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Andreas Geisel (SPD) ist seit Dezember 2016 Berlins Innensenator.

© Kay Nietfeld/dpa

Andreas Geisel zu Angsträumen in Berlin: "Wir müssen unsere Regeln durchsetzen"

Innensenator Geisel spricht über die Verwahrlosung des öffentlichen Raumes und "Deutschenfeindlichkeit" in Berlin – und sagt, was er dagegen tun will. Ein Interview.

Herr Geisel, viele Berliner haben offenbar Angst im öffentlichen Raum – dabei ist die Stadt der Kriminalstatistik zufolge sicherer geworden. Warum dann die Furcht?

Die Stadt ist objektiv sicherer geworden. Für den Einzelnen, der angegriffen oder bedroht wird, ist das allerdings unerheblich. Und es gibt tatsächlich das Problem der Verwahrlosung des öffentlichen Raumes in bestimmten Kiezen. Dazu kommt eine lang geübte Zurückhaltung, bestimmte Regeln bei jedem durchzusetzen. Es geht darum, die soziale Kontrolle zurückzugewinnen. Wir tun viel, etwa am Alexanderplatz. Dort sind mehr Polizisten im Einsatz. Wir müssen dort aber auch die Beleuchtung ausbauen, Grünflächen verschönern, öffentliche Räume gestalten.

Es soll, so berichten Lehrer, Erzieher, aber auch Schüler und Eltern, in bestimmten Kiezen eine Art "Deutschenfeindlichkeit" geben: Haben sie so etwas mitbekommen?

Ja, davon habe ich gehört. Nicht als Regelfall, aber durchaus öfter. Das zu verschweigen, wäre falsch. Was können wir dagegen tun? Ganz klar die Integrationsbemühungen intensivieren. Dazu gehören Deutsch- und Ethikkurse für Flüchtlinge, am besten für jeden. Dazu müssen auch Ausbildung, Wohnungen und Arbeit kommen. Bei vielen arabischen Familien, die vor 25, 30 Jahren nach Berlin kamen, wurde das verpasst. Nun müssen wir umso deutlicher unsere Regeln klar machen und sie auch durchsetzen.

Beim Tagesspiegel haben sich auch Sozialarbeiter und Flüchtlingshelfer gemeldet: Sie äußerten – und das ist neu – Verständnis für eine gewisse Angst vor jungen Männern aus Nahost. Unter dieser Angst leiden dann aber auch die zehntausenden Flüchtlinge, die völlig unauffällig integriert sind. Was tun?

Gerade weil sich viele Flüchtlinge integrieren wollen, warne ich vor einer Art Sippenhaft. Wir dürfen aber keine Verfestigung sozialer Milieus zulassen, in denen Frauen ganz selbstverständlich weniger Rechte haben, in denen Gewalt legitimes Mittel ist und in denen völlig andere Regeln des Zusammenlebens gelten. Ich will nicht, dass Rechtspopulisten aus solchen Taten politisches Kapital schlagen, deswegen spreche ich das als Sozialdemokrat an: Für mich ist klar, der Staat muss sich durchsetzen.

Zuletzt gab es vermehrt Angriffe auf Sanitäter, Polizisten berichten von solchen Fällen vor allem an U-Bahnhöfen und Plätzen. Wie ist die Stimmung an der Basis?

Ja, solche Übergriffe auf Sanitäter, Polizisten und Feuerwehrleute haben zugenommen. Wobei die Täter nicht nur Männer aus muslimischen Familien sind. Solche Taten werden auch in ganz anderen Milieus begangen. Solche Angriffe werden nach den Gesetzesänderungen der vergangenen Monate härter bestraft. Das begrüße ich sehr.

Neuköllns Integrationsbeauftragter Arnold Mengelkoch sagt, die Flüchtlinge am Hermannplatz wüssten genau, dass sie nach jeder Festnahme zügig frei kämen: Er befürchtet, Berlin stehe eine neue Welle der Gewalt bevor.

Das sehe ich nicht so, die Zukunft ist noch nicht geschrieben. Die Zahl der Taten steigt jedenfalls nicht. Und durch Polizeipräsenz lässt sich viel erreichen. Am Kottbusser Tor konnten wir die Kriminalität zurückdrängen. Mit politischem Willen und dem Einsatz auf der Straße lässt sich eine Menge bewegen.

Braucht der Rechtsstaat für Dauerstraftäter, die sich durch die Strafen hierzulande nicht abschrecken lassen, andere Instrumente?

Den Rechtsstaat sollten wir jedenfalls nicht in Frage stellen. Die Frage ist: Wie erhöhen wir die Sicherheit, ohne die Freiheit aller einzuschränken? Ich halte es dazu mit der verstorbenen Jugendrichterin Kirsten Heisig: Der Tat muss die Strafe auf dem Fuße folgen. Das bedeutet aber auch, mehr und spezialisiertes Personal in der Justiz anzustellen. Das macht die Senatsjustizverwaltung auch.

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