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Polizisten vor einigen Tagen in Berlin-Neukölln. Festgenommen wurde ein Mann aus dem Remmo-Clan.

© Odd ANDERSEN/AFP

Exklusiv

Als Vorbereitung auf Machtkämpfe mit Tschetschenen: Clan-Angehörige in Berlin sollen sich Kriegswaffen beschafft haben

Polizisten gehen Hinweisen nach, wonach im Clan-Milieu Maschinenpistolen versteckt wurden. Die Auswertung einer Großrazzia in der vergangenen Woche laufen.

In Berlin reagieren Politik und Polizei auf neue Herausforderungen durch Organisierte Kriminalität (OK). Während Neuköllns Bürgermeister Martin Hikel (SPD) eine einzurichtende Zentralstelle für konfiszierte Immobilien fordert, verfolgen Ermittler nach Tagesspiegel-Informationen derzeit Hinweise auf automatische Schusswaffen im Clan-Milieu.

Zudem werden die Täter des spektakulären Überfalls am Kurfürstendamm gesucht: Vier maskierte Bewaffnete hatten dort am Freitag den Geldtransport einer Bank ausgeraubt. Ein ausgebrannter Fluchtwagen war nach der Tat in Berlin-Schöneberg gefunden worden.

Unabhängig von dem Ku'damm-Bankraub spräche derzeit viel dafür, sagte ein Beamter, dass im Milieu einzelne Maschinenpistolen beschafft wurden, die unter das Kriegswaffenkontrollgesetz fallen. Womöglich hätten bekannte Clan-Kriminelle sie besorgt, um sich auf Auseinandersetzungen mit Banden aus Tschetschenien vorzubereiten.

Erst am Donnerstag hatten 500 Polizisten – darunter Elitekräfte der GSG 9 – in Berlin und Umland 22 Anschriften durchsucht. Zwei Männer im Alter von 22 und 44 Jahren wurden festgenommen, Objekte im Wert von 300.000 Euro sind eingezogen worden.

Die Großrazzia galt unter anderem dem über Berlin hinaus bekannten Remmo-Clan, dessen Mitglieder im Sommer 2020 mit tschetschenischen Familien in Kämpfe verwickelt waren. Ermittelt wird wegen Gewalttaten, Waffen- und Betäubungsmitteldelikten.

Ermittler vor einigen Tagen auf einem Grundstück in Neuhardenberg in Brandenburg. Dort sollten, so der Verdacht, Drogen gelagert werden.
Ermittler vor einigen Tagen auf einem Grundstück in Neuhardenberg in Brandenburg. Dort sollten, so der Verdacht, Drogen gelagert werden.

© Odd ANDERSEN/AFP

Eine "noch zu klärende Rolle" spielten im Umfeld des Remmo-Clans auch Verdächtige, die nicht aus einer deutsch-arabischen Großfamilie stammen, sagt ein Szenekenner. Jene Männer hätten keinen familiären Bezug zu „irgendeinem Einwanderermilieu“ und sollen auch nicht aus etablierten Kreisen der Rocker- oder Hooliganszene stammen.

[Mehr zum Thema: Ex-Bordell-Betreiber packt aus - warum Berliner Clan-Kriminelle so oft zur Schusswaffe greifen (T+)]

Angesichts des Vermögens, das OK-Täter anhäufen könnten, plädiert Neuköllns Bürgermeister Hikel für eine zentrale Stelle im Umgang mit beschlagnahmten Immobilien. Anlass ist die aktuelle Debatte zwischen Bezirksamt, Senat und Öffentlichkeit über die vom Remmo-Clan eingezogene Villa in Berlin-Neukölln.

„Wir werden künftig öfter überlegen müssen, was die Kommunen mit konfiszierten Immobilien machen sollen“, sagte Hikel dem Tagesspiegel. „Das betrifft nicht nur, aber zunächst insbesondere Neukölln. Wir schlagen deshalb vor, dass sich in den Bundesländern absehbar eine Zentralstelle darum kümmert.

Diese Stelle sollte vom Land mit ausreichend Expertise und somit Personal ausgestattet werden. Einiges spricht dafür, eine solche Stelle für Berlin in Neukölln anzusiedeln.“ In den Berliner Behörden wird damit gerechnet, dass künftig öfter mit Beutegeld erworbene Wohnungen an den Staat fallen.

[Mehr zum Thema: Überfälle als Verzweiflungstat? Den Clans geht das Geld aus (T+)]

Im Jahr 2018 waren 77 Wohnungen, Häuser und Laubengrundstücke wegen Geldwäscheverdachts eingezogen worden, die dem Remmo-Clan zugerechnet werden. Berlins Kammergericht bestätigte 2020, dass zwei dieser Immobilien ab sofort dem Staat gehören, darunter die bekannte Villa am Neuköllner Stadtrand.

Das denkmalgeschützte Anwesen wird nun von Hikels Bezirksamt verwaltet. Noch wohnen Angehörige der Großfamilie in dem Haus. Der Neuköllner Jugendstadtrat Falko Liecke (CDU) schlug vor, in der Villa eine Sozialeinrichtung einziehen zu lassen.

Bezirksbürgermeister Martin Hikel (SPD) mit dem Wappen Berlin-Neuköllns am Kragen.
Bezirksbürgermeister Martin Hikel (SPD) mit dem Wappen Berlin-Neuköllns am Kragen.

© imago/Christian Ditsch

Die Idee, eine Zentralstelle für konfiszierte Immobilien zu schaffen, ist aus Verwaltungssicht plausibel. Schon seit Jahren kümmert sich beispielsweise das Ordnungsamt Pankow federführend um Schwarzarbeit in ganz Berlin, im Gesundheitsamt Lichtenberg wiederum befindet sich die Tuberkulose-Stelle für die komplette Hauptstadt.

In den aktuellen Ermittlungen hatten den deutschen Beamten entschlüsselte Datensätze des Kurznachrichtendienstes „Encrochat“ geholfen. Vergangenes Jahr war es französischen und niederländischen Beamten gelungen, das zuvor als abhörsicher geltende Chat-Netzwerk über beschlagnahmte Mobiltelefone zu infiltrieren. Auch in Deutschland aktive Banden, die der OK zugerechnet werden, nutzten „Encrochat“.

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