Würgeschlangen, Affenliebe und ein Massaker im Wald:Die Siegerbilder der Naturfotografie
Sie geben alles, um das perfekte Bild einzufangen. Die preisgekrönten Fotos des Wettbewerbs „Wildlife Photographer of the Year 2024“ zeigen wieder magische und seltene Momente der Natur.
Sie warteten stunden-, wochen- und manchmal monatelang. Still, vorsichtig und vor allem geduldig, um den einen Moment festzuhalten. Von glitzernden Kaulquappen, die unter Seerosen schwimmen, von einem Luchs, der sich genüsslich in der Abendsonne streckt oder von einer Anakonda, der sich um die Schnauze eines Alligators windet.
Ihre Bemühungen haben sich gelohnt. Die Fotografinnen und Fotografen sind die Gewinner des renommierten Wettbewerbs „Wildlife Photographer of the Year 2024“, das vom Natural History Museum in London ausgeschrieben wird. Das Museum wählte die diesjährigen Gewinner aus 59.228 Einsendungen aus 117 Ländern aus.
Der Wettbewerb soll zum Schutz der Tier- und Pflanzenwelt beitragen und Geschichten „der Hoffnung und/oder des positiven Wandels“ würdigen. „Wir freuen uns, in unserem diesjährigen Portfolio inspirierende Bilder präsentieren zu dürfen. Diese Fotos motivieren dazu, sich noch stärker für den Artenschutz einzusetzen“, sagte Doug Gurr, Direktor des Natural History Museum.
Ein schwarzer Schwarm
Mit dem Foto „Der Schwarm des Lebens“ gewann Shane Gross den diesjährigen Hauptpreis. Der Fotograf schnorchelte über sieben Stunden durch Seerosenblätter im Cedar Lake, Vancouver Island, British Columbia, Kanada und folgte einem von Bibern freigelegten Pfad. Zwischen Pflanzen und Algen unter Wasser entdeckte er Hunderte Kaulquappen der Westkröte Anaxyrus boreas, die auf dem ersten Blick tintenschwarz aussahen, aus der Nähe allerdings golden glitzerten, wie Gross es beschrieb.
Die Jury war der Ansicht, dass dieses außergewöhnliche Bild nicht nur zeigt, wie schön die Natur ist, sondern auch perfekt veranschaulicht, wie Tiere, Pflanzen und die Umwelt untrennbar miteinander verbunden sind. „Wir waren fasziniert von der Mischung aus Licht, Energie und der Verbindung zwischen der Umwelt und den Kaulquappen“, sagte Kathy Moran, Vorsitzende der Jury des Museums.
Eine Auswahl der Gewinnerfotos:
Shane Gross, Gewinner der Kategorie „The Bigger Picture“.
Im Gewinnerbild schwimmt eine Herde Kaulquappen der Westkröte Anaxyrus boreas zwischen hoch aufragenden Pflanzen und Algen in einem See in British Columbia, Kanada.
Die Kaulquappen schwimmen aus den sichereren Tiefen des Sees nach oben, um Raubtieren auszuweichen und das seichte Wasser zu erreichen, wo sie sich ernähren können. Die Kaulquappen entwickeln sich zwischen vier und zwölf Wochen nach dem Schlüpfen zu Kröten. Nur ein Prozent überlebt bis zum Erwachsenenalter.
Alexis Tinker-Tsavalas ist der „Young Wildlife Photographer of the Year 2024“. Ihm ist dieses außergewöhnliche Foto eines pinken Springschwanzes neben einem Schleimpilz gelungen. Gefunden hat er sie unter einem Baumstamm in einem Wald in Berlin. Der junge Fotograf musste schnell sein, denn Springschwänze sind nicht nur winzig klein – sie werden nur maximal ein Zentimeter groß – sondern können in einem Sekundenbruchteil auch weit springen. Man findet die Sechsfüßer vor allem im Laub und ernähren sich von Mikroorganismen wie Bakterien und Pilzen.
John E. Marriott, Gewinner in der Kategorie „Tierporträts“. Der
Fotograf hat eine Luchs-Familie in Yukon, Kanada, fast eine Woche lang verfolgt, wobei er sich mit Schneeschuhen und leichter Kameraausrüstung durch die verschneiten Wälder bewegte. Als frische Spuren ihn zu der Luchs-Familie führten, hielt er Abstand, um die Tiere nicht zu stören. Im Bild sieht man einen Luchs, der sich ausruht, während seine ausgewachsenen Jungen sich vor dem kalten Wind schützen.
Jack Zhi, Gewinner in der Kategorie „Verhalten von Vögeln“. Zhi fotografiert bereits seit acht Jahren in Los Angeles Vögel. An einem Tag beobachtete er, wie ein junger Wanderfalke über seinem Nest einen Schmetterling jagte. Wanderfalken gelten als die schnellsten Vögel der Welt. Auf der Jagd nach Beute erreichen sie im Sturzflug Geschwindigkeiten von mehr als 300 Kilometer pro Stunde.
Karine Aigner, Gewinnerin in der Kategorie „Verhalten von Amphibien und Reptilien“. Die Reisegruppe, die Aigner durch das Pantanal in Brasilien führte, hatte angehalten, um einige Sumpfhirsche zu fotografieren, als sie etwas Seltsames im Wasser entdeckte. Durch das Fernglas erkannte Aigner, wie eine gelbe Anakonda sich um die Schnauze eines Brillenkaimans wickelte. Die Alligatoren fressen alles, gerne auch Schlangen, und große Anakondas wiederum Reptilien. Es ist schwer zu sagen, wer bei diesem Kampf zuerst angegriffen hat.
Igor Metelskiy, Gewinner in der Kategorie „Tiere in ihrem Lebensraum“. Der Fotograf stellte im Lazovsky District in Russland eine Kamerafalle in der Nähe von Fußspuren. Er musste sechs Monate warten, um das Bild des sich streckenden Luchses zu erhalten. Die abgelegene Lage und die wechselnden Wetterbedingungen machten den Zugang zu diesem Ort und den Transport der Ausrüstung zu einer Herausforderung.
Thomas Peschak, Gewinner in der Kategorie „Photojournalist Story Award“. Der Fotograf dokumentiert in Brasilien und Kolumbien die Beziehung zwischen den vom Aussterben bedrohten Amazonas-Flussdelfinen (auch Boto, rosa Flussdelfin oder Inia genannt) und den Menschen, mit denen sie ihr Zuhause im Wasser teilen. Die Flussdelfine werden verehrt und zugleich gefürchtet. Manche Amazonasbewohner glauben, dass die Delfine menschliche Gestalt annehmen können, andere sehen in ihnen Diebe, die Fische aus den Netzen stehlen und getötet werden sollten.
Hikkaduwa Liyanage Prasantha Vinod, Gewinner in der Kategorie „Verhalten von Säugetieren“. Vinod wollte im Wilpattu-Nationalpark, Sri Lanka, eigentlich nur Vögel und Leoparden fotografieren, als er eine Gruppe von Tonkean-Makaken über ihm entdeckte. Zwischen den Bäumen beobachtete er, wie ein Makakenbaby in den Armen seiner Mama einschlief, nachdem es gefüttert wurde. Der Fotograf achtete darauf, möglichst keine Geräusche zu machen, und hielt den friedlichen Moment mit einem Teleobjektiv fest.
Ingo Arndt, Gewinner in der Kategorie „Verhalten von wirbellosen Tieren“. Der Fotograf beobachtete in Hessen, wie ein toter blauer Laufkäfer von roten Waldameisen in Stücke zerlegt wurden, die klein genug waren, um durch den Eingang ihres Nests zu passen. Um die Aufnahme zu machen, legte Arndt sich neben das Ameisennest und war innerhalb weniger Minuten voller Ameisen. Rote Waldameisen ernähren sich größtenteils von Honigtau, einer natürlichen Ausscheidung von Blattläusen. Aber sie brauchen auch Eiweiß. Sie sind in der Lage, große Insekten zu töten und zu zerstückeln.
Matthew Smith, Gewinner in der Kategorie „Unterwasser“.
Der Fotograf benutzte eine speziell angefertigte Verlängerung, die er für die Vorderseite seines Unterwassergehäuses seiner Kamera entworfen hatte, um dieses Bild von einem Seeleoparden im antarktischen Paradise Harbour zu machen. Die junge Robbe schwamm mehrmals ganz nah und neugierig am Objektiv vorbei.
Sage Ono, Gewinner in der Kategorie „Rising Star Portfolio Award“. Ono erforscht die Unterwasserwelt der Monterey Bay National Marine Sanctuary in Kalifornien und entdeckte an der Bucht die Eier der umgangssprachlich als Röhrenmaul bezeichneten Fischart Aulorhychus flavidus. Die Eier funkelten unter Wasser wie rubinenrote Edelsteine, sorgfältig eingebettet in den Krümmungen eines goldenen Seetangs.
Parham Pourahmad, Gewinner in der Kategorie „11 bis 14 Jahre“. Im Sommer besuchte der junge Fotograf an den meisten Wochenenden den Ed R Levin County Park in Kalifornien, USA. Ihm gelang diese Aufnahme eines Rundschwanzhabichts, der ein Eichhörnchen frisst. Pourahmad wollte die Vielfalt der Tierwelt in einer Großstadt zeigen und veranschaulichen, dass „die Natur immer wild und unberechenbar ist“.
Alberto Román Gómez, Gewinner in der Kategorie „10 Jahre und jünger“. Der Fotograf beobachtete das Schwarzkehlchen aus dem Autofenster seines Vaters am Rande des Naturparks Sierra de Grazalema in Cádiz, Spanien. Er fand es schwierig, den noch jungen Singvogel zu fotografieren, da er schnell hin und her flatterte, um Insekten zu fangen. Schwarzkehlchen bevorzugen in der Regel offene Lebensräume und sitzen normalerweise auf Zäunen.