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Geprüft. Das Verfahren der Universität Düsseldorf ist umstritten.

© dpa

Fall Schavan: Streit um das Plagiatsgutachten

Wer hat das Gutachten über die Doktorarbeit von Bundesbildungsministerin Schavan Medien zugespielt - und was ist es jetzt noch wert? Diskutiert wird, ob ein fachfremder Gutachter Schavans Arbeit beurteilen kann. Experten sind sich uneins.

Die Uni Düsseldorf hat Strafanzeige wegen des Verdachts auf Weitergabe von vertraulichen Informationen gestellt. Das teilte die Uni am Dienstag mit. Am Sonntag hatten Medien aus dem Gutachten über die unter Plagiatsverdacht stehende Dissertation von Bundesbildungsministerin Annette Schavan zitiert. Die vertrauliche Expertise wurde von Stefan Rohrbacher, Professor für jüdische Studien und Vorsitzender der zuständigen Promotionskommission, verfasst. „Die Hochschulleitung arbeitet bereits seit dem Wochenende an der Aufklärung dieses im Raume stehenden Vorwurfs der Indiskretion“, heißt es in der Mitteilung.

Der CDU-Politiker Volker Kauder sagte am Dienstag laut dpa, er sei entsetzt über das Vorgehen der Universität: „Ich glaube, dass dieses Verfahren nicht in dieser Form zu Ende gebracht werden kann.“ Die Universität solle mit neuen Gutachtern ihr Prüfungsverfahren noch einmal neu aufnehmen. Nachdem vertrauliche Informationen öffentlich geworden seien, müsse man von der Befangenheit der Gutachter ausgehen.

Schon am Montag war wie berichtet heftige Kritik am Vorgehen der Uni laut geworden. So hatten der Charité-Chef Karl Max Einhäupl und Jürgen Mlynek, der Präsident der Helmholtz-Gemeinschaft, kritisiert, dass die Kommission nur ein einziges Gutachten einhole und dieses dann auch noch von einem fachfremden Gutachter stamme, nämlich dem Judaisten Rohrbacher. Schavan wurde aber 1980 in der Erziehungswissenschaft promoviert.

Schavan selbst hatte der Kommission vorgeworfen, das Gutachten habe der Presse vorgelegen, bevor die Betroffene überhaupt von seiner Existenz gewusst habe. Die Uni erklärte nun, sie habe Schavan das Gutachten am Freitag zugesandt. Aus Schavans Umfeld ist jedoch zu hören, die Ministerin habe das Gutachten erst bekommen, nachdem sie von „Spiegel“-Journalisten darauf angesprochen worden sei und die Uni daraufhin um Übermittlung gebeten habe.

Die Universität, die bislang keine Angaben zu ihrem Verfahren machen wollte, änderte am Dienstag ihre Strategie und beschrieb mögliche Schritte: Nachdem die Kommission sich mit Rohrbachers Gutachten befasst habe – geplant war dies für den heutigen Mittwoch –, „kann Frau Prof. Dr. Schavan vom Dekan gebeten werden, Stellung zu nehmen“. Die Kommission könne nach dem Eingang ihrer Stellungnahme „entscheiden, ob weitere Expertise einzuholen ist“. Schließlich komme die Kommission zu einem Votum für den Fakultätsrat, der die Entscheidung abschließend zu treffen hat. Das Gremium sei frei, vorher weitere Informationen einzuholen.

Das Verfahren der Uni dürfte aber umstritten bleiben. Selbst wenn die Kommission noch entscheidet, ein oder gar mehrere weitere Gutachten einzuholen, hat sie nicht von vornherein darauf geachtet, Fachleute aus der Erziehungswissenschaft mit einzubinden. „Ich würde mir niemals anmaßen, eine religionswissenschaftliche Arbeit zu begutachten“, sagt etwa der Erziehungswissenschaftler Jörg Ramseger, der an der FU Professor für Grundschulpädagogik ist und zugleich stellvertretender Vorsitzender der Promotionskommission seines Fachbereichs. An der FU sei es grundsätzlich so, dass unter Plagiatsverdacht stehende Arbeiten von Vertretern desjenigen Faches begutachtet werden, aus dem die Arbeit stammt. „Es gibt unterschiedliche Fachtraditionen beim Zitieren, manche sind strenger, manche pragmatischer“, sagt Ramseger. Weil für Schavan so viel auf dem Spiel stehe, hätte man sogar zwingend Gutachter von anderen Unis heranziehen müssen. Der Dortmunder Erziehungswissenschaftler Wilfried Bos sieht das ähnlich: „Ich kann nicht sagen, wie genau die Gepflogenheiten beim Zitieren in anderen Disziplinen sind. Eben deshalb müssen die Gutachter die Fachkultur kennen.“

Elitenforscher Hartmann: "Eindeutig wissenschaftliches Fehlverhalten"

Als die Uni Potsdam 2011 die Dissertation des niedersächsischen Kultusminister Bernd Althusmann untersuchte, war das Verfahren mehrstufig. Zunächst prüfte der Dekan der zuständigen Fakultät die Arbeit vor. Weil er den Verdacht nicht ausräumen konnte, übernahm eine Kommission die Untersuchung, der fünf Professoren aller Fachbereiche angehörten. Zudem wurden zwei auswärtige Gutachter herangezogen, die sich mit dem Thema der Arbeit auskannten. Nach vier Monaten entschied die Kommission, dass die Arbeit Mängel hat, aber Althusmann den Doktortitel behalten darf.

Schavans Arbeit mit dem Titel „Person und Gewissen“ ist interdisziplinär angelegt, sie rekurriert auch auf philosophische, soziologische, theologische oder psychologische Literatur. Doch in der Kommission sitzen neben dem Judaisten Rohrbacher zwei Historiker, ein Anglist und zwei Germanisten.

Der Elitenforscher Michael Hartmann von der TU Darmstadt sagt jedoch, „es spielt keine Rolle“, ob ein fachfremder Professor gutachtet: „Zu beurteilen, ob richtig zitiert wird, ist eine Frage der Technik. Das ist grundsätzliches Handwerk, das können Judaisten genauso wie Germanisten oder Erziehungswissenschaftler, das können alle.“ Die Vorwürfe gegen Schavan seien „keine Kleinigkeiten“. Nach allem, was bisher bekannt sei, habe Schavan so getan, als ob sie selbst Primärquellen analysiere. Tatsächlich referiere sie fremde Erkenntnisse über diese Quellen, ohne das richtig kenntlich zu machen. Das sei „eindeutig wissenschaftliches Fehlverhalten“. Waren die Maßstäbe vor dreißig Jahren vielleicht weniger streng? Das hält Hartmann für ein „idiotisches Argument“: „Wenn ich nicht Freud lese, sondern die Sekundärliteratur über Freud, musste ich das schon immer entsprechend kennzeichnen.“ Hartmann findet: „Wenn Schavan die Maßstäbe, die sie an Guttenberg angelegt hat, an sich selbst anlegt, müsste sie zurücktreten.“

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