zum Hauptinhalt
Wissenschaftler werten den Sturm Éowyn als Beleg dafür, dass das sich verändernde Meeresklima im Atlantik das Potenzial hat, extreme Stürme und Hurrikane hervorzubringen.

© REUTERS/TOBY MELVILLE

Ozeane erwärmen sich rasant: Extreme Stürme und Hurrikane im Atlantik werden immer wahrscheinlicher

Eine aktuelle Studie zeigt, dass die Meeresoberflächentemperaturen immer schneller ansteigen – mit Folgen für das globale Klima und zunehmenden Wetterextremen.

Stand:

Die Erwärmung der Ozeane hat sich in den letzten vier Jahrzehnten mehr als vervierfacht. Eine neue Studie, die am Dienstag in der Fachzeitschrift „Environmental Research Letters“ veröffentlicht wurde, kommt zu dem Ergebnis, dass die Meerestemperaturen Ende der 1980er Jahre noch um etwa 0,06 Grad Celsius pro Jahrzehnt stiegen, während es heute bereits 0,27 Grad sind.

Die globalen Meerestemperaturen erreichten im Jahr 2023 und zu Beginn des Jahres 2024 an 450 aufeinander folgenden Tagen Rekordwerte und liegen auch heute noch etwa 0,7 Grad über den Werten der Jahre 1982 bis 2010. 2024 waren es 0,86 Grad und im Vergleich zu den Temperaturen seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 1880 lag die Meeresoberflächentemperatur 2023 sogar 0,91 Grad höher. Im Nordatlantik waren die Abweichungen noch höher, im September 2023 lagen sie bei rund 1,45 Grad. Das klingt nicht viel, entspricht aber einer enormen Energiemenge.

Die Forscher um Hauptautor Chris Merchant von der Universität Reading hoffen, dass ihre Ergebnisse helfen werden zu erklären, warum die Meerestemperaturen 2023 und Anfang 2024 so hoch waren wie nie zuvor. 

Ozeane nehmen immer schneller Wärme auf

Ein Teil der Wärme in den letzten beiden Rekordjahren ist auf das zyklische Wetterphänomen El Niño zurückzuführen. Ein Vergleich der Werte mit einem ähnlichen El Niño in den Jahren 2015 und 2016 zeigte, dass der Rest der Rekordtemperaturen darauf zurückzuführen ist, dass sich die Meeresoberflächen in den letzten zehn Jahren schneller erwärmt haben als in den Jahrzehnten zuvor. Insgesamt sind demnach 44 Prozent der zusätzlich aufgenommenen Wärme darauf zurückzuführen, dass die Ozeane immer schneller Wärme aufnehmen. 

Zu ihren Ergebnissen kamen die Forschenden mithilfe von Computersimulationen. Aus Satellitenbeobachtungen seit 1985 und einem statistischen Modell berechneten sie die Geschwindigkeit des Temperaturanstiegs. Sie führen die beschleunigte Erwärmung der Ozeane auf das zunehmende Energieungleichgewicht der Erde zurück.

Durch den vom Menschen verstärkten Treibhauseffekt nimmt die Erde mehr Energie von der Sonne auf, als sie ins Weltall zurückstrahlt. Dieses Ungleichgewicht habe sich seit 2010 etwa verdoppelt, was zum Teil auf die steigende Konzentration von Treibhausgasen zurückzuführen ist. 

Weitere Erwärmung erwartet

„Wenn die Ozeane eine Badewanne voller Wasser sind, dann lief der heiße Wasserhahn in den 1980er Jahren langsam und erwärmte das Wasser jedes Jahrzehnt um Bruchteile eines Grades. Aber jetzt läuft der heiße Wasserhahn viel schneller, und die Erwärmung hat sich beschleunigt“, erklärt Chris Merchant. Um diese Erwärmung zu verlangsamen, müsse der heiße Hahn wieder zugedreht werden: „Und zwar, indem wir die globalen Kohlenstoffemissionen reduzieren und auf Netto-Null bringen.“

Die Klimaforscher gehen aufgrund ihrer Ergebnisse davon aus, dass der Anstieg der Ozeantemperatur der letzten 40 Jahre bereits in den nächsten 20 Jahren übertroffen wird. Dies sei für das Klima als Ganzes von großer Bedeutung, denn die Oberflächentemperatur der Ozeane gibt den Takt für die globale Erwärmung vor.

Von großer Bedeutung für das gesamte Klima: Die Oberflächentemperatur der Ozeane gibt den Takt für die globale Erwärmung vor.

© Imago/blickwinkel/P. Frischknecht

„Politische Entscheidungsträger und die Gesellschaft sollten erkennen, dass die bisherige Geschwindigkeit der globalen Erwärmung kein verlässlicher Maßstab für die deutlich schnelleren Veränderungen der kommenden Jahrzehnte ist“, so die Autor:innen in der Studie. Die sich beschleunigende Erwärmung unterstreiche die Dringlichkeit, die Verbrennung fossiler Brennstoffe zu reduzieren, um in Zukunft einen noch schnelleren Temperaturanstieg zu verhindern und mit der Stabilisierung des Klimas zu beginnen.

Um die Erwärmung der Ozeane zu verlangsamen, muss der heiße Wasserhahn wieder zugedreht werden.

Chris Merchant, Universität Reading

Erhitzte Meere und Wetterextreme

Hohe Wassertemperaturen der Meere werden von Klimaforschern immer wieder mit extremen Wetterereignissen in Verbindung gebracht. Hierzu sind allerdings noch weitere Untersuchungen mit hochauflösenden Klimamodellen notwendig. 

Ein Einfluss auf das Wettergeschehen ist aber weitgehend unbestritten: „Der Klimawandel verändert auch die Menge an Wasserdampf in der Atmosphäre, die Stärke und Häufigkeit von Stürmen und die möglichen Überschwemmungen, die dadurch verursacht werden können“, sagte die Geowissenschaftlerin Daniela Schmidt von der Universität Bristol kürzlich angesichts des außergewöhnlichen Orkans Éowyn

„Der Sturm Éowyn ist ein weiterer sichtbarer Beweis dafür, dass das sich verändernde Meeresklima im Atlantik das Potenzial hat, extreme Stürme und Hurrikane hervorzubringen“, sagt auch der Klimaforscher Eugene Farrell von der Universität Galway.

Dass höhere Meerestemperaturen potenziell zu geringeren Kerndrücken von Stürmen und damit zu höheren Windgeschwindigkeiten führen, ist zu vermuten, wie Andreas Fink (KIT) angesichts der Rekordwerte des Ozeanwassers im vergangenen Jahr erklärte.

In Mitteleuropa liegt der Kerndruck von Tiefdruckgebieten normalerweise zwischen 990 und 1000 Hektopascal (hPa), bei Orkantiefs kann der Kerndruck auf 950 bis 970 hPa sinken. Orkan Éowyn hatte vor der schottischen Küste nun einen Kerndruck von knapp unter 940 Hektopascal erreicht.

Der Luftdruckabfall bei Éowyn war enorm und verlief mehr als doppelt so schnell wie bei vergleichbaren Stürmen. Es handelte sich somit auch um eine sogenannte Bombogenese, bei der der Luftdruck innerhalb von 24 Stunden um mindestens 24 Hektopascal fällt. Im irischen Galway wurden daraufhin Windgeschwindigkeiten von 183 Kilometern pro Stunde gemessen – ein Rekordwert.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })