zum Hauptinhalt
Je mehr Menschen sich freiwillig die FFP2 aufsetzen, desto besser kommen alle durchs Jahr – und schützen so auch die mit, die maskenlos aufs Oktoberfest ziehen.

© Angelika Warmuth/dpa

Ist Corona kein Thema mehr?: Die Ruhe der pandemischen Stagnation trügt

„Ozapft“ wird zu „Ogsteckt“? Markus Söder kündigt demonstrativ an, ohne Maske auf die Wiesn zu ziehen. Die Annahme dahinter ist ein Irrtum. Ein gefährlicher.

Ein Kommentar von Miray Caliskan

Statt „Ozapft“ könne es beim Münchner Oktoberfest diesmal „Ogsteckt“ heißen, scherzte die „Süddeutsche Zeitung“ – und dann könnte es auch den bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder erwischen. Denn der hat verkündet, er werde zur traditionellen Festeröffnung kommenden Samstag ohne Maske gehen.

Manche Menschen glauben, Corona sei kein Thema mehr und es brauche keinen Schutz und schon gar nicht das neu beschlossene Infektionsschutzgesetz. Das macht Maskenpflicht in Innenräumen auf Länderebene möglich und schreibt FFP2-Masken in Kliniken, Pflegeheimen, Arztpraxen und Fernzügen vor.

Wenn nun ein wichtiger Länderchef demonstrativ maskenlos auf eine Massenveranstaltung – und sei sie auch Outdoor – marschiert, bedient das diese Skeptiker. Aber die Annahme, Corona sei vorbei, ist ein Irrtum. Ein gefährlicher. 

„Am Ende kriegen wir’s eh alle?“

BA.5, die aktuell in Deutschland vorherrschende Omikron-Untervariante, mag zwar weniger aggressiv sein als vor ihr Alpha oder Delta, aber sie ist durch die Mutationen ansteckender. Dieser Subtyp hat eine unerwartete Sommerwelle in Deutschland verursacht, allerdings völlig unkontrolliert, weil es kaum verpflichtenden Maßnahmen gab.

Die Sommerwelle ebbt inzwischen ab, das ist erfreulich, aber es wird sich erst noch zeigen, zu wie vielen Post-Covid-Fällen die Infektionen mit BA.5 geführt haben – und weiterhin führen werden.

Denn durchgemachte Infektionen schützen nicht vor Reinfektion. Und Impfungen schützen zwar recht sicher vor schweren Verläufen, doch auch ein milder kann Langzeitschäden nach sich ziehen. Die Devise lautet also weiterhin nicht „Am Ende kriegen wir’s eh alle“, sondern es gilt sich zu schützen, solange es geht, und soweit es möglich ist.

Die Ruhe der pandemischen Stagnation trügt. Wie wird sich das Virus weiterentwickeln? Werden womöglich andere Varianten aus anderen Ländern eingeschleppt? All das ist nicht bekannt. Klar wurde aber, dass das Virus unberechenbar ist, sich dramatisch verändern, krankmachender werden kann, tödlicher. Es gilt: Je mehr Infektionen es gibt, desto wahrscheinlicher sind Mutationen.

Was viele vergessen: Durchgemachte Infektionen schützen nicht vor Reinfektion. Ein Mensch kann sich also immer wieder anstecken und Langzeitfolgen riskieren.
Was viele vergessen: Durchgemachte Infektionen schützen nicht vor Reinfektion. Ein Mensch kann sich also immer wieder anstecken und Langzeitfolgen riskieren.

© dpa

Und nach Ansicht von Forschenden wird es auch in diesem Herbst oder Winter zu einer neuen Welle kommen. Wie groß die sein wird, wie stark der Infektionsdruck ausfallen wird, und wie diese Entwicklung sich im Gesundheitssystem bemerkbar machen wird, kann man nicht präzise voraussagen. Dennoch auf das Risiko hinzuweisen, hat nichts mit Angstmacherei zu tun. Es ist unverantwortlich, die Augen vor den Fakten zu verschließen. Gut, dass es ein Infektionsschutzgesetz gibt

Vulnerable wurden wieder vergessen

Es ist also gut, dass es ein Infektionsschutzgesetz gibt, das greift, wenn die Lage in Deutschland sich verschärft. Versprochen sind außerdem bessere Daten, zum Beispiel wieso Patient:innen im Krankenhaus behandelt werden müssen oder aus dem Abwassermonitoring. Und es soll Impfkampagnen auch mit neuen Impfstoffen geben. Booster sollen das Risiko schwerer Verläufe nochmals reduzieren.

Kritik am Gesetz selbst ist trotzdem angebracht: Ab welchen Werten es „gefährlich“ wird und weitere Maßnahmen durch die Länder scharf gestellt werden sollen, wurde nicht festgelegt. Und wer wieder einmal vergessen wurde, sind die Vulnerablen dieser Gesellschaft – Hochbetagte, Transplantierte, viele Menschen mit ganz unterschiedlichen Vorerkrankungen. Sie alle leben nicht unbedingt in Heimen, sondern da, wo alle anderen auch sind. Deshalb wäre eine Maskenpflicht in Innenräumen und dem Nahverkehr auf Bundesebene für die kalten Monate mehr als angebracht.

Eine gutsitzende FFP2-Maske ist so ziemlich die einzige Maßnahme, die einen selbst und andere vor einer Infektion schützt. Dazu kann sich jede:r selbst entscheiden. Je mehr dabei sind, desto besser kommen alle durchs Jahr – und schützen so auch die mit, die maskenlos aufs Oktoberfest ziehen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false