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Bei Hitze stehen nicht allen Menschen Schweißperlen auf der Stirn. Manche können nicht schwitzen.

© Getty Images/iStockphoto

Schweißgebadet?: Der Mann, der nicht schwitzen konnte

Heiße Sommertage sind schweißtreibend. In überfüllten Bussen kann das unangenehm werden. Aber nicht schwitzen zu können, ist auch nicht cool.

Sascha Karberg
Eine Kolumne von Sascha Karberg

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Schweiß hat keinen guten Ruf. Für die einen wegen des Geruchs, für die anderen, weil er die Haut so feucht und klebrig macht. Dabei ist die Fähigkeit zum Transpirieren, zur „Diaphorese“, eine der wenigen Superkräfte des Menschen, die ihm einst das Überleben sicherte. Das Sekret kühlte Homo sapiens so zuverlässig ab, dass die Jäger ihre Beute so lange hetzen konnten, bis sie mit Kreislaufkollaps zusammenbrach.

Für den Wochenendeinkauf sind die bis zu vier Millionen Schweißdrüsen in der Haut nicht mehr unbedingt nötig. Im Gegenteil: Schwitzige Achseln und peinliche Schweißperlen auf der Stirn scheinen nur noch lästige Evolutionslast zu sein. Und Einnahmequelle für die Deo-Industrie.

Aber keine Schweißdrüsen zu haben, ist auch kein Spaß. Menschen, die aufgrund einer genetischen Störung nicht schwitzen können, wissen das. Menschen wie Lee Goggin.

Von Geburt an fehlten Goggin die Schweißdrüsen. Eine seltene Mutation des Gens „Ektodysplasin-1“ verhinderte, dass sie sich entwickelten. Nur eines von 15.000 Kindern wird mit einer solchen „Ektodysplasie“ geboren. Jungs sind häufiger betroffen, da das Gen auf dem X-Chromosom liegt und sie keine ausgleichende, intakte Kopie auf dem Y-Chromosom haben, so wie Mädchen auf ihrem zweiten X-Chromosom.

Obwohl er nicht schwitzen konnte, war Goggin als Kind begeisterter Sportler. Damit er beim „Tee-Ball“ mitmachen konnte, hielt seine Mutter feuchtkalte T-Shirts bereit. Später, als Fitnesstrainer, kühlte sich der großgewachsene, muskulöse Familienvater mit regelmäßigen Duschen ab oder steckte auch mal den Kopf in einen Eimer kaltes Wasser oder einen Kühlschrank.

Außerhalb klimatisierter Gebäude konnte sich Goggin nur kurze Zeit aufhalten, insbesondere im heißen texanischen Sommer seiner Heimatstadt Irving drohte sonst schnell ein Hitzschlag.

Prinz gerät (nicht) ins Schwitzen

Nicht immer sind die Gene die Ursache, wenn ein Mensch nicht (Anhidrose) oder nur wenig (Hypohidrose) schwitzen kann. Selbst wenn die Schweißdrüsen intakt sind, brauchen sie ein Signal, um aktiv zu werden. Bestimmte Medikamente, Erkrankungen wie Parkinson und Diabetes oder Verletzungen des sympathischen Nervensystems können die Informationsübertragung stören.

Auf eine solche nicht-genetische Anhidrose berief sich der britische Prinz Andrew, als ihm die US-Amerikanerin Virginia Giuffre vorwarf, sie missbraucht zu haben und dabei sein starkes Schwitzen erwähnte. Er habe damals gar nicht schwitzen können, aufgrund einer „Überdosis Adrenalin“ infolge des Beschusses während des Falklandkrieges 1982, behauptete der Thronfolger.

Das wäre der erste Fall einer Adrenalin-bedingten Anhidrose. Denn bekanntlich löst das Stresshormon genau das Gegenteil aus: Stress aktiviert die Schweißdrüsen eher, um den Körper auf eine womöglich hitzige Flucht vorzubereiten – vor dem hungrigen Löwen in der Savanne, dem cholerischen Chef im Büro oder anderen Prädatoren.

Der „Erbonkel“ – Geschichten rund um Gene, jedes Wochenende.

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