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Luftaufnahme eines Gymnasiums mit Hörsaal und großem Pool im sizilianischen Agrigent.

© Thomas Lappi, FU Berlin

Wie trainierten die alten Griechen?: Fund auf Sizilien erzählt von ihrer Lern- und Sportkultur

Berliner Archäologen erforschen, wie die Griechen auf Sizilien einst ein Trainingslager mit Hörsaal und Pool nutzten. Der Fund ist beachtlich.

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Der Pool von Agrigent auf Sizilien: Das klingt wie eine Ferienanlage aus heutiger Zeit, ist aber ein historisches Forschungsobjekt. Er gehört zu einem Gymnasium, einer Mischung aus Fitness-Center und Schule für junge Männer. 582 vor Christus hatten die Griechen auf der Insel die Kolonie Agrigent gegründet. In der Anlage trainierten sie Körper und Geist.

Mit der Geschichte des Baus befasst sich die Archäologin Monika Trümper von der Freien Universität Berlin, die zur antiken Badekultur forscht.

Freigelegt wurde der Pool zwar schon bei Ausgrabungen zwischen 1950 und 2005, aber nie untersucht. Erst bei der ersten FU-Grabung 2022 in einem Olivenhain nördlich des Pools stand für Trümper fest, dass es sich bei dem ganzen Komplex um ein Gymnasium handeln müsse. In der griechischen Welt im östlichen Mittelmeerraum war so eine Anlage Standard.

Die Berliner Archäologen legten im sizilianischen Agrigent ein Gymnasium mit Hörsaal und großem Pool frei.

© Monika Trümper, FU Berlin

Im Gymnasium wurden junge Männer körperlich und intellektuell auf ihre künftige Rolle als Bürger vorbereitet. So umfasste es Laufbahnen, Badevorrichtungen und Zimmer für sportliches Training. Aber auch Räume für den Unterricht in der sogenannten Palästra.

Ein Hörsaal der alten Griechen

Bei den Grabungen wurden Teile von ihr auf zwei Terrassen freigelegt, mindestens 62 mal 35 Meter groß. Bei der Suche nach der Verbindung zwischen der oberen und unteren Terrasse machten die Archäologen dann 2025 einen Fund, mit dem niemand gerechnet hatte: Sie legten einen antiken Hörsaal frei, ein Auditorium mit acht ansteigenden, halbrunden Sitzreihen.

Etwa 200 Personen hätten darauf Platz gefunden, erzählt Trümper. „Dieses einst überdachte Auditorium öffnete sich auf einen 23 mal 11 Meter großen Saal mit Bänken an der Wand, in dem es musische Wettbewerbe und Auftritte von Wanderphilosophen gab“. Dabei handelte es sich um eine einzigartige Entdeckung, denn einen Hörsaal hatte man bisher in noch keinem Gymnasium gefunden.

In dem Hörsaal des Gymnasiums von Agrigent fanden etwa 200 Personen Platz.

© Rolf Sporleder, FU Berlin

Was dort nun gelehrt und gehört wurde, lässt sich nicht genau sagen. Aus einem Bibliothekskatalog aus einem Bau in Taormina, etwa vier Tagesreisen entfernt, wisse man aber, dass dort Texte von Historikern und Philosophen wie Anaximander aus Milet, Kallisthenes aus Olynth oder Fabius Pictor aus Rom gelesen wurden. Es sei gut möglich, dass diese Autoren auch in Agrigent rezipiert wurden, vermutet Trümper.

Dem Stifter zur Ehre

Und noch etwas ist bemerkenswert. Agrigent war eine große, bedeutende Stadt, aber wohl chronisch knapp bei Kasse. Das Dach des Umkleideraums des Gymnasiums (in Fachsprache: Apodyterium) war eingestürzt, doch der Magistrat hatte kein Geld für die Reparatur.

Vor den Sitzstufen des Hörsaals fanden die Archäolog:innen dann zwei Kalksteinblöcke mit einer Inschrift. „Sie war eingraviert und mit roter Farbe hervorgehoben“, sagt Thomas Lappi, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut und Ko-Direktor der Grabung: eine Würdigung des Bürgers der Stadt, der das neue Dach des Apodyteriums bezahlt hatte.

Mit der Inschrift auf dem Steinblock wurde ein Bürger der Stadt geehrt.

© Rolf Sporleder, FU Berlin

Laut Lappi ist das bemerkenswert, denn auf Sizilien sind nur wenige Inschriften erhalten geblieben. Auf der Insel wurde entweder Kalkstein verwendet, der aber schnell verwitterte. Metallgegenstände mit Inschriften wiederum seien gern wieder eingeschmolzen worden.

Das internationale Team von Trümper und Lappi fand nun aber Fragmente dünner Marmorplatten mit Inschriften. Wahrscheinlich verkleideten sie einst den Sockel einer Stifterstatue, sagt Trümper.

Das Schwimmbad ist ein seltener Fund

Auch den großen Pool des Gymnasiums untersuchte das Team. Er ist über zwei Meter tief und misst 15 mal sieben Meter. „Das war kein kleines Abkühlbecken, sondern ein richtiges Schwimmbad“, sagt Trümper. Hier konnten die Athleten ihre Bahnen ziehen. „So etwas ist im Mittelmeerraum sehr selten.“

Die komplexe Anlage aus dem zweiten Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung wurde durch ausgeklügelte unterirdische Leitungen mit Wasser versorgt. Selbst entlang der 200-Meter-Laufbahnen habe es Wasserkanäle gegeben. Die Griechen hatten damit Erfahrung: Ihre Siedlung hatte so ein System schon dreihundert Jahre vor dem Bau des Gymnasiums.

Laut der FU-Archäologin hat es ein Gymnasium in dieser Größe, in dem auch intellektuelle Bildung geboten wurde, vorher auf Sizilien nicht gegeben. Ein ähnlich gut ausgestattetes Gymnasium mit Hörsaal findet sich erst 300 Jahre später in Pergamon.

Das Gymnasium wurde errichtet, nachdem die Römer auf Sizilien endgültig die Herrschaft übernommen hatten. Die Römer nutzten die griechische Anlage später gerne und haben sie gut 100 Jahre nach der Erbauung sogar saniert und ausgebaut.

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