
© TSP/Niklas Bessenbach
Asbest-Fund am Berliner Jahn-Sportpark: „Zuhause sofort duschen, das ist scheiße gefährlich“
Als das Jahn-Stadion abgerissen wurde, wurde Asbest gefunden. Seit einem Monat liegt es dort. Wie finden das Menschen, die sich im Mauerpark erholen wollen?
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Davine Vleerbos sieht aus, als käme sie gerade vom Yoga mit den Leggins und den hochgezogenen weißen Sportsocken, als sie mit ihrem Kind auf einer Decke kuschelt. Auf den Spielplatz im Mauerpark geht die 32-Jährige mehrmals die Woche. Sie wusste bisher nicht, dass Asbest beim Abriss des Jahn-Stadions gefunden wurde – und der krebserregende Stoff noch immer dort liegt.

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„Ich bin Journalistin und habe es nicht gelesen“, sagt sie. „Jetzt, wo ich es weiß, werde ich wahrscheinlich nicht mehr drei Mal, sondern nur noch ein Mal in der Woche kommen.“ Besorgt über Stadtluft sei sie nicht, sagt sie. Man wisse ja, wenn man in der Großstadt lebt, dass man nicht immer gesunde Luft einatmet.
Mit Kind den Abriss angeguckt
Auch die Eltern Julia Kamenz und Martin Eikenbusch hören an dem Tag zum ersten Mal vom Asbest im Bauschutt. Sorge habe er nicht, sagt der Vater, einfach, weil er nicht so genau wisse, was Asbest anrichte, wie viel in der Luft sei, wie weit es sich verbreite. „Genau!“, sagt die Mutter, „Kommt es überhaupt bis hier hin?“ Mit ihrem Kind habe sie am Bauzaun gestanden, während des Abrisses. „Das haben viele Eltern so gemacht. Hätte ich das da schon mit dem Asbest gewusst, ich wäre weitergegangen.“
Seit fast einem Monat lagert nun schon Asbest auf der Baustelle. Bisher gibt es keinen Termin, wann er beseitigt wird. Der Tagesspiegel ist deswegen einmal um die Baustelle gelaufen, um mit Eltern, Boule-Spielern, Sprayern, Spaziergängern und Menschen zu reden, die in der Nähe arbeiten.
Senatverwaltung weist Kritik zurück
Die „Bürgerinitiative Jahnsportpark“ kritisiert das Vorgehen der Senatsbauverwaltung und stellte sogar Strafanzeige. Ihrer Ansicht nach gefährde der schwach gebundene Asbest die Gesundheit der Menschen in der Umgebung, schon bei einem kurzen Aufenthalt.
Die Senatsverwaltung wies die Kritik zurück. Vom Asbest gehe keine Gefahr aus. Bei der Sicherung der Asbest-Haufen würden „die gesetzlichen Vorgaben konsequent umgesetzt“. So habe man den Schutt mit Planen abgedeckt, mit Wassernebel zur Vermeidung von Staubemissionen besprüht und die Arbeiter mit Schutzmasken ausgerüstet.
Regina ist im Boule-Verein. Sie steht im Schatten der Bäume, im Hintergrund spielen die anderen Boule. Als eine der wenigen bei der Umfrage wusste Regina vom Asbest auf der Baustelle. Von etwa 15 Befragten wussten es nur 2. „Ich habe das gelesen und finde es schrecklich“, sagt Regina. „Aber ich bin danach genauso oft hergekommen wie sonst auch.“ Schön sei es nicht, aber sie wolle sich nicht einschränken lassen. Sie denkt, dass sich das Asbest in der Luft so verteilt, dass es nicht schädlich ist. „Wir sind ja schon weit weg“, sagt sie, guckt in Richtung des Stadions, und, als sie die Flutlichter sieht, sagt sie: „Naja, so weit auch nicht.“ Jedenfalls werde sie jetzt nicht mit Maske spielen.

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Inzwischen sei sie auch zu alt, um sich darüber große Sorgen zu machen. Regina ist in Brandenburg aufgewachsen, als dort noch Kohlekraftwerke die Luft verpesteten. „Die Fenster waren rußbedeckt“, sagt sie. Dagegen sei der Mauerpark ein hübsches Biotop.
„Das Zeug ist extrem krebserregend“
Oben an der Mauer sprayen Theodor und Arne, beide 16 Jahre alt, die Buschstaben BES in Silber an die Wand. Das stehe für Bescheißer. Der Name ihrer Gruppe. Vom Asbest hinter der Mauer hören sie das erste Mal. Theodor sagt, seine Familie komme oft sonntags zum Flohmarkt her. „Die werde ich jetzt warnen“, sagt er. Was seine eigene Gesundheit angeht, interessiere es ihn nicht wirklich. „Ich spraye ja auch ohne Maske. Ist cooler so“, sagt er.
Weiter unten steht Suzanne Audibert im Hundeauslauf. Auch sie wusste nichts vom Asbest. Neben ihr steht ein Freund, der seinen Namen nicht veröffentlichen will. Er komme regelmäßig in den Park, um einen Joint zu rauchen. „Ist nicht toll“, sagt er über den Asbest, „man weiß ja, dass das Zeug extrem krebserzeugend ist.“ Audibert sagt: „Auch für die Hunde schlecht.“

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Dann fallen ihr drei Jungs auf, die von der Baustelle kommend sich durch einen Zaun zwängen. „Hey“, ruft sie zu ihnen, fragt nach ihrem Alter. „14“, sagen zwei, der dritte schweigt.
Suzanne setzt zu einem Verhör an.
„Wisst ihr, warum da Bauzäune sind?“
„Nö“, sagt einer. Ein anderer: „Weil da Sand aufgeschüttet wurde?“
„Da liegt Asbest rum. Zu Hause sofort duschen“, befiehlt sie. „Das ist scheiße gefährlich.“
Kopfschüttelnd folgt sie ihnen, wie sie mit ihren breiten Jeans den Abhang runterlaufen. Ihr Freund sagt nach einer Weile: „Ich finde krass, dass die Stadt hier keine Schilder aufstellt, um die Leute zu warnen.“
„Ich habe andere Probleme als Scheißasbest.“
Ein Mann, der in der Nähe des Stadions arbeitet, sagt: „Ich habe andere Probleme als Asbest.“ Er höre zum ersten Mal davon, bedankt sich für die Information, nehme sie zur Kenntnis und blickt Richtung Tür. Dann sagt er, er könne sich gut vorstellen, dass – wie formuliere er das jetzt richtig, gerade in Prenzlauer Berg Mitbürger vorne dabei seien, wenn es darum geht, ein Fass aufzumachen. „Sollen sie machen, nicht meine Baustelle, nicht mein Krieg.“
Er sei dem Tod zwei Mal, seine Mutter drei Mal von der Schippe gesprungen. „Dass ich 38 Jahre alt werde, lag bei 0,00001 Prozent. Die Chance habe ich ergriffen.“ Das fühle sich an wie ein 6er im Lotto mit Zusatzzahl. „Ein Häufchen Asbest ficht das jetzt nicht an.“ Übertriebene Ängste würden die Lebensfreude mindern, es komme ihm auf ein positives Mindset an. Er laufe morgens und abends nur ein paar Minuten an der Baustelle entlang, sein Risiko schätzt er daher als gering ein. Aber: Er findet auch, die Stadt hätte die Anwohner informieren müssen.
Am Ende des Rundgangs eine Frau mit Kind. Ja, sie habe vom Asbest gelesen und währenddessen gedacht: „Toll, da warst du ja mehrmals, als das Stadion abgerissen wurde.“ Staubig sei es gewesen. Sie wisse bloß nicht, wie gefährlich Asbest wirklich sei. Aber wie man sehe, sie laufe hier immer noch lang.
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