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Labormitarbeiter des US-Pharmakonzerns Gilead, Hersteller von Remdesivir.

© Reuters

Update

Hoffnungsträger gegen Covid-19: Trump drängt auf schnelle Zulassung von Remdesivir

Das Medikament soll den Zustand von Covid-19-Patienten laut US-Studien verbessert haben. Eine Studie aus China zeigt weniger positive Ergebnisse.

Der Wirkstoff Remdesivir kann die Behandlungsdauer von Covid-19-Patienten wohl verkürzen. Das legt eine Studie des Nationalen Instituts für Allergien und Infektionskrankheiten (NIAID) der USA nahe. Anthony Fauci, Leiter des Instituts und Berater Donald Trumps in der Coronakrise, bewertete die ersten Ergebnisse positiv.

Eine im Fachmagazin "The Lancet" vorgestellte chinesische Studie kommt hingegen zu dem Schluss, dass sich der Zustand der Patienten mit Remdesivir nicht wesentlich verbessert. Aus Patientenmangel wurde diese Studie allerdings frühzeitig abgebrochen

Fauci sagte am Mittwoch, Remdesivir habe eine „signifikante positive Wirkung bei der Verringerung der Zeit bis zur Genesung“ gezeigt, sagte Fauci am Mittwoch. Es könnte die Standardtherapie gegen die von dem Coronavirus ausgelöste Lungenkrankheit Covid-19 werden. Ethische Fragen hätten ihn zu dem ungewöhnlichen Schritt bewogen, erste Studienergebnisse schon vor der Veröffentlichung in wissenschaftlichen Fachzeitschriften in einer Pressekonferenz vorzustellen, sagte Fauci.

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Er wolle sicherstellen, dass mehr Patienten das Mittel bekämen. Trump sagte am Mittwochabend auf die Frage, ob er sich von der Behörde einen beschleunigten Zulassungsprozess für das Mittel wünsche, er wolle, dass man so schnell wie möglich vorangehe. "Wir wünschen uns sehr schnelle Genehmigungen."

Anthony Fauci, Direktor des Nationalen Instituts für Infektionskrankheiten der USA
Anthony Fauci, Direktor des Nationalen Instituts für Infektionskrankheiten der USA

© dpa/AP/Alex Brandon

Die Lebensmittel- und Arzneimittelbehörde (FDA) sei derzeit in Gesprächen mit dem Arzneimittelhersteller Gilead, um Remdesivir rasch für Patienten in Krankenhäusern verfügbar zu machen, sagte Fauci. Laut einem Bericht der „New York Times“ ist eine schnelle Notfallzulassung wahrscheinlich.

Eine formelle Zulassung des Medikaments würde jedoch noch wesentlich länger dauern und weitere Studien erfordern. Das ursprünglich gegen das Ebolavirus entwickelte Medikament ist bislang weltweit noch nirgendwo zugelassen.

Entlassung nach 11 Tagen statt nach 15 Tagen

Das NIAID berichtet in einer Mitteilung von der klinischen Studie, an der etwa 1063 Menschen teilnahmen. Die vorläufigen Ergebnisse deuten darauf hin, dass Patienten mit Covid-19 und Komplikationen an der Lunge in Krankenhäusern bei einer Behandlung mit Remdesivir 31 Prozent schneller entlassen werden konnten als die Studienteilnehmer, die lediglich ein Placebo erhielten.

Patienten, die in Krankenhäusern an der Lungenkrankheit Covid-19 litten und Remdesivir bekamen, waren laut Fauci nach durchschnittlich 11 Tagen wieder genesen, die Patienten der Kontrollgruppe erst nach 15 Tagen. Auch die Sterblichkeitsrate sei etwas geringer gewesen, dieses Ergebnis sei aber bislang nicht statistisch signifikant. Die endgültigen Daten werden allerdings wohl erst im Laufe des kommenden Monats vorgelegt. Die Studie ist noch nicht von unabhängigen Experten begutachtet worden.

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Die Nachrichten beflügelten die US-Börsen

Zuvor hatte schon Gilead mitgeteilt, Remdesivir habe die Symptome von Covid-19-Patienten bei einem frühzeitigen Einsatz verbessert. Gilead ging in einer eigenen Untersuchung der Frage nach, wie lange Patienten mit Remdesivir behandelt werden müssen. Dabei habe sich herausgestellt, dass bei schweren Covid-19-Fällen fünf Tagesdosen Remdesivir genauso gut wirkten wie zehn Tagesdosen.

Nach zwei Wochen hätten mehr als die Hälfte der Patienten das Krankenhaus verlassen. Sollte das Medikament letztlich zugelassen werden, könnte das die Kosten der Behandlung senken und die verfügbare Menge erhöhen.

Zudem deuteten die Ergebnisse der Studie darauf hin, dass ein früher Beginn der Behandlung mit Remdesivir besser ist: Diese Patienten seien eher entlassen worden als diejenigen, die erst zu einem späteren Zeitpunkt behandelt worden seien. Allerdings wurde die Studie ohne Kontrollgruppe durchgeführt. Deswegen ist unklar, ob es den Studienteilnehmern besser ging als Erkrankten, die kein Remdesivir erhielten.

Die Nachrichten über Remdesivir beflügelte die US-Börsen. Aktien des Unternehmens stiegen um sieben Prozent. Dow Jones, Nasdaq und S&P 500 kletterten zur Eröffnung am Mittwoch um jeweils etwa zwei Prozent.

Aus China kommen negative Studienergebnisse

Ernüchternde Ergebnisse kommen dagegen aus China: In Wuhan, wo die Pandemie ihren Ausgangspunkt hat, erholten sich die 158 Patienten, die Remdesivir erhielten, nicht schneller als die 79 Erkrankten in der Kontrollgruppe. Das Medikament reduzierte zudem weder die Virenbelastung im Körper noch die Gefahr, an der Lungenkrankheit zu sterben. Allerdings ist das Coronavirus in Wuhan inzwischen unter Kontrolle, seit Wochen infizieren sich kaum noch Menschen mit dem Virus.

Forscher haben daher Schwierigkeiten, ausreichend Teilnehmer für ihre Studien zu rekrutieren. Die Ergebnisse sind statistisch nicht beweiskräftig. Neben dem vorzeitigen Abbruch der Studie weisen sie allerdings auf eine weitere Schwächen der Studie hin: Die meisten ihrer Patienten waren erst recht spät im Krankheitsverlauf mit Remdesivir behandelt worden. Ein früherer Therapiebeginn verbessere die Behandlungsergebnisse womöglich.

Anders als die beiden anderen Studien wurde die chinesische Untersuchung vor der Veröffentlichung im renommierten Medizinjournal "The Lancet" von anderen Wissenschaftlern geprüft.

Gilead bestritt negative Studienergebnisse

Breits am 24. April waren diese Studienergebnisse der "Financial Times" veröffentlicht worden. Die Zeitung berief sich auf eine Zusammenfassung der Studie, die offenbar aus Versehen kurzzeitig auf der Website der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zu sehen war.

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Gilead wies die Darstellung der Studienergebnisse in den Berichten aber zurück. Der auf der WHO-Website veröffentlichte Beitrag sei eine "unangemessene" Zusammenfassung der Experiments. Die Studie sei wegen geringer Beteiligung vorzeitig beendet worden und daher statistisch nicht signifikant. Zudem sei aus den Daten ein "möglicher Nutzen von Remdesivir" abzuleiten, insbesondere bei Patienten in einem frühen Krankheitsstadium.

Die Suche nach einem Medikament ist nicht beendet

Fachleute mahnen angesichts der neuen US-Studie zur Zurückhaltung. Eric Topol, Direktor und Gründer des Forschungsinstituts Scripps Research Translational Institute, verwies darauf, dass Remdesivir nur bescheidene Ergebnisse gezeigt habe. "Es wurde mit einem überwältigenden Effekt gerechnet. Das hat es eindeutig nicht." Auch Fauci sagte, die Suche nach einem Corona-Mittel sei nicht beendet.

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Er verglich die Studienergebnisse mit den ersten Erfolgen im Kampf gegen HIV: Auch damals sei das Medikament ATZ nicht perfekt gewesen, aber ein erster Schritt. "Ähnlich wie ATZ ist Remdesivir der erste Tippelschritt hin zu einer hoffentlich größeren Zahl besserer Medikamente, die wir zur Behandlung von Covid-19 haben werden."

Deutsche Experten hoffen auf Zulassung

Nach Ansicht einiger deutscher Experten sind die Ergebnisse der US-Studie ausreichend belastbar. Es seien genügend Patienten untersucht worden; unter Therapie mit Remdesivir seien sie früher aus dem Krankenhaus entlassen worden, sagt etwa Clemens Wendtner von der München Klinik Schwabing. "Somit sind wesentliche Endpunkte der Studie erreicht worden, so dass an einer raschen Zulassung der Substanz aus meiner Sicht wenig Zweifel bestehen dürfte."

Auch Gerd Fätkenheuer von der Uniklinik Köln, Leiter einer klinischen Prüfung von Remdesivir (GS-5734) bei Patienten in Deutschland, rechnet aufgrund der positiven Ergebnisse mit einer baldigen Zulassung.

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Mitte April hatte die auf Gesundheitsthemen spezialisierte Website Stat berichtet, dass das Mittel bei Coronavirus-Patienten in einem Krankenhaus in Chicago große Wirkung gezeigt habe. Dem Bericht zufolge könnte es sich bei dem Arzneimittel um das erste schon zugelassene Medikament gegen die Lungenkrankheit handeln.

"Wir haben gesehen, wie Menschen einen Tag nach Beginn der Therapie von den Beatmungsgeräten weg konnten", zitiert das Medizinportal Kathleen Mullane, Spezialistin für Infektionskrankheiten an der Universität von Chicago, die die Remdesivir-Studien für das Universitätsklinikum in Chicago betreut. Die meisten Patienten hätten die Klinik nach sechs Tagen verlassen. Es seien nur "sehr wenige", die bis zu zehn Tage stationär behandelt werden mussten, sagte Mullane.

Hintergründe zum Coronavirus:

Mullane mahnte trotz der erfreulichen Nachrichten zur Vorsicht, weil die Studie keine Placebo-Gruppe zum Vergleich enthalte. Eines sei aber sicher, sagte sie: "Wenn wir beginnen, das Arzneimittel zu verabreichen, sehen wir die Fieberkurve fallen", sagte sie.

Auch in Deutschland gab es schon erste Erfolge mit dem Medikament: Am Universitätsklinikum Eppendorf (UKE) etwa wurden Patienten mit Remdesivir behandelt. Die Infektiologin Marylyn Addo sprach von ermutigenden Ergebnissen. "Was man bisher sagen kann, ist, dass die Medikation sehr gut vertragen wurde, und wir sind sehr zufrieden mit den Behandlungsverläufen", sagte die Oberärztin.

Aber es seien Einzelfallbeobachtungen – wie eben auch die anderen Beispiele, bei denen sehr starke Verbesserungen unter Remdesivir eingetreten seien. Auch die WHO testet in einer groß angelegten Studie namens "Solidarity Trial" Remdesivir und vergleicht es mit Standardbehandlungen und Virenhemmern aus der Aidstherapie. (AFP, Reuters, Tsp, dpa)

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