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Die Gedenkstele auf dem Friedhof Alt-Tempelhof mit Namen von 43 Opfern aus Berlin und Brandenburg. Insgesamt kamen 47 Menschen aus der Region beim Tsunami am 26.12.2004 ums Leben.

© Annette Kögel

„Aktuell ist niemand dafür offiziell zuständig“: Was wird aus der Gedenkstele für die Tsunami-Opfer aus Berlin und Brandenburg?

Vor 20 Jahren verloren 47 Menschen aus Berlin und Brandenburg ihr Leben beim Tsunami in Südostasien. Am 26. Dezember gibt es eine Gedenkandacht. Doch für die Stele fühlt sich niemand zuständig.

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Wenn man durch das geschwungene Feldsteintor des Friedhofes der Dorfkirche Alt-Tempelhof an der Parkstraße geht, sieht man sie linker Hand am Weg liegen: die Gedenkstele für die 47 Berliner und Brandenburger Opfer des Tsunamis am 26. Dezember 2004 in Südasien. Zu ihren Ehren und zum Trost für Hinterbliebene lädt die Kirchgemeinde Alt-Tempelhof zusammen mit der Notfallseelsorge Berlin anlässlich des 20. Jahrestages um 15 Uhr zu einem Gedenkgottesdienst. Doch das langfristige Gedenken ist gefährdet: Nach Tagesspiegel-Recherchen sieht sich niemand für die langfristige Sicherung und den Erhalt der Sandstein-Stele zuständig.

Sie waren schon länger unter der Sonne Thailands, Sri Lankas oder Indonesiens oder wollten dort Urlaub verbringen. Aber dann geschah das Seebeben im Indischen Ozean, und die Menschen wurden auf furchtbare Weise aus dem Leben gerissen. Das Gedenken bleibt wichtig, und so wird es am zweiten Weihnachtsfeiertag in der Kirche eine Andacht mit Gitarrenmusik geben, alle Namen werden verlesen, sagt die stellvertretende Superintendentin des Kirchenkreises Tempelhof-Schöneberg, Martina Steffen-Elis.

Sie wird sprechen, gemeinsam mit Pfarrer Bertram Schirr von der Evangelischen Kirchengemeinde Alt-Tempelhof und Michael. Die Pfarrerin und Notfallseelsorgerin kann sich an die schlimme Zeit noch gut erinnern. Ihre Andacht endet mit einem Innehalten am Gedenkstein, der 2005 als symbolisches Denkmal für die Opfer des Tsunamis errichtet wurde, heißt es in einer ökumenischen Mitteilung. Zur seelischen Fürsorge stehen auch nach der Andacht noch ehrenamtliche Notfallseelsorger in ihren lila Westen bereit.

Aktuell ist niemand dafür offiziell zuständig.

Justus Münster, Notfallseelsorger und Pfarrer

Der amtierende Beauftragte für Notfallseelsorge der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO), Pfarrer Justus Münster, hat sich in den vergangenen Jahren mit der Sandsteinstele beschäftigt, und er sagt: „Klar ist, um diesen Stein muss sich langfristig auch die nächsten Jahrzehnte gekümmert werden. Aktuell ist niemand dafür offiziell zuständig.“

Pfarrer Justus Münster dachte früh daran: Wie wird Berlin zum 20. Jubiläum gedenken, wie die Stele gesichert?

© Annette Kögel

Wie kann das sein? Münster hat sich seit vergangenen Winter hinter den Kulissen gekümmert, und herausgefunden: Die Stele war zum ersten Gedenktag der Naturkatastrophe 2005 auf Initiative von Angehörigen der Selbsthilfegruppe „Hoffen bis zuletzt“ mit Berlins Katastrophen-Seelsorger Jörg Kluge, gemeinsam mit dem Roten Kreuz, aufgestellt worden. Die evangelische Kirchengemeinde Alt-Tempelhof stellte einen unentgeltlichen Platz auf ihrem Friedhof zur Verfügung.

Angehörigen war kein Kontakt möglich

Überlebende wie die Berlinerin Anke George kümmerten sich darum, alle Hinterbliebene zu erreichen, um jedem die Möglichkeit zu geben, den Namen des Angehörigen zu hinterlassen. Doch schon damals gab es Probleme. Die Polizei wollte die Daten wegen Datenschutzes, und der Mühe und Portokosten, damals nicht bereitstellen; andere Bundesländer verfuhren anders. Erst nach einem Artikel in dieser Zeitung konnten die Menschen einander kontaktieren, und Tagesspiegel-Leser spendeten für den Kauf des Sandsteines mit der Welle obendrauf. Angehörige von 43 der Verstorbenen wollten den Namen verewigt haben, an die weiteren vier wird dennoch mit der Stele gedacht.

Kirchenkreis muss Stele nicht prüfen

Laut Justus Münster ist im Jubiläumsjahr die Kirchengemeinde nicht zuständig, da es sich nicht um einen Grabstein handelt, da dort niemand der im Indischen Ozean Verstorbenen physisch beerdigt liegt. Somit sei die Gemeinde nicht dafür verantwortlich, die Stele auf Standfestigkeit und Sicherheit hin zu prüfen. Auch Bezirk oder Land nicht. Auf dem vollen Friedhof wird nicht mehr beerdigt; sollte jetzt Unwetter einen Baum auf die Stele kippen lassen oder sie infolge von Regenausspülungen wackelig werden, wäre auch der Kirchenkreis nicht verantwortlich. Es gibt laut Münster auch keinen Förderkreis, der sich für Spenden zum Erhalt oder der Säuberung der verwitterten Stele zuständig fühlt. Die traumatisierten Angehörigen und Überlebenden hatten andere Sorgen, als einen Verein zu gründen.

Auch aktuell gibt es keine Liste mehr mit Namen und Kontakten, die Daten hatte der inzwischen verstorbene Pfarrer Jörg Kluge. Daher hoffen EKBO und Kirchengemeinde auch, dass die Angehörigen jetzt über die Medien vom Gedenken erfahren.

Vierstelliger Betrag würde reichen

Auf Nachfrage des Tagesspiegels sagte die tellvertretende Superintendentin Steffen-Elis, Interessenten und Spender könnten sich an sie wenden (steffen-elis@ts-evangelisch.de). Die Hauptverantwortung will der Kirchenkreis aber nicht übernehmen, die Opfer stammen nicht alle aus dem lokalen Umfeld, das sei eher ein Fall für die Landeskirchen.

Die EKBO prüft jetzt eine entsprechende Tagesspiegel-Anfrage. Laut Justus Münster würde ein vierstelliger Betrag reichen, um den Sandstein als Stätte der Trauer und der Würdigung langfristig zu erhalten, und er hofft mit den Angehörigen, dass sich ein Träger des Gedenkens findet.

Bei den Opfern des Flugzeugabsturzes der Birgen Air habe die Sorge um den Gedenkstein die Kirchengemeinde Schönefeld übernommen.

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