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Offenes Einfallstor. Sars-CoV-2 befällt die Nasenschleimhaut zuerst. Erst danach nistet sich das Virus tiefer in der Lunge ein. Das haben Tests mit künstlich veränderten Viren ergeben.

© Henning Kaiser/dpa/picture alliance

Packt die Rüssel ein!: Das Coronavirus befällt zuerst die Nasenschleimhaut

Forscher haben das neue Coronavirus Sars-CoV-2 zum Leuchten gebracht. So konnten sie nachvollziehen, welchen Weg es in den Körper nimmt.

Wie bekommt man heraus, wie ein mit bloßem Auge nicht sichtbares Virus in den Körper gelangt, welche Zellen es zuerst befällt und warum? Und das in möglichst kurzer Zeit, denn davon könnte das Leben von sehr vielen Menschen abhängen.

Ein Team aus einem guten Dutzend Forscher hat sich für eine elegante gentechnische Methode entschieden. Es hat eine grün fluoreszierende Variante des neuen Coronavirus konstruiert und damit in Experimenten beobachten können, dass Sars-CoV-2 zunächst vor allem die Nasenschleimhaut infiziert, bevor es den Rachen und schließlich die Lungen befällt.

Viel mehr Türen zu den Zellen in der Nasenschleimhaut

Und die Forschenden haben auch gleich noch herausgefunden, woran das wohl liegt: Offenbar bevorzugen die Viren bestimmte “cilientragende” Zellen in der Nasenschleimhaut, denn sie haben eine besonders hohe Konzentration des ACE2-Rezeptors in der Zellmembran, den die Viren als Einfallstor in die Zellen nutzen. Das berichtet das Forschungsteam um Yixuan Hou, Richard Boucher und Ralph Baric von der Universität North Carolina in Chapel Hill jetzt im Fachblatt „Cell“.

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Offenbar gelangen die Viren nach der Vermehrung in den Cilienzellen in kleine Schleimtröpfchen, die beim Einatmen in den Rachen und tiefere Lungenregionen transportiert werden. Dort infizieren sie dann auch die dort vorhandenen Zellen, obwohl diese weniger ACE2 in der Zellmembran haben, so die Forscher. Das stimmt mit dem bislang beobachteten Krankheitsverlauf überein, nach dem zunächst die oberen und erst später tiefergelegene Organe der Atmung infiziert sind und hohe Viruslasten produzieren.

Um zu den Ergebnissen zu kommen, verwendete Hous Team unterschiedliche, dem Direktor der Infektiologie der Uniklinik Regensburg, Bernd Salzberger, zufolge „elegante“ Methoden, um zu den Ergebnissen zu kommen. Zum einen fügte es den Bauplan für das Grün Fluoreszierende Protein (GFP) ins Viruserbgut ein.

Dieses Protein wird dann gemeinsam mit den anderen Virusbestandteilen in der infizierten Zelle produziert. Bestrahlt man diese Zellen mit Licht einer bestimmten Wellenlänge, leuchtet GFP grünlich – und macht so das Virus indirekt sichtbar. Die Forscher konnten beobachten, in welchem der vielen verschiedenen Atemwegsgewebe – von der Nase über den Rachen und die Bronchien bis hinab zu den Lungenbläschen – die Viren bevorzugt andocken: der Nasenschleimhaut.

Das passt zu der Entdeckung, dass bestimmte Zellen in dieser Schleimhaut, die mit Flimmerhärchen ausgestatteten Cilienzellen, dem Virus besonders viele Einfallstore bieten: eine hohe Konzentration von ACE2-Rezeptoren. Das beobachtete das Team mit einer zweiten, sehr präzisen Nachweismethode für die ACE2-Produktion.

[Mehr zum Thema: Was man zur Debatte um die Drosten-Studie wissen sollte – die wichtigsten Fragen und Antworten]

Das legt nahe, dass die Nasenschleimhaut von Sars-CoV-2 leichter infiziert werden kann als andere Atemwegsgewebe. Zumindest sei das „plausibler als eine direkte Infektion der Bronchialschleimhaut“, sagt Salzberger. „Daraus wird und kann aber nicht geschlossen werden, dass eine direkte Infektion der Lunge nicht auch vorkommt.“

"Der Weg des Virus geht auf jeden Fall über die Atemwege"

Etwas vorsichtiger beurteilt Wolfgang Kummer vom Institut für Anatomie und Zellbiologie der Universität Gießen die Arbeit. Sie sei zwar „wichtig für die spezialisierte Fachwelt“, ein Beweis für eine in der Nase beginnende und sich langsam mit der Einatmungsluft bis in die Lungenbläschen ausbreitenden Infektion sei sie aber nicht.

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Es gebe noch – wie bei einer derart raschen Erforschung des neuartigen Virus nicht anders zu erwarten – einige Ungereimtheiten, sagt Kummer. So stimmen nicht alle Messergebnisse der Forschergruppe mit der These überein, dass die Menge der ACE2-Rezeptoren von der Nasenschleimhaut bis hinab in die Lungenbläschen kontinuierlich abnimmt.

[Alle aktuellen Entwicklungen in Folge der Coronavirus-Pandemie finden Sie hier in unserem Newsblog. Über die Entwicklungen speziell in Berlin halten wir Sie an dieser Stelle auf dem Laufenden.]

Und einer anderen Studie zufolge, veröffentlicht im gleichen Fachblatt „Cell“, sind es nicht die zilientragende Zellen in der Nasenschleimhaut sondern die schleimproduzierenden, die höchste ACE2-Menge in der Zellmembran haben. Da müsse nachgearbeitet werden.

Im übrigen ändere das Ergebnis der Studie nichts an den bisherigen Empfehlungen, wie einer Sars-CoV-2-Infektion vorgebeugt werden kann, sagt Salzberger, also über Distanzierung und das Tragen von Schutzmasken. „Der Weg des Virus geht in jedem Fall über die Atemwege.“ Aber vielleicht lässt das neue Wissen, dass die Nasenschleimhaut das bevorzugte Angriffsziel der Viren ist, all jene Menschen umdenken, die ihre Schutzmaske in U-Bahn oder Bus bevorzugt unterhalb der Nase tragen. (mit smc)

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