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Die Bildtelegrafie (hier circa 1938) gilt als Vorläufer der Faxmaschine.

© Hulton Archive/Getty Images

Tagesrückspiegel – Heute vor 115 Jahren: Ein Fahndungsfoto verändert die Welt

Die britische Zeitung „Daily Mirror“ druckt am 17. März 1908 ein Foto eines Juwelierdiebs auf ihrer Titelseite ab. Damit startet eine Entwicklung, die die Welt verändern wird.

Eine Kolumne von Miray Caliskan

Ein Dieb wird am 17. März 1908 zu etwas Besonderem. Nicht sein Diebesgut, eine Perlenkette im Wert von umgerechnet 20.000 Euro, machen ihn zum Teil einer Entwicklung, die die Welt verändern wird. Es ist sein Fahndungsfoto.

Ahnen konnte er das nicht, als er tags zuvor, am 16. März, einen Pariser Juwelierladen ausraubte und über den Kanal nach London flüchtete.

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Minuten war das Fahndungsfoto des Diebs von Frankreich nach England unterwegs

Die französischen Ermittler machen sich auf die Suche, schicken sein Fahndungsfoto nicht wie sonst üblich postalisch an die Behörden nach England, sondern übermitteln es per Bildtelegrafie.

Foto statt Steckbrief

Das Foto landet in der Redaktion des „Daily Mirror“. Die Zeitung druckt das Foto, heute vor 115 Jahren, am nächsten Tag auf ihrer Titelseite ab – in überraschend guter Qualität. Die Leser:innen erhalten gestochen scharfe Hinweise zur Verbrecherjagd, nicht die bis dahin üblichen vagen Steckbriefe.

Die Redaktion bittet die Bevölkerung um Mithilfe und tatsächlich erkennt ein Mann den Juwelendieb auf den Straßen Londons. Er verständigt die Polizei und der Dieb wird verhaftet.

ullstein
Telegrafie hatte die Welt zu dieser Zeit schon längst zum globalen Dorf werden lassen. Hatte sich etwa in den USA ein Unglück ereignet, konnte die Nachricht mithilfe des Transatlantikkabels nach Europa telegrafiert werden.

© Ullstein

Telegrafie und Telefon in Verbindung mit Langstreckenkabeln hatten die Welt zu dieser Zeit schon längst zum globalen Dorf werden lassen, heißt es in einer Ausgabe der Zeitschrift der Deutschen Gesellschaft für Post- und Telekommunikationsgeschichte.

Hatte sich etwa in den USA ein Unglück ereignet, konnte die Nachricht mithilfe des Transatlantikkabels nach Europa telegrafiert werden. Hatte aber ein Fotograf eine Aufnahme gemacht, musste das Bild per Post geschickt werden und traf, wenn alles glattlief, erst Wochen nach dem Ereignis ein.

Zwölf Minuten war das Fahndungsfoto der Pariser Polizei unterwegs. Der Daily Mirror, aber auch L’Illustration in Paris und der Berliner Lokalanzeiger, nutzten damals eine Technik, die den Austausch von Fotos zwischen den drei Ländern Frankreich, Deutschland und England ermöglichte: ein Fototelegraf, der zwischen 1901 und 1907 vom Physiker Arthur Korn entwickelt wurde.

Foto wird zerlegt und zusammengesetzt

Vereinfacht beschrieben funktioniert die Bildtelegrafie nach dem Prinzip, dass ein Foto in Bildpunkte zerlegt und über eine Leitung (später auch über einen Funkweg) an einen Empfänger gesendet wird, der das Bild wieder zusammensetzt.

Korn nutzte die Eigenschaft des chemischen Elements Selen, das je nach Lichteinfall seinen elektrischen Widerstand ändert. Zur Übertragung durchleuchtete er ein Foto. Mit einer Fotozelle wurde die Helligkeit eines jeden Bildpunkts erfasst und in ein elektrisches Signal umgewandelt. Der Apparat sendete es dann an die Empfängermaschine, wo das Fotopapier entsprechend belichtet wurde.

In kleinen Schritten wurde die Technik weiterentwickelt, die Qualität der Bilder verbessert. In den 1930er Jahren erhielt die Bildtelegrafie durch bessere und vor allem kompaktere Geräte einen richtigen Schub.

Die weltweit bekannte Fotoagentur Associated Press machte sich das zunutze und ließ Leitungen errichten, die ausschließlich der Übertragung von Bildern dienten. Ab 1935 sendete die Agentur so Fotos in die ganze Welt. Noch später ist aus Bildtelegrafie das Faxgerät entstanden.

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