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Der Große Abendsegler gehört zu den Offenraumjägern, die von Windrädern über Kilometer von ihren Trinkstellen und Jagdgründen vergrämt werden.

© imago/blickwinkel/AGAMI/T. Douma

Ungeahnte Folgen für Fledermäuse: Berliner Forscher fordern klügere Standortwahl für Windräder

Ein Konflikt zwischen Klima- und Naturschutz: Berliner Forscher zeigen, dass Windturbinen über Kilometer Fledermäuse beeinträchtigen – auch in sensiblen Lebensräumen.

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Um der Klimakrise zu begegnen, benötigen wir mehr erneuerbaren Strom wie Solar- und Windenergie – darunter leidet jedoch mitunter die Natur. Dass dieser Zielkonflikt nicht immer einfach aufzulösen ist, zeigt eine Berliner Studie, die Windkraftanlagen und Fledermäuse an ihren Trinkstellen in Brandenburg beobachtet hat.

Manche Tiere meiden demnach attraktive Nahrungsplätze sogar dann, wenn sich diese in einigen Kilometern Entfernung zu Windrädern befinden. An Tümpeln und Teichen, die das ganze Jahr Wasser führen, können sie trinken und es gibt stets Nahrung. Sie gelten den Forschenden als „kritische Habitate“ und deshalb besonders schutzwürdig. Vor allem in heißen und trockenen Sommern, die durch den Klimawandel häufiger auftreten können, sind die Tiere auf sie angewiesen.

Fledermäuse etwa, die auf die Insektenjagd im offenen Luftraum spezialisiert sind, lassen sich durch Windturbinen vertreiben, zitiert eine Mitteilung den Forscher Christian Voigt vom Berliner Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW). Auch Tiere, die in dichter Vegetation unterwegs sind, sind betroffen. „Lediglich Vertreter aus der Gilde der Fledermäuse, die an Vegetationsrändern jagen, werden offenbar nicht durch die Windenergieanlagen von den Trinkstellen vergrämt.“

Mit Mikrofonen an insgesamt 59 Gewässern nördlich der brandenburgischen Stadt Prenzlau zeichneten die Forschenden Fledermausrufe auf. Dabei waren die Kraftwerke zwischen 50 Metern und 5 Kilometern von den Wasserstellen entfernt, erklären sie in der Fachzeitschrift „Biological Conservation“.

Dass Windturbinen abhängig von deren Größe, Funktionsweise und Typ auch über größere Distanzen das Verhalten von Fledermäusen beeinflussen können, war aus zahlreichen Studien bereits bekannt. Als Gründe werden in der Fachcommunity Turbulenzen hinter der Turbine sowie deren Geräusche diskutiert. Dass sogar Besuche bei so anziehenden wie Trinkstellen zurückgehen, ist aber neu.

Grün-grüner Zielkonflikt

Der Umstand, dass nun ausgerechnet Maßnahmen gegen die fortschreitende Erderwärmung den Tieren schadet, „wohnt eine gewisse Tragik inne“, so Voigt. Der Studienleiter unterstreicht, „wie wichtig eine durchdachte Standortwahl für die Anlagen ist, um verschiedene Ziele nicht gegeneinander auszuspielen“. Sensible Lebensräume wie Teiche sollten nur nachrangig oder gar nicht als Standorte für Windräder in Betracht gezogen werden.

Auswirkungen der Turbinen auf Fledermäuse in weiterer Entfernung würden bei den üblichen Planungs- und Genehmigungsverfahren bisher nur unzureichend berücksichtigt. Auch indem die Insektenfresser verdrängt werden, könnten Ökosysteme Landwirtschaft leiden, argumentiert die Autoren.

„Wenn der notwendige Schutz von kritischen Fledermauslebensräumen nicht berücksichtigt wird, könnte dies die umweltverträgliche Erzeugung von Windenergie gefährden“, schließen sie ihren Bericht.

Die direkten Opfer sind dagegen gut dokumentiert: Durch Kollisionen oder den Luftdruckabfall in der Nähe der Rotorblätter sterben jährlich geschätzt 200.000 Fledermäuse in Deutschland.

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