
© REUTERS/Lukas Barth
Tier als Organspender: Mensch atmete neun Tage mit Schweinelunge
Tierische Organe erweisen sich bei Transplantationen als mögliche Alternative zu weltweit knappen Organspenden von Menschen. Allerdings braucht es dafür einige gentechnische Kniffe.
Stand:
In China haben Mediziner einem hirntoten Patienten einen Lungenflügel von einem gentechnisch veränderten Schwein eingepflanzt. Das Organ gilt wegen seines direkten Luftkontakts als besondere Herausforderung für die Transplantationsmedizin. Die Operation war der erste Versuch, dafür ein tierisches Organ zu nutzen.
Das Team meldet nun, dass das eingepflanzte Organ nicht unmittelbar abgestoßen wurde und im Empfängerkörper über neun Tage lebensfähig und funktional blieb. Das bringt den Ansatz „Xenotransplantation“, also die Verwendung tierischer Spenderorgane, näher an die – bislang notorisch knappe – Versorgung von Patientinnen und Patienten mit geeigneten Organen.
Abstoßung und Infektionen
„Diese Studie ist ein Meilenstein für die Medizin“, sagte Beatriz Domínguez-Gil, Direktorin der spanischen Organisation für Transplantationsmedizin, dem Science Media Center (SMC). Ihre Bedeutung liege im operierten Organ: der Lunge. Bislang wurden menschlichen Empfängern nur tierische Nieren, Herzen und Lebern eingepflanzt.
Das Ergebnis zeigt, dass eine xenogene Lungentransplantation technisch möglich ist und dass wesentliche immunologische Barrieren überwunden werden können.
Konrad Fischer, Leiter der Sektion Xenotransplantation der TU München
„Obwohl diese Studie belegt, dass Menschen Schweinelungen transplantiert werden können, bestehen weiterhin erhebliche Herausforderungen in Bezug auf Organabstoßung und Infektionen“, schreibt das Autorenteam im Fachjournal „Nature Medicine“. Bevor mehr Menschen so behandelt werden könnten, wären weitere vorklinische Studien notwendig.
Das Team um Jianxing He von der Guangzhou Medical University hatte bereits im Mai 2024 einem 39-jährigen hirntoten Patienten den linken Lungenflügel eines Schweins eingesetzt und beobachtet, wie das Organ funktionierte und wie das Immunsystem des Patienten reagierte.
Das Schwein, von dem die Lunge stammt, war an sechs Stellen in seinem Erbgut gentechnisch verändert. Auf den Zellen des Lungengewebes fehlen Antigene, die vom menschlichen Immunsystem als „fremd“ erkannt werden und die eine Immunreaktion hervorrufen. Außerdem stellen die tierischen Zellen menschliche Proteine her, die die Immunantwort unterdrücken.
24 Stunden nach der Transplantation zeigten sich jedoch Anzeichen einer Lungenschädigung sowie drei und sechs Tage nach der Transplantation Anzeichen von Antikörper-Angriffen des Immunsystems auf das tierische Gewebe. Am neunten Tag wurde das Experiment abgebrochen.
„Nicht immer logisch“
Lungentransplantationen seien besondere Herausforderungen, sagt Konrad Fischer, Leiter der Sektion Xenotransplantation der TU München. „Sie ergeben sich aus dem permanenten Kontakt des Organs zur Außenwelt, der ein außergewöhnlich hohes Infektionsrisiko mit sich bringt“. Lungentransplantationen seien daher bislang wenig erforscht, sagte Fischer dem SMC.
„Trotz dieser Limitationen zeigt das Ergebnis, dass eine xenogene Lungentransplantation technisch möglich ist und dass wesentliche immunologische Barrieren überwunden werden können“, so Fischer weiter. Langfristig würden für Organtransplantationen jedoch zusätzliche genetische Modifikationen am Erbgut der Spendertiere notwendig sein, um es noch besser kompatibel zu machen.
Die Verwendung von Hirntoten in Studien zur Xenotransplantation werde „von vielen Forschenden sehr kritisch gesehen“, merkt Joachim Denner, Leiter der Arbeitsgruppe Virussicherheit der Xenotransplantation an der Freien Universität Berlin, an. Der Hirntod gehe mit erheblichen Veränderungen einher, wie Schäden in lebenswichtigen Organen sowie Umstellungen des Hormonhaushalts und des Stoffwechsels.
„Es ist deshalb schwierig festzustellen, ob das Versagen oder die Funktionsstörung des Transplantats auf die Auswirkungen des Hirntods oder auf eine Immun- oder Entzündungsreaktion auf das Xenotransplantat zurückzuführen ist“, so Denner.

© He et al., Nature Medicine
Der Experte für Virussicherheit kritisiert auch die Ergebnisse der mikrobiologischen Untersuchungen in der Studie als „nicht immer logisch“. So wurde ein tierisches Virus beim Empfänger, aber nicht beim Spendertier gefunden. „Spezifische und sensitive Polymerase-Kettenreaktion-Methoden (PCR) zum Nachweis der Viren wären angebracht gewesen“, bemängelt Denner.
Um die Xenotransplantation von Lungen aus dem Forschungsstadium in die klinische Praxis zu bringen, müssten die genetischen Modifikationen am Spendertier, Konservierungstechniken und die Unterdrückung des Immunsystems beim Empfänger weiterentwickelt werden, sagt Beatriz Domínguez-Gil. Die Herausforderung sei enorm, aber die Studie eröffne nun „einen völlig neuen Weg“ dem kritischen Mangel an Lungen von menschlichen Spendern zu begegnen.
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