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Der Impfstoff des Herstellers Astrazeneca enthält Verunreinigungen durch menschliche und virale Proteine, vor allem Hitzeschock-Proteine.

© Robert Michael/dpa-Zentralbild/dpa

Zu viel Proteine: Verunreinigungen im Astrazeneca-Impfstoff sollen weiter untersucht werden

Forscher haben im Impfstoff von Astrazeneca menschliche Proteine entdeckt. Sie könnten zu den kurzfristigen und den seltenen schweren Nebenwirkungen beitragen.

Ein Forschungsteam der Universitätsmedizin Ulm hat im Covid-19-Impfstoff des britisch-schwedischen Herstellers AstraZeneca Verunreinigungen durch Proteine entdeckt. Bislang gehen die Forschenden nicht davon aus, dass sie die Wirksamkeit beeinflussen oder es einen Zusammenhang zu Impfreaktionen gibt.

Die Studie ist als Preprint veröffentlicht, die Begutachtung durch andere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern steht aus. Die Studie durchläuft noch das Review-Verfahren bei einer Fachzeitschrift der Journal-Familie „Nature Portfolio“.

Die wissenschaftliche Diskussion, ob der Befund tatsächlich Konsequenzen für die Einschätzung der Wirksamkeit und Nebenwirkungen des AstraZeneca-Impfstoffs und damit die Zulassung und Impf-Empfehlung hat, ist noch in vollem Gange.

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Mängel bei der Qualitätskontrolle

Das Forschungsteam beschreibt Ergebnisse eines Mengenvergleichs von Proteinbestandteilen zwischen dem gesamten Impfstoff und einem gereinigten Adenovektor. Das ist das Trägervirus, das die Erbgutbestandteile von Sars-Cov-2 in die Körperzellen von Geimpften einschleust und die Immunantwort gegen das Coronavirus auslöst.

Drei untersuchte Chargen des Impfstoffs enthielten mehr Proteinbestandteile als durch den reinen Vektor zu erklären sind. Darunter sind Hitzeschockproteine, die im Körper etwa an der Proteinfaltung und der Stabilisierung von Proteinen beteiligt sind, wenn Zellen einer hohen Temperatur ausgesetzt werden oder eine Infektion vorliegt.

Insgesamt seien mehr als 1000 verschiedene Proteine in den drei untersuchten Chargen festgestellt worden. Negative Auswirkungen auf Geimpfte dürften die meisten davon nicht haben, sagte Studienleiter Stefan Kochanek: „Extrazelluläre Hitzeschock-Proteine sind jedoch bekannt dafür, dass sie angeborene und erworbene Immunantworten modulieren und bestehende Entzündungsreaktionen verstärken können.“ Sie seien auch schon mit Autoimmunreaktionen in Verbindung gebracht worden.

Das Vorhandensein der Proteine weise auf Mängel bei der Qualitätskontrolle hin, sagt Kochanek. Durch Überarbeitung von Herstellungsprozess und Qualitätskontrolle ließe sich neben der Sicherheit womöglich auch die Wirksamkeit des Impfstoffs erhöhen. Der Vektorimpfstoff von AstraZeneca wird hergestellt, in dem das Adenovirus in menschlichen Zellen vermehrt wird und anschließend so gut wie möglich von den anderen Zellbestandteilen gereinigt wird.

Theoretische Zusammenhänge zu Hirnvenenthrombosen

„Es ist völlig normal, dass in Impfstoffen Proteinbestandteile gefunden werden“, sagt Andreas Greinacher von der Universitätsmedizin Greifswald. Die Menge scheine im AstraZeneca-Impfstoff relativ hoch zu sein. „Was die menschlichen Proteine angeht, sind wir gerade erst auf der Spur zu verstehen, inwiefern diese auch an der Komplexbildung beteiligt sein könnten“, so der Immunologe zum möglichen Zusammenhang mit den Hirnvenenthrombosen, die in seltenen Fällen nach der Impfung mit dem Vakzin aufgetreten sind. „Das ist nicht abwegig, muss aber weiter untersucht werden“, sagt Greinacher.

„Es ist noch nicht klar, ob die beschriebenen Nebenprodukte irgendeine Relevanz für die Immunreaktion oder die seltenen Nebenwirkungen haben“, sagt Leif-Erik Sander, Impfstoffforscher an der Charité-Universitätsmedizin Berlin. Die starke Immunreaktion, die viele nach der ersten Dosis mit dem Impfstoff erfahren, werde wahrscheinlich durch die Impfviren ausgelöst.

Greinacher hält für möglich, dass die im Impfstoff gefundenen Eiweiße eine Reaktionskette in Gang setzen, die bei der Entstehung der Hirnvenenthrombosen abläuft: „Sie sorgen für eine kurzfristige Immunreaktion, was ein Warnsignal bewirkt, das eine Autoimmunreaktion anstößt“. Dabei führten die stark reagierenden Autoantikörper bei den wenigen Menschen, bei denen diese Nebenwirkungen auftreten, zu den seltenen Thrombosen.

Aufreinigung und Impfstoffverluste

„Jetzt muss untersucht werden, ob eine weitere Aufreinigung des Impfstoffs zum einen die ungefährlichen, aber unangenehmen akuten Impfreaktionen verringert, vor allem aber, ob dadurch die schweren Komplikationen reduziert werden können“, sagt Greinacher.

Stephan Becker, Virologe an der Philipps-Universität Marburg empfiehlt ebenfalls überflüssige Proteine bei der Aufreinigung von Impfstoffen zu entfernen, doch gehe dabei immer auch ein Teil der viralen Proteine verloren. Das wirkt sich auch auf die Menge des verfügbaren Impfstoffes aus. Becker hat keine Bedenken bezüglich der Proteine. Die Studie beschreibe einen Zustand, der „ziemlich normal“ ist. (mit dpa, SMC)

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