zum Hauptinhalt
Elefanten können 200 Jahre alt werden, bekommen aber selten Krebs.

© dpa/Martin Schutt

Untote Helfershelfer: Zombie-Gene, die vor Krebs schützen

Auch Gene können „sterben“ – wenn sie durch Mutationen stillgelegt werden. Doch mitunter kehren sie zurück. Mit guten wie mit schlechten Folgen, beim Elefanten ebenso wie beim Menschen.

Sascha Karberg
Eine Kolumne von Sascha Karberg

Stand:

Irgendwann trifft es jede Familie: Ein Vater, eine Mutter, ein Onkel oder – besonders schlimm – ein Kind bekommt die Diagnose Krebs. Dank moderner Medizin muss das kein Todesurteil mehr sein, dennoch sterben weltweit nach wie vor 17 Prozent aller Menschen an den unkontrolliert wuchernden Zellen.

Bei Elefanten sind es nur fünf Prozent. Aber warum? Eigentlich müssten so große Tiere, die viel mehr Zellen haben, die entarten könnten, doch deutlich häufiger Tumore entwickeln.

Des Rätsels Lösung scheint ein reanimiertes „totes“ Gen zu sein, ein Zombie-Gen.

Immer wieder passiert es im Laufe der Evolution, dass Gene oder ganze Abschnitte des Erbguts versehentlich verdoppelt werden. Das kann ein Überlebensvorteil sein. So haben Menschen vom Krebs-Sensor-Gen p53, das entartete Zellen in den Selbstmord schicken kann, nur eine Kopie, Elefanten hingegen 20. Sehr wahrscheinlich trägt das dazu bei, dass die Dickhäuter seltener Krebs bekommen.

Doch meist ist es eher ein Nachteil, eine Überdosis eines Gens zu haben. Daher überleben nur solche Tiere, bei denen verdoppelte Genabschnitte durch weitere Mutationen „abgeschaltet“ werden. Das Erbgut des Menschen ist voll von solchen „toten“ Genen, auch Pseudo-Gene genannt. Mitunter stammen sie auch von Viren, die ihre Gene vor Urzeiten ins menschliche Genom geschleust haben.

Doch was durch Mutationen abgeschaltet werden kann, das kann auch wieder zum Leben erweckt werden. Das ist offenbar bei Elefanten mit dem Pseudo-Gen LIF6 passiert. Statt still und tot im Erbgut herumzuliegen, reagiert es auf p53, den Krebswächter und produziert ein Protein, das Löcher in die Kraftwerke (Mitochondrien) der wuchernden Zellen bohrt, sodass sie absterben.

Die Auferstehung von den toten Genen muss vor etwa 25 Millionen Jahren passiert sein, als Elefanten, einst nur so groß wie Murmeltiere, begannen, größer zu werden und das damit steigende Krebsrisiko ausgleichen mussten.

Auch beim Menschen wirken sich Zombie-Gene aus. Negativ, wenn sie einfach nur wieder aktiv werden und den Zellapparat mit RNA und Proteinen belasten und so etwa die Embryonalentwicklung stören. Positiv, weil manche ehemals von Viren stammende Gene inzwischen die Immunabwehr unterstützen. Ob tot, untot oder lebendig – in der Biologie liegt das mitunter sehr nah beieinander.

Der „Erbonkel“ – Geschichten rund um Gene, jedes Wochenende.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })