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Sarrazin

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Berliner Senat: Alles dreht sich bei der SPD um Sarrazin

Unruhe bei Berlins Sozialdemokraten: Viele Personalentscheidungen stehen an. Im Zentrum steht die Zukunft des Finanzsenators Thilo Sarrazin.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Wenn die Berliner SPD-Fraktion am 23. Januar an die Müritz fährt, um drei Tage in Klausur zu gehen, besteht kein Grund für überbordende Partylaune. Die Bevölkerung ist unzufrieden mit der Regierungsarbeit von Rot-Rot, in den Meinungsumfragen gräbt der Koalitionpartner, die Linke, den Sozialdemokraten das Wasser ab und selbst die Beliebtheitswerte des Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit verharren auf eher mittelmäßigem Niveau.

Zudem beginnt das neue Jahr 2009, wie das alte endet: Mit schwer greifbaren Personaldiskussionen, die nur gelegentlich öffentlich werden. Das betrifft nicht nur die mögliche Umbildung des Senats, die Wowereit angeblich nicht will, die aber trotzdem nicht vom Tisch ist. Das gilt auch für die Neuwahl des SPD-Fraktionsvorstands oder die Nominierung der Kandidaten für die Bundestagswahl im September. All dies wird überlagert durch kontroverse innerparteiliche Strategiedebatten: Vor allem zur Schul- und Bildungsreform, zur sozialen Stadtentwicklung, zum Klimaschutz. Nicht zu vergessen der neue Landeshaushalt 2010/11, der vom Senat bis zum Sommer vorgelegt werden muss.

Aber von welchem Senat? Scheidet Thilo Sarrazin tatsächlich aus der Berliner Landesregierung aus, vielleicht mitten in schwierigen Etatdebatten? Dazu hört man verlässlich aus SPD-Kreisen: Wenn der Finanzsenator weg will und einen neuen Job findet, dann darf er gehen. Aber der Vorstandsposten bei der Bundesbank, über den seit langem spekuliert wird, sei Sarrazin noch längst nicht in die Hand versprochen. Zumal auch Brandenburg ein Wörtchen mitzureden hat. Dennoch wird schon vorgefühlt. Der Nachfolger soll deutlich jünger, sozialpolitisch kompatibler, aber genauso fachkompetent wie Sarrazin sein. Über Namen redet Wowereit nicht, auch nicht der SPD-Landes- und Fraktionschef Michael Müller.

Klar ist bisher nur, dass die derzeitigen Berliner Finanz-Staatssekretäre Klaus Teichert und Iris Spranger als Nachfolger Sarrazins nicht in Frage kommen. Gelegentlich wird die Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer genannt, aber das ist wohl mehr ein haltloses Gerücht, das einige SPD-Parlamentarier gern streuen. Vielleicht hätte ja der jetzige Staatssekretär im Bundesfinanzministerium Interesse? Der 42-jährige Jörg Asmussen, ein gelernter Volkswirt, durchsetzungsfähig und dennoch flexibel, wichtigste Stütze von Peer Steinbrück. Sollte die SPD nach der Bundestagswahl im September nicht mehr Regierungspartei sein, muss sich auch Asmussen neu orientieren.

Nun wäre der Abschied des Finanzsenators noch keine Senatsumbildung. Wenn er geht, soll auch Sozialsenatorin Heidi Knake-Werner (Linke) ihren Hut nehmen. Das hört sie aber nicht gern. Als Nachfolgerin stünde die Chefin der Linksfraktion, Carola Bluhm, bereit. Dann gibt es noch die interessante Information, dass der SPD-Chef Müller in den Senat strebt. Als Fraktionsvorsitzender würde ihn dann der bisherige SPD-Fraktionsgeschäftsführer Christian Gaebler ablösen. Er hat das Vertrauen von Wowereit und Müller. Man weiß von Müller, dass er schon 2006 gern Wirtschaftssenator geworden wäre. Aber was geschähe dann mit Harald Wolf? Das Finanzressort bekommt die Linke von der SPD nämlich nicht. Vieles ist also im Fluss – und vielleicht wird doch nichts aus der Senatsverjüngung, auf die selbst in den Koalitionsfraktionen viele Abgeordnete hoffen.

Und wer darf in den Bundestag? Nur Wolfgang Thierse und die Bundestags-Haushaltsexpertin Petra Merkel haben ihr Ticket schon in der Tasche, dahinter drängeln sich viele Kandidaten. Die besten Chancen dürften bei den Männern Swen Schulz und Björn Böhning haben, die zum linken Flügel zählen. Und der Wirtschaftspolitiker Jörg Stroedter, ein rustikaler Fachmann und Repräsentant der SPD-Rechten. Bei den Frauen hat neben Merkel die Europaexpertin Eva Högl gute Karten. Alle weiteren Plätze auf der SPD-Landesliste, die erst im April 2009 aufgestellt wird, gelten derzeit als aussichtslos. Damit könnte nicht nur der Alt-Linke Klaus Uwe Benneter durch den Rost fallen, sondern auch der SPD-Bundesgeschäftsführer Kajo Wasserhövel. Es sei denn, er setzt sich im Wahlkreis Treptow-Köpenick als Direktkandidat gegen den Guru der Linken, Gregor Gysi, durch.

Dann steht im neuen Jahr noch die Neuwahl des Fraktionsvorstands an. Als Chef ist Müller, wenn er nichts Besseres vorhat, unangefochten. Aber die starke SPD-Linke ist unzufrieden, dass auf den vier Stellvertreterposten zwei Rechte sitzen. Das sei zu viel. Die Frage ist, ob Anja Hertel aus Reinickendorf oder der Neuköllner Kreischef Fritz Felgentreu weichen muss. Ja, der Wind weht rauer in der Berliner SPD.

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