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Barrierefreiheit ist kein Firlefanz: Die BVG muss sparen – aber bitte nicht bei den Aufzügen!
Die BVG ist wegen der Tarifsteigerungen in Geldnot. Sicher gibt es viele Stellen, wo das Unternehmen sparen kann. Aber bitte keine Angebote kürzen, die für Fahrgäste mit Einschränkungen unverzichtbar sind.

Stand:
Berlin atmet auf: Endlich droht dank der Tarifeinigung der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) und Verdi kein Streik mehr. Doch für das Unternehmen bedeuten die insgesamt 140 Millionen Euro mehr an Ausgaben eine „hohe wirtschaftliche Belastung“. Auf einen höheren Zuschuss vom Land ist zumindest in diesem Jahr noch nicht zu hoffen. Also heißt es in Berlin mal wieder: Sparen! Nur wie?
Effizientere interne Abläufe, Stellen abbauen, so erste Ansätze der BVG, um die Belastung zu stemmen. Das wird bei Weitem nicht reichen. So werden gleich wieder Forderungen laut, was man alles abschaffen könnte, um sich durch die Krise zu sparen: Zum Beispiel könne man doch auf den Fahrdienst (Muva-Busse) verzichten, der einen zur nächsten Station bringt, wenn der Aufzug zum Bahnsteig mal wieder nicht funktioniert. Und muss man wirklich an jeder ollen Station den defekten Aufzug reparieren?
Ja, muss man! Es ist katastrophal, dass es in der Hauptstadt kaum möglich ist, die öffentlichen Verkehrsmittel reibungslos zu nutzen, wenn man im Rollstuhl sitzt, einen Kinderwagen schiebt oder aus sonst einem Grund keine Treppen steigen kann. Barrierefreiheit ist kein Firlefanz, den sich Diversitätsbeauftragte ausgedacht haben, um der Stadt einen „woken“ Anstrich zu geben. Sie ist für viele Menschen lebensnotwendig: ob für Mütter, Väter, ältere oder bewegungseingeschränkte Menschen.
U-Bahnhöfe sollten saniert und instand gehalten werden
Übrigens heißt „Behinderung“ nicht immer gleich, im Rollstuhl zu sitzen. Es kann auch heißen, eine chronische Erkrankung wie Multiple Sklerose oder Long Covid zu haben. Die „Disability Studies“ regen im Sinn der Gleichbehandlung aller einen Perspektivwechsel an und sprechen davon, dass Menschen nicht an sich „behindert sind“, sondern dies erst durch äußere hinderliche Umstände werden. Außerdem: Jeder Körper ist verletzlich, kann plötzlich auf Unterstützung angewiesen sein. Das sollte man sich vor Augen halten, wenn man über Infrastrukturen diskutiert.
Es wäre fatal für die demokratische Gesellschaft, wenn wir Städte weiterhin auf den funktionstüchtigen Normkörper ausrichten würden. Die Erfahrung, ausgegrenzt zu werden, kann bestehende Gräben vertiefen, Frust auf Entscheider und Institutionen schüren.
Auch U-Bahnhöfe in Rudow oder in Hellersdorf sollten also bitte saniert und instand gehalten werden. Für Menschen, die in der Mitte der Stadt wohnen und ein BVG-Ticket für den C-Bereich nur für die Fahrt zum Flughafen lösen, mögen dies Marginalien sein. Aber ja, auch in den Außenbezirken wohnen Menschen.
Klar, es lassen sich Angebote der BVG hinterfragen. Und zwar solche, die der eigenen Markenbildung dienen, etwa der im Tagesspiegel bereits kritisierte Spotify-Kanal. Oder teure Imagekampagnen: 2024 lieferte die Hochglanz-Werbeagentur Jung von Matt einen aufwendigen Videoclip, der BVG-Kunden zu Sauberkeit animieren soll. Eine PR-Aktion ohne klaren Nutzen. Die 2015 gestartete #weilwirdichlieben-Kampagne kostete das Unternehmen 3,5 Millionen Euro jährlich.
Das Muster der Sitzbezüge, das die Agentur damals für die BVG neu entwarf, heißt „pattern of diversity“ (Muster der Vielfalt). „Vielfalt“ ist ein gern genutzter Marketingslogan. Aber ob diese in Berlin gelebt werden kann, hängt auch davon ab, wie gut Rolltreppen, Aufzüge und Blindenleitsysteme in Schuss sind. Auch unter Sparzwängen sollten die richtigen Prioritäten gesetzt werden.
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