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Trump bei seiner Wahlparty in West Palm Beach, Florida

© imago/UPI Photo/IMAGO/JOE MARINO

Zur Rhetorik von Donald Trump: „Seine Sprache ist deutlich radikaler geworden“

Krawall, Kraftausdrücke und Redundanzen. Ein Gespräch mit dem Sprachwissenschaftler Matthias Eitelmann von der Mainzer Gutenberg-Universität über Trumps Rhetorik.

Stand:

Herr Eitelmann, haben Sie die erste Rede Trumps nach seinem abzusehenden Wahlsieg verfolgt?
Ja, ich war gerade wieder aufgewacht, nachdem ich bis tief in die Nacht das Wahlgeschehen im Fernsehen verfolgt hatte.

Was ist Ihnen an der Rede aufgefallen?
Da waren, vielleicht überraschend, versöhnliche Töne in seiner Rede, etwa in seinem Versprechen, das amerikanische Volk einen zu wollen - aber die gab es damals in seiner Siegesrede von 2016 auch. Bizarr fand ich, was zu seiner Rhetorik und Selbststilisierung dazu gehört, wie dann nach und nach all seine Getreuen auf die Bühne gebeten wurden und er den Duktus eines Geschichtenerzählers annahm, allein der Exkurs zu Elon Musk, den man gar nicht verstehen konnte, der völlig zusammenhangslos wirkte. „Wir haben jetzt einen neuen Star, Elon!“

Was zeichnet den Duktus eines Geschichtenerzählers aus?
Nehmen wir seine Umweltpolitik, die ja im Grunde eine umweltfeindliche ist. Da kommt immer sein Augenzeugenbericht vor der Expertenmeinung, da kommt das Anekdotische zum Zug, da erzählt er, mit eigenen Augen gesehen zu haben, dass Windräder Vögel getötet hätten. Oder er erfindet ein Paar, das in seinem Haus im Dunkeln sitzen muss, weil gerade einmal kein Wind weht.

Gehört dieser Duktus zu den Stilmerkmalen seiner Sprache?
Genau. Das geht einher mit einer Sprache, die spontan wirkt, volksnah, vermeintlich authentisch. Es geht ihm dabei immer um eine Abgrenzung zur Elite, zum Establishment. Solche aberwitzigen Exkurse wie zu der Windenergie sind dann vor diesem Hintergrund bei seinen Anhängern immer entschuldbar.

Auffallend bei seiner Rede war die häufige Nutzung des Wörtchens „Wir“. Wie ist das bei Trump zu verstehen?
Generell ist seine Rhetorik sehr stark von diesem „Wir gegen sie, Us versus Them“ gekennzeichnet. Trump stilisiert sich als Repräsentant des Volkes, mit dem „Wir“ meint er dann vor allem seine Anhänger, die ihn unterstützt haben. Gleichzeitig sieht er sich als Übermensch, als Sprachrohr des Volkes, der dessen Ängste und Sorgen aufnimmt, diese, klar, aber gleichzeitig auch schürt. Und dem gegenüber steht das Establishement, Washington, die Medien – Institutionen, die ihn nicht unterstützen.

Ich finde dieses Sprechen von einer Bewegung auch sehr unheimlich.

Matthias Eitelmann

Das „Wir“ hat bei ihm immer etwas Ausschließendes, Exklusives.
Genau. An der Stelle ist seine Rhetorik nicht versöhnlich. Oft ist bei ihm auch gar nicht zu unterscheiden, welches „Wir“ er jetzt meint: Die Personen, die mit ihm auf der Bühne stehen, seine Partei, die Republikaner, sein Vize, den er ja auch sehr bezeichnend angekündigt hat als „feisty guy“. Schon außergewöhnlich, so seinen Vizepräsidenten vorzustellen.

Was auch immer wieder vorkommt: Er spricht von einer „Bewegung“.
Bisher hat er sich ja immer distanziert von dem „Project 2025“, mit dem ich diese „Bewegung“ durchaus assoziieren würde. Auf der einen Seite hat er immer hervorgehoben, dass er in deren Pläne nie eingeweiht war, hat sich dann aber auch wieder in Lügen und Widersprüche verstrickt. Ich finde dieses Sprechen von einer Bewegung auch sehr unheimlich.

Muss man ihn als Demagogen bezeichnen?
Wir hatten ja 2020 in unserem Sammelband Trumps Sprache eher unter populistischen Merkmalen einsortiert. Also diese einfache Sprache, die Volksnähe, das Ruppige, alles gegen das Establishment gerichtet. Doch ist die Sprache jetzt deutlich radikaler geworden, weniger versteckt als vor vier Jahren oder während seiner ersten Präsidentschaft. Ich kann mir vorstellen, dass diese Sprache der Kompromisslosigkeit noch stärker und auch von Trumps Umfeld aufgegriffen wird.

Was gibt es da für Beispiele?
Gerade die Ausfälle gegen Migranten, diese als „Animals“ zu bezeichnen, die rassistischen Ausfälle sind deutlicher geworden, und auch das Umfeld von Trump hat sich radikalisiert.

Macht das den Erfolg bei seinen Anhängern aus?
Mutmaßlich. Wer sich für das Volk einsetzt, sich gegen die Eliten zur Wehr setzt, darf schon mal einen härteren Ton anschlagen, so seine Absicht, und den verzeihen ihm die republikanischen Wähler und Wählerinnen.

Gibt es weitere Stilmerkmale bei Trumps Rhetorik?
Generell kommt noch dieses Hochemotionale dazu, was sich auch in dem ruppigen Ton niederschlägt, man denke an die Spitznamen, „sleepy Joe“ für Joe Biden, „crooked Hilary“ für Hilary Clinton oder „crazy Kamala“. Das ist eine Sprache der schlechten Manieren, wie sie für populistischen Sprachgebrauch typisch ist. Aber es gibt auch Trumps Rhetorik der Kompromisslosigkeit. 2016 bediente er sich schon gerne Wettbewerbsmetaphern aus dem Sport. In der Politik gibt es für ihn Sieger und Verlierer, bei ihm gibt es aber nur einen Sieger, nämlich ihn, sonst ist da Betrug mit im Spiel. Das findet man in seinen Wahlkampfreden, seiner Migrations- und Wirtschaftspolitik, da erweckt er immer den Eindruck eines Nullsummenspiels: Die USA können nur verlieren, wenn sie Einwanderer ins Land holt.

Was ist an Trump grundsätzlich sprachwissenschaftlich so interessant?
Interessant ist, dass sich Trumps Sprache eigentlich nie wirklich gewandelt hat. Die war auch schon vor seiner politischen Karriere in vielerlei Hinsicht dieselbe wie später. Es gab gerade während seines allerersten Wahlkampfs viele Fehlanalysen: Trump spricht simpel, wiederholt sich immer, hat viele Zögerungsmerkmale, weist sprachliche Defizite auf, hat die Sprache eines Grundschülers. Die sind so nicht zutreffend! Da wollten wir damals, ich und meine Kollegin Ulrike Schneider, genauer draufschauen und beleuchten, wie Trump es trotz seiner auffälligen, brüskierenden Sprache doch schafft, seine Anhängerschaft zu überzeugen.

Sie meinen also, Trump inszeniert diese, seine Sprache ganz bewusst?
Ja. Es geht immer um den Gegensatz zum Establishment und um die Schaffung einer „In-Group“-Mentalität mit seiner Anhängerschaft. Er will wie der Mensch auf der Straße sprechen, eingänglich sein. Das ist Stilisierung. Und wenn es immer wieder heißt, er rede wie ein Vierjähriger, ein Grundschüler, dann ist das schief und unterschätzt ihn. Seine Sprache mit der simplen Satzstruktur und den vielen Wiederholungen ist eine bewusst eingeübte, die strategisch Volksnähe erzeugt.

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