfen“.

Mit Blick auf die kommende COP30 in Brasilien, die vom 10. bis 21. November 2025 in Brasilien stattfinden wird, äußerte Otto die Hoffnung, dass diese Stimmen stärker Gehör finden und die dringend notwendige Beschleunigung des Übergangs weg von fossilen Brennstoffen möglich wird, „für eine sicherere und gerechtere Welt“.

Wie die Umsetzung aussehen könnte

Johan Rockström und Ottmar Edenhofer, beide Direktoren des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, sind sich einig, dass sofort gehandelt werden muss.

Rockström fordert eine drastische Reduktion der globalen Emissionen um 7,5 Prozent jährlich, um unkontrollierbare globale Folgen durch das Überschreiten der 1,5-Grad-Grenze zu vermeiden. „Wir können nicht noch weitere zehn Jahre auf öffentliche Klimafinanzierung warten, bis die Kosten für Verluste und Schäden in die Höhe geschossen sind“, mahnt er. Der Fokus müsse sofort auf die Finanzierung und Umsetzung von Emissionsminderungen gelegt werden, ergänzt durch die grundlegende Neuausrichtung der Weltwirtschaft weg von einem fossilen Wachstumsmodell.

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Edenhofer unterstreicht, die Klimafinanzierung für den globalen Süden zweifach an Emissionsminderungen zu knüpfen: „Erstens sollten Geberstaaten im wohlhabenden Norden die Mittel mobilisieren, indem sie Öl, Kohle und Gas bepreisen. Zweitens sollte das Geld idealerweise nur fließen, wenn das Empfängerland nachweislich den Treibhausgas-Ausstoß reduziert.“

1,3 Billionen statt 300 Milliarden

Die Forschenden sind sich einig, dass die zugesprochenen 300 Milliarden US-Dollar ein Tropfen auf den heißen Planeten sind. Die ärmsten und verletzlichsten Nationen seien zu Recht enttäuscht, dass wohlhabendere Länder nicht mehr Geld bereitgestellt haben, obwohl das Leben von Milliarden Menschen auf dem Spiel stünden, so Ani Dasgupta, Präsident der Organisation World Resources Institute.

Laut führenden Ökonomen reiche das Ziel von 300 Milliarden Dollar bis 2035 nicht aus, um den Bedarf der Entwicklungsländer zu decken, die eine emissionsarme Wirtschaft anstreben und ihre Bürger vor zunehmenden Dürren, Überschwemmungen und Bränden schützen müssen. „Die harte Arbeit beginnt jetzt, um einen Weg aufzuzeigen, wie alle Finanzierungsquellen hochskaliert werden können, um die 1,3 Billionen Dollar bereitzustellen, die Entwicklungsländer bis 2035 benötigen.“

Ambitionierte neue Ziele

Es gibt auch positive Stimmen. Joeri Rogelj vom Grantham Institute for Climate Change and Environment am Imperial College London sagte, die Konferenz habe den Weg für das große Thema des kommenden Jahres bereitet: eine neue Welle nationaler Zusagen zur Emissionsreduktion. Besonders ermutigend seien dabei die ambitionierten neuen Ziele von Ländern wie dem Vereinigten Königreich und Mexiko sowie die Verpflichtung anderer Staaten, ihre Ziele mit dem 1,5-Grad-Ziel des Pariser Abkommens in Einklang zu bringen.

Rogelj wies auch auf die fortwährende Debatte hin, ob es noch möglich sei, die globale Erwärmung auf maximal 1,5 Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen. „Die Chancen stehen nicht mehr auf der Seite der Welt“, stellte er fest. Gleichzeitig betonte er die Dringlichkeit, jede zusätzliche Erwärmung zu vermeiden: „Mit jeder Zehntelgrad Erwärmung wird das Leben auf der Erde gefährlicher.“

Angesichts der bereits spürbaren Auswirkungen des Klimawandels forderte Rogelj alle Länder auf, ihre Emissionen so stark wie möglich zu reduzieren. „Jedes Land muss Emissionsreduktionen umsetzen, die so tiefgreifend sind, wie es nur möglich ist“, erklärte er.

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