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Von Zähnen und Genen: Damit Sie auch morgen noch kraftvoll zubeißen können
Spitz und lang oder klein und stummelig? Zähne haben nicht immer die gleiche Form. Jetzt kennen Forschende die Genvarianten, die das mitbestimmen – darunter auch eine vom Neandertaler.

Stand:
„Schau mal, der ist eben rausgefallen!“ Wenn es um Zähne geht, dürften nicht nur Zahnärzte, sondern auch Grundschullehrerinnen im Laufe ihres Berufslebens einiges an Erfahrungen sammeln. Mal spitz, mal stummelförmig oder breit – nicht selten präsentieren Kinder stolz ihre seit Tagen wackelnden und nun frisch ausgefallenen dentes decidui, gerne auch die aus dem klaffenden Loch nachwachsenden Hauer.
Diesen Wissensschatz der Lehrkräfte haben Forschende vom University College London jedoch nicht angezapft, als sie sich auf die Suche nach den Ursachen für die verschieden geformten Zähne von Menschen machten.
18 Gene fürs Gebiss
Stattdessen vermaß das Team um Kaustubh Adhikari die Zähne von 882 Freiwilligen mit gemischter europäischer, indianischer und afrikanischer Abstammung. Dann suchte ein Computerprogramm im Erbgut der Teilnehmer nach Genvarianten, die überdurchschnittlich häufig bei Personen mit besonders spitzen, großen oder andersartig abweichend geformten Zahnkronen einhergingen, eine „genomweite Assoziationsstudie“.
„Wir haben zahlreiche Gene identifiziert, die die Entwicklung der Zähne beeinflussen“, sagt Adhikari. Demnach beeinflussen 18 Erbgutregionen die Größe und Form verschiedener Zahngruppen, 17 davon hatten Genforscher bisher nicht mit Zahnabmessungen in Verbindung gebracht.
Eine der in diesen Regionen liegenden Genvarianten stammt sehr wahrscheinlich vom Neandertaler. Sie wurde nur bei Menschen europäischer Abstammung gefunden und trägt den Forschenden zufolge dazu bei, dass die Schneidezähne dünner ausfallen als bei Menschen, die diese Genausprägung nicht im Erbgut haben. Auffällig war auch, dass Menschen mit europäischer Abstammung im Schnitt kleinere Zähne hatten als etwa afrikanischstämmige.
Dabei geht es nicht nur um feine, ästhetische Unterschiede und die Eignung der Kauleiste für Zahnpasta-Werbung. Die Veränderungen in manchen dieser Gene tragen auch zu krankhaftem Zahnwuchs bei, etwa eingewachsenen, nicht „durchbrechenden“ Zähnen, oder Kerbel-, Zapfen-, Griffel-, Kegel- oder Nasenzähnen, die besonders klein, schmal und spitz sind.
Ob sich die Zahngene im Laufe der Evolution des Menschen nun vor- oder nachteilig ausgewirkt haben, also für mehr Biss oder mehr Brei sorgten, lässt sich nicht sagen, erklärt das Forschungsteam. Vielleicht zeigt sich in der Vielfalt der kriewatschligen Gebisse ja auch, dass die Zähne für Homo sapiens schon länger nicht mehr überlebenswichtig waren. Denn wer seine Nahrung kochen und mundgerecht zubereiten kann, kann sich auch Genvarianten erlauben, die unvorteilhafte Zähne hervorbringen. In diesem Sinne wünscht der Erbonkel ein zartes Mahl zum 3. Advent!
Was wir zum Leben mitbekommen und was wir weitergeben – jedes Wochenende Geschichten rund um Gene und mehr in der „Erbonkel“-Kolumne.
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