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Harald Mau, Dekan der Medizinischen Fakultät der Charité bis 1995, ist gestorben.

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Vordenker der neuen Charité: „Ein lauterer und entschlossener Mann der ersten Stunde“

Harald Mau, Dekan der Medizinischen Fakultät der Berliner Charité in deren entscheidender Umbruchsphase nach der Wende, ist gestorben.

Als einen „lauteren und entschlossenen Mann der ersten Stunde, dessen Erfolge mit Augen zu sehen, mit Ohren zu hören und mit Händen zu greifen sind“ – so wurde Harald Mau 1995 zum Ende seiner Amtszeit als Dekan der Medizinischen Fakultät der Berliner Charité vom damaligen Senator für Wissenschaft und Forschung des Landes Berlin verabschiedet: „Der Name Harald Mau wird mit der Neustrukturierung der Hochschulmedizin in Berlin und der Erneuerung der Charité für immer verbunden sein.“

Tatsächlich sah sich Harald Mau mit den größten Herausforderungen konfrontiert, als er 1990 das Dekanat übernahm – in einer Zeit direkt nach der Wende als die Abwicklung der Charité zur Debatte stand.

Das von Schulden erdrückte Land Berlin und der Wissenschaftsrat hatten eine Reduktion der „teuren“ Universitätsbetten gefordert und die „Macher“ der Westberliner Medizin, traten massiv dafür ein, die Standorte im Osten der Stadt, den Traditionsstandort der Charité in Mitte und in Berlin-Buch zu schließen, um das relativ neue Virchow-Klinikum und das Benjamin-Franklin-Klinikum in Steglitz zu „retten“.

Neuorganisation der Berliner Hochschulmedizin - mit Wiener Charme

Die Neuorganisation der Charité und der gesamten Berliner Universitätsmedizin erforderten von Harald Mau Standhaftigkeit und Diplomatie. Er hatte beides und dazu Menschenkenntnis, Humor und Wiener Charme.

Geboren in Wien am 1. März 1941, studierte Harald Mau Medizin in Berlin an der Humboldt-Universität. An der Kinderchirurgie des Klinikums Berlin-Buch und an der Zentralklinik für Herz- und Thoraxchirurgie in Bad Berka begann er, sich auf die Chirurgie bei Neugeborenen, die Krebschirurgie und Kinderneurologie zu spezialisieren.

1979 wechselte er an die Berliner Charité, wo er die Kinderchirurgie aufbaute, sie seit 1983 leitete und 1985 zum ordentlichen Professor für Kinderchirurgie ernannt wurde. Nach der Wende blieb Mau bis zu seinem Ruhestand 2011 Direktor der kinderchirurgischen Klinik.

Nach der Wende machte sich Mau – vielfach mit Preisen wie etwa der Georg-Klemperer-Medaille der Berliner Ärztekammer ausgezeichnet – aber nicht allein als Chirurg einen Namen, sondern auch als gesundheitspolitischer und berufspolitischer Vordenker.

Bereits vor 1989 gründete er mit politischem Gespür gemeinsam mit anderen Kollegen den ersten freien Verband der Ärzte und Zahnärzte in der DDR, den Virchow-Bund. Ziel waren pragmatische Reformen im Gesundheitswesen und ein Ende der Bevormundung der Ärzte in der DDR. 1990 fusionierte der Virchow-Bund mit dem westlichen Verband der Niedergelassenen Ärzte NAV „auf Augenhöhe“.

Sinnvolle Strukturen erhalten, neue entwickeln

Beide Verbände hatten gemeinsam maßgeblichen Einfluss auf Niederlassungsfreiheit und auf Berufsfreiheit. Als Vorsitzender des Landesverbandes Berlin-Brandenburg des NAV-Virchow-Bundes, als Mitglied der Delegiertenversammlung der Ärztekammer und des Vorstandes machte sich Mau verdient um die Selbstverwaltung der deutschen Ärzteschaft nach der Wiedervereinigung – immer auch mit dem Ziel, die in der DDR vorhandenen sinnvollen Strukturen zu bewahren und keine Übernahme aus dem Westen zu akzeptieren, sondern rationale, vernünftige, und auch neue Strukturen zu entwickeln.

Unter dieser Prämisse agierte Mau auch als Dekan in der für Berlins Hochschulmedizin so entscheidenden Phase. Die Fusion aller vier Standorte in Ost- und West-Berlin unter dem Dach der „Charité-Universitätsmedizin Berlin“ auf der Basis des Berliner Universitätsmedizingesetzes vom 15. Dezember 2005 wäre nicht möglich gewesen ohne die Weitsicht und die Vorarbeit von Harald Mau.

Er legte den Grundstein für die exzellente Position der Charité-Universitätsmedizin Berlin in der heutigen Zeit. Harald Mau hat diese Entwicklung mit Freude und Genugtuung bis zuletzt verfolgt. Wir alle haben ihm zu danken für seine historische Leistung.

Harald Mau ist am 4. September 2020 mit 79 Jahren nach schwerer Krankheit gestorben.

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