
© Roland Schulz
Raus aus der Waldkrise: Kühle grüne Inseln in einer zu warmen Landschaft
Wälder können sich und umliegende Gebiete kühlen. Damit sie das auch im fortschreitenden Klimawandel noch schaffen, empfehlen Forschende sie in geringerem Maß zu nutzen und neue zu pflanzen.
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Zuletzt herrschten harte Zeiten für den deutschen Wald. Die Dürrejahre 2003, 2015 und 2018 bis 2021 haben Spuren hinterlassen. Ausbleibende Niederschläge und häufigere, längere und auch stärkere Hitzewellen gefährden auch die Zukunft der wenigen verbliebenen alten Buchenwälder.
„Innerhalb weniger Jahre geriet Deutschland in eine Waldkrise, die nicht nur eine ökologische Dimension hatte, sondern auch die traditionellen Praktiken und Reaktionen der Forstwirtschaft betraf“, resümieren Forschende um Piere Ibisch von der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde. Sie empfehlen, ganze Landschaften zukunftsfähig zu gestalten.
„Wenn wir unsere Wälder erhalten wollen, geht das nicht ohne die umliegenden Flächen, den landschaftlichen Kontext“, sagte Ibisch dem Tagesspiegel. Größere und geschlossene Wälder hätten bessere Überlebenschancen als kleine Waldinseln zwischen Ackerflächen.
Fernerkundung und Mikroklima
An heißen Tagen liegen die Temperaturen in Wäldern um zehn Grad und mehr unter denen benachbarter Freiflächen. Die Wälder tragen damit zur Kühlung der Landschaft bei. Vom Kühleffekt profitiert etwa die Landwirtschaft, insbesondere in Hitzephasen. Doch bei weiterer Erwärmung könnte dieser Schutzmechanismus wegfallen.
Das Team um den Waldökologen hat mit Satelliten gesammelte Daten von fünf alten Waldbeständen aus den Jahren 2017 bis 2023 ausgewertet. Die Satelliten erfassten die Oberflächentemperaturen über dem Kronendach und die Laubfarben. Damit konnten die Forschenden den Gesundheitszustand der Bestände bewerten: Je mehr grünes Chlorophyll die Blätter enthalten, umso höher wurde die Vitalität der Bäume eingeschätzt.

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Vor Ort wurden mithilfe automatischer Messstationen alle zehn Minuten Luftfeuchte und Temperatur in Bodennähe aufgezeichnet. Anhand dieser Daten konnte das Team das Mikroklima in Randzonen, Pufferzonen und Kerngebieten der Buchenwälder untersuchen. „Uns interessierte besonders, wie die Wälder an Hitzetagen reagieren“, sagt Ibisch. Diese Hitzetage sind mit Temperaturen über 30 Grad die für Bäume gefährlichen oder sogar tödlichen Tage.
Agrarwüste und Meeresbrise
Wie die Forschenden kürzlich in der Fachzeitschrift „Nature Scientific Reports“ berichteten, erging es den fünf Waldgebieten durchaus unterschiedlich. An der Kronenoberfläche des Grumsin in Brandenburg herrschte an den 237 Hitzetagen eine Durchschnittstemperatur von 43,2 Grad. Das ist der höchste gemessene Wert. Es folgten der hessische Kellerwald mit 40,3 Grad, der Hainich in Thüringen mit 40,1 und der Serrahn in Mecklenburg-Vorpommern mit 39,2 Grad. Über dem Jasmund auf Rügen war es mit 36,1 Grad vergleichsweise kühl.
Der Grumsin ist wie eine Halbinsel in eine wenig strukturierte Agrarlandschaft eingebettet. Deren große Agrarflächen heizen sich besonders an Hitzetagen stark auf. Das führt zu erheblichem Hitzestress und extrem trockener Luft über den Äckern, die auch den benachbarten Wald beeinträchtigen. „Im Jasmund-Nationalpark auf Rügen sind die Wälder dagegen am kühlsten und vitalsten, hier haben wir den Ostseepuffer, der die Waldtemperaturen senkt“, sagt der Waldökologe.
Die Forscher belegen, dass dichte und alte Wälder mit geschlossenen Waldrändern in der Regel kühler und vitaler sind. Das gilt auch für die Kernzonen der untersuchten Wälder. Bäume erweisen sich dort als vergleichsweise widerstandsfähig gegenüber Hitzestress. Sie waren vitaler als die in Randgebieten und erholten sich rascher.
Die Wälder schaffen sich ihr eigenes Innenklima, um zu überleben. Neben der Größe sind dafür möglichst kurze Randlinien entscheidend. „Der hessische Kellerwald etwa ist ausgefranst und er hat keine große, geschlossene Kernzone“, sagt Ibisch. Kleinere Wälder wie der Grumsin, die von Agrarflächen umgeben sind, oder Wälder mit langen Randlinien sind vom Klimawandel besonders bedroht.
Um sowohl Wälder als auch Agrarlandschaften zu kühlen, empfehlen die Forschenden, Teile der Äcker in Grünland umzuwandeln und Gehölze zu pflanzen. „Jeder Strauch, jedes Gebüsch, jede Hecke, jede Allee bedeutet etwas Kühlung“, sagt Ibisch. Für den Erhalt alter Wälder empfehlen der Waldökologe und sein Team, dort auf jegliche Nutzung zu verzichten.
Zudem empfiehlt das Forscherteam, neue Wälder anzulegen. Konkret wird Ibisch etwa beim Grumsin: „Man müsste ihn nach Norden wieder mit dem Angermünder Stadtwald verbinden.“ Das würde die Überlebenschancen beider heute getrennten Wälder erhöhen. „Das wäre wie eine kleine Lebensversicherung.“
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