zum Hauptinhalt
Die russische Flagge weht auf dem Gebäude der russischen Botschaft in Berlin.

© Britta Pedersen/dpa

Update

Moskau wollte keine Obduktion: Russischer Diplomat tot vor der Berliner Botschaft aufgefunden

Ein russischer Diplomat stirbt beim Sturz aus einem Botschaftsgebäude. Er soll Mitarbeiter des Geheimdienstes und Sohn eines ranghohen FSB-Mannes gewesen sein.

Ein Todesfall in Berlin könnte zum Spionage-Krimi werden. Vor der russischen Botschaft wurde ein Diplomat des Landes tot aufgefunden. Er stürzte offenbar aus einem oberen Stockwerk eines Botschaftsgebäudes. Dem „Spiegel" zufolge zufolge hielten deutsche Sicherheitsbehörden den 35-Jährigen für einen als Diplomat getarnten Mitarbeiter des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB.

Objektschützer der Berliner Polizei fanden den Mann bereits am 19. Oktober um 7.20 Uhr auf dem Gehweg der Behrenstraße in Berlin-Mitte, wie der „Spiegel“ berichtete. Nach Tagesspiegel-Informationen handelt es sich um den zweiten Botschaftssekretär Kirill Sch., der seit Juni 2019 in Deutschland akkreditiert war.

Aus Berliner Justizkreisen wurde der Todesfall bestätigt. Die Staatsanwaltschaft habe jedoch kein Todesermittlungsverfahren einleiten können, weil der Mann Diplomatenstatus hatte. Eine Obduktion in Deutschland fand nicht statt. Dafür wäre die Zustimmung der russischen Botschaft nötig gewesen, die diese jedoch nicht erteilte. Die Leiche des Mannes wurde bereits nach Russland überführt.

Die Bundesregierung äußerte sich nur sehr zurückhaltend. „Uns ist der Fall bekannt“, hieß es aus dem Auswärtigen Amt. „Aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes des Betroffenen und der Angehörigen“ könne man jedoch keine weiteren Details bekannt geben. Die russische Botschaft sprach laut „Spiegel“ von einem „tragischen Todesfall“, der aus „ethischen Gründen“ nicht kommentiert werden könne.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Der Verstorbene hatte nach einem Bericht der Rechercheplattform „Bellingcat“ auch familiäre Verbindungen zum FSB. Sein Vater ist demnach ein ranghoher Beamter des Inlandsgeheimdienstes und stellvertretender Chef des sogenannten Zweiten Dienstes innerhalb des FSB.

Nach Recherchen von „Bellingcat“ gibt es Hinweise auf Verbindungen zwischen jener Abteilung, zu deren Führungsriege der Vater des Verstorbenen gehört, und einem spektakulären Mordfall in Berlin, der internationales Aufsehen erregte: Im August 2019 war im Kleinen Tiergarten in Moabit der Georgier Selimchan Changoschwili erschossen worden.

[Lesen Sie bei Tagesspiegel Plus eine Rekonstruktion des Mordfalls im Kleinen Tiergarten.]

Der mutmaßliche Täter steht in Berlin vor Gericht, der Prozess läuft bereits seit Oktober 2020 und dürfte erst im kommenden Jahr abgeschlossen sein. Die Bundesanwaltschaft geht davon aus, dass „staatliche Stellen der Zentralregierung der Russischen Föderation“ den Mord in Auftrag gegeben haben.

Ein Prozess, der politischen Sprengstoff birgt

Damit enthält dieser Prozess politischen Sprengstoff. Die Bundesregierung hat allerdings bisher betont, zunächst ein Urteil des Berliner Kammergerichts abwarten zu wollen, bevor über mögliche politische Konsequenzen entschieden wird.

Ungeklärt ist bisher, ob der mutmaßliche Täter allein handelte oder ob er in Berlin einen oder mehrere Unterstützer hatte. Er war unter einer falschen Identität nach Deutschland gereist, die nach Auffassung der Ermittler nur mit Hilfe staatlicher Stellen in Russland geschaffen werden konnte. Wenige Monate vor der Tat soll er in der Nähe Moskaus ein Trainingszentrum des FSB besucht haben, das in den Verantwortungsbereich des Zweiten Dienstes fällt.

[Wenn Sie alle aktuellen Nachrichten live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]

Der Vater des in Berlin verstorbenen Botschaftsmitarbeiters leitet beim FSB zudem eine Abteilung, die Recherchen von „Bellingcat“, „Spiegel“ und dem russischen Medium „The Insider“ zufolge mit der Vergiftung der russischen Oppositionspolitiker Alexej Nawalny und Wladimir Kara-Mursa in Verbindung gebracht wird. Nawalny war im vergangenen Jahr mit dem chemischen Kampfstoff Nowitschok vergiftet und später in der Charité behandelt worden.

In Russland sind in den vergangenen Jahren mehrere Personen unter ungeklärten Umständen aus dem Fenster gestürzt. Auf diese Weise kamen beispielsweise nach dem Beginn der Corona-Pandemie mehrere Ärzte ums Leben. Im Jahr 2003 gab es bereits einen ähnlichen Vorfall in Berlin. Damals stürzte ein russischer Wachmann aus einem zur Botschaft gehörenden Wohngebäude in der Behrenstraße.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false