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Abschied von X?: Berliner Senat und Parteien stellen Online-Plattform von Musk zunehmend in Frage
In der politischen Kommunikation geht ohne Social Media kaum noch was. Parteien, Fraktionen oder Senatsverwaltungen verfolgen unterschiedliche Konzepte.
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In Berliner Parteien, Parlamentsfraktionen und im Senat wird die Social-Media-Kommunikation via X (früher Twitter) wegen des Agierens von Eigentümer Elon Musk zunehmend hinterfragt. Eine Umfrage der Deutschen Presse-Agentur ergab, dass sechs Senatsverwaltungen in den vergangenen Tagen und Wochen aufgehört haben, X zu nutzen. Die SPD hatte diesen Schritt bereits im Mai 2024 beschlossen.
Die Linke und die Linke-Fraktion im Abgeordnetenhaus stellen ihre Präsenz bei X auf den Prüfstand. Auch bei den Grünen wird X kritisch gesehen. Andere wie die CDU oder die Innenverwaltung setzen weiter uneingeschränkt auf das Portal - vor allem wegen dessen Reichweite. Die AfD, für die der US-Milliardär und Trump-Unterstützer Musk zuletzt mehrfach im Bundestagswahlkampf warb, freut sich über steigende Nutzerzahlen bei X.
Die Senatsverkehrsverwaltung ist nach Angaben eines Sprechers seit einigen Wochen nicht mehr auf X aktiv. „Dazu hat sich das Haus entschlossen, weil sich die aktuelle Ausrichtung der Plattform nicht länger mit unserem Verständnis von demokratischem Diskurs vereinbaren lässt.“ Die Senatsbauverwaltung bedient X sei Dezember nicht mehr. Als Grund nannte ein Sprecher eine „immer extremer werdenden Debattenkultur“ und die Verbreitung von Fake News.
Die Senatsverwaltung für Kultur ist noch bei X dabei, veröffentlicht dort aber seit August 2024 keine Inhalte mehr. „Hintergrund für diese Entscheidung ist die Menge an dort verbreiteter Desinformation und das derzeit nur bedingt einschätzbare Ausmaß an Manipulationen am Algorithmus der Plattform zugunsten bestimmter politischer Inhalte.“ Die Senatsverwaltungen für Wirtschaft, für Soziales und für Gesundheit bedienen X ebenfalls nicht mehr. Die Justizverwaltung war dort nie vertreten - sie ist nur bei Instagram.
Argument Reichweite
Die Innenverwaltung hält hingegen an X fest. Ziel sei, die Öffentlichkeit schnell, transparent und zuverlässig über aktuelle Entwicklungen, sicherheitsrelevante Themen und sportliche Ereignisse zu informieren. „X bietet uns nach wie vor eine Plattform, um eine große Reichweite zu erzielen und eine breite Öffentlichkeit unmittelbar und schnell zu erreichen.“
Linke und Linksfraktion nutzen X derzeit noch, um Multiplikatoren und Interessierte über ihre Arbeit schnell und reichweitenstark zu informieren. „Ernsthafte Debatten und echter Austausch sind aufgrund der Zunahme von Falschinformationen und meinungsverzerrenden Bots jedoch zunehmend schwierig“, so eine Parteisprecherin. „Und auch die journalistische Relevanz der Plattform scheint immer weiter abzunehmen, sodass wir das Engagement auf der Plattform sorgfältig prüfen werden.“
Wir bauen unser Engagement auf diesem Netzwerk aus, weil uns Meinungsfreiheit besonders am Herzen lieg.
Sprecher der Berliner AfD
Die Grünen erklärten: „Wir gehen dahin, wo wir Menschen erreichen und überzeugen können. Das ist bei X immer weniger der Fall, weil das Geschäftsmodell darauf aufbaut, Inhalte zu belohnen, die polarisieren, und die Plattform nichts gegen Hass und Desinformation unternimmt.“ Elon Musk zeige seine offene Unterstützung für rechtsextreme Positionen.
Nach wie vor seien viele Journalisten und andere Meinungsmacher über X aber besser zu erreichen als über andere Plattformen. „Sollte sich das ändern, würden wir ernsthaft prüfen, ob sich der Aufwand, dort Präsenz zu zeigen, noch lohnt.“ Die SPD-Fraktion beschloss gerade auf einer Klausurtagung, bei X zu bleiben.
Gegen Fake-News
Beim CDU-Landesverband ist ebenso wie bei der FDP nicht geplant, die Präsenz auf X einzustellen. „Aufgrund der Möglichkeit, schnell und unmittelbar zu kommunizieren, bleibt die Plattform von Bedeutung“, sagte CDU-Landesgeschäftsführer Dirk Reitze. Ein Sprecher der CDU-Fraktion ergänzte: „Die Relevanz der Plattform ist weiterhin gegeben.“ Bei all ihren Social-Media-Auftritten versuche die Fraktion, durch eine gut verständliche, faktenbasierte Aufbereitung von Inhalten Fake News und Populismus entgegenzuwirken.
Bei der AfD ist X sowohl für Partei als auch Fraktion eine feste Größe. „X erfreut sich sehr hoher Beliebtheit bei den Nutzern, die AfD-Fraktion verzeichnet ebenfalls steigende Nutzerzahlen“, sagte ein Sprecher. „Wir bauen unser Engagement auf diesem Netzwerk aus, weil uns Meinungsfreiheit besonders am Herzen liegt und wir den Eindruck haben, dass in den klassischen Medien nicht ausgewogen genug berichtet wird.“
Politik nutzt viele Dienste
Für ihre Social-Media-Aktivitäten nutzt die Berliner Politik - neben oder anstelle von X - eine ganze Reihe von Portalen. Besonders beliebt sind laut der dpa-Umfrage Facebook, Instagram, Tiktok oder Youtube, teils auch LinkedIn. Die AfD nutzt zudem Telegram.
Stärker in den Blick rücken - gerade als mögliche Alternative zu X - andere textbasierte Plattformen wie Threads, Bluesky oder Mastodon. Hier wollen die Grünen stärker aktiv werden, die SPD ist bei Threads dabei. Die Linksfraktion hat bei allen drei der genannten Plattformen Accounts, ist aber derzeit nur bei Threads aktiv. Die Senatskanzlei sowie die beiden Senatsverwaltungen für Soziales und für Verkehr sind seit wenigen Tagen bei Bluesky. Für viele politischen Player und Institutionen gilt, was ein Sprecher der SPD-Fraktion sagte: „Wir beobachten fortlaufend die Entwicklung der digitalen Plattformen und reagieren mit unserer Kommunikation darauf bei Bedarf.“ (dpa)
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