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17-Jährige rassistisch beleidigt und attackiert: Prozessauftakt gegen Angreifer von Dilan S. in Berlin
Sechs Erwachsene sollen eine 17-Jährige rassistisch beleidigt und verprügelt haben. Vor Gericht behaupten die, dass die Jugendliche sie provoziert und an gepöbelt habe.
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Der Fall bekam vor rund einem Jahr bundesweit Aufmerksamkeit: Die damals 17-jährige Dilan S. war nach eigener Aussage an einer Tramhaltestelle in Prenzlauer Berg von sechs Erwachsenen rassistisch beleidigt und geschlagen worden, nachdem sie diese auf ihre fehlenden Masken angesprochen hatte. Am heutigen Montag standen die sechs mutmaßlichen Angreifer:innen nun erstmals unter anderem wegen gefährlicher Körperverletzung und Bedrohung vor Gericht. Ein erster Prozesstermin war im Januar wegen Krankheit vertagt worden.
Sie sei in der Tram von drei der sechs Angeklagten bedrängt worden, beschreibt S. die Situation vor Gericht. Zwei der drei seien offensichtlich alkoholisiert gewesen. Als sie dann ausweichen wollte, habe eine der Angeklagten, die Barbetreiberin Jennifer G., angefangen, sie rassistisch zu beleidigen. Die anderen beiden hätten dann mitgemacht, sie bedroht und immer wieder als „Ausländerfotze“ bezeichnet, die sich verpissen solle.
Als sie die Tram an der Danziger Straße verließ, sei Jennifer G. ihr gefolgt, schildert S. die Situation am Montag. Als G. sie dann schlagen wollte, sei sie ausgewichen und in einen Mann gestolpert. Plötzlich sei sie umringt und von allen Seiten beleidigt worden, mindestens zwei Menschen hätten sie festgehalten. Cornelia R., ebenfalls angeklagt, habe ihr mit den Fingern das Gesicht zerkratzt und sie getreten und geschlagen. Jennifer G. habe dann mit auf sie eingeprügelt, bis sich die Situation relativ plötzlich wieder aufgelöst habe.
Als S. erzählt, wie sie sich umringt fühlte und Angst in ihr aufkam, beginnt sie vor Gericht zu schluchzen. Sie erlitt damals laut Krankenhausbericht Kopf- und Bauchverletzungen. Sie sei bis heute in psychologischer Behandlung und habe Albträume, sagt sie. Auf die Frage der Richterin, woher die rassistischen Beleidigungen gekommen seien, sagt Dilan S.: „Ich habe dafür keine Erklärung, weil es dafür keine Erklärung gibt.“ Die Angreifer hätten mit ihr geredet, als hätte sie einen geringeren Wert.
Sie haben mit mir geredet, als hätte ich einen geringeren Wert.
Dilan S. über die sechs mutmaßlichen Angreifer:innen
Der Schilderung, dass die Auseinandersetzung sich um die Maskenpflicht gedreht habe, widerspricht S. – und wirft der Polizei vor, sie zunächst nicht ernst genommen zu haben.
In ihrer ersten Mitteilung hatte die Polizei S. damals eine Mitschuld gegeben und es so dargestellt, als sei sie attackiert worden, weil sie keine Maske trug. Tatsächlich sei sie aber die Einzige mit Maske gewesen, sagt S. vor Gericht. Nachdem Medien die Darstellung der Polizei zunächst aufgegriffen hatten, wandte sie sich vom Krankenhausbett aus via Instagram an die Öffentlichkeit. Recherchen des Tagesspiegels kurz nach dem Vorfall ergaben, dass die sechs mutmaßlichen Angreifer:innen zum Teil polizeibekannt sind und Verbindungen in die rechtsextreme Szene haben.
Vor Gericht sagten die sechs Angeklagten am Montag zunächst in eigener Sache aus. Vier der sechs ließen sich nicht anwaltlich vertreten, sondern verteidigten sich selbst – was immer wieder für kleinere Tumulte sorgte, da sie sich und die Anwälte der Nebenklage immer wieder unterbrachen. Die Schilderungen der sechs Angeklagten über die Situation widersprachen sich an mehreren Punkten – was auch die Richterin immer wieder anmerkte.
Einig sind sich die sechs Angeklagten hauptsächlich in einem: Die Aggression sei von S. ausgegangen. Ansonsten seien sie alle alkoholisiert gewesen, es sei herumgeschrien worden, wer was gesagt habe, sei nicht mehr klar. Die Hauptangeklagte Jennifer G. räumt ein, S. mehrfach beleidigt zu haben. Handgreiflich sei sie aber nicht geworden. Cornelia R. hingegen lässt ihren Anwalt erklären, dass sie S. irgendwann an den Haaren gezogen habe. Warum, könne sie sich nicht mehr erklären. Ansonsten habe niemand Dilan S. angefasst und auch nichts Ähnliches beobachtet. Der Prozess wird am 17. April fortgesetzt.
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