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Der Wohnungsbau in Deutschland hat zu Jahresanfang etwas an Schwung gewonnen.

© Ronald Patrick

Wohnungen in Berlin: Bau Paradox

Touristen und Neuberliner zieht es in die deutsche Hauptstadt. Doch die übt sich vor allem in Mangelverwaltung. Gestaltungswille, Dynamik und Beschleunigung stehen auf der politischen Agenda weiter unten.

Die Geschäfte gehen gut, doch die Lage ist schlecht. Es ist sehr paradox, was sich in der Hauptstadtregion derzeit abspielt. Einerseits wirkt Berlin wie ein Magnet auf Touristen und auf Zuzügler aus aller Herren Ländern. Eine absolut positive Entwicklung. 3950 Einwohner leben derzeit auf einem Quadratkilometer in der deutschen Hauptstadt. Es ist also noch viel Platz, wenn man einen – zugegeben extremen – Vergleich mit Paris heranzieht. Die Seine-Metropole ist mit 21 000 Einwohnern pro Quadratkilometer die am dichtesten besiedelte Großstadt Europas. Andererseits steht man in Berlin auf der Bremse: Die Mietpreise müssen begrenzt werden, es gibt Umwandlungsverbote für Privat- in Ferienwohnungen, immer mehr Milieuschutzgebiete mit ihren Investitionshemmnissen, die kommunalen Wohnungsgesellschaften scheinen das Interesse am sozialen Wohnungsbau verloren zu haben.

Hat Berlin keine Lust auf Gestaltung, keine Lust auf Zukunft? Die Entwicklung neuer Quartiere dehnt sich mancherorts bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag. Hochhäuser will man zwar – aber eigentlich nicht so richtig, schon gar nicht unbedingt dort, wo Investoren Potenziale sehen. Deshalb muss nun erst einmal ein Hochhausrahmenplan her. Auch das kann also dauern.

Das wirtschaftliche Getriebe, dessen Teil Berlin ist, nimmt wenig Rücksicht auf dergleichen Befindlichkeiten und den Verlauf von Partizipationsverfahren. So gibt es reichlich Grund zum Meckern (was dem Berliner ja auch nicht komplett fremd ist): Die Bauwirtschaft ist so gut ins Jahr gestartet wie seit 2011 nicht mehr. Inzwischen entscheidet nicht mehr der Bauherr, wann gebaut wird, sondern der Betrieb, der das realisieren soll. Die Preise für den Neubau steigen also. Gegenüber dem Februar kostete die Errichtung eines konventionell gefertigten Wohngebäudes im Februar vier Prozent mehr als im Vorjahresmonat. „Das ist der höchste Anstieg der Baupreise seit November 2007 mit 5,8 Prozent“, teilt das Statistische Bundesamt Anfang dieser Woche mit. Doch das sind die bundesweiten Zahlen; in Berlin kostete der Neubau im Februar 5,5 Prozent, in Brandenburg 4,9 Prozent mehr als im Februar 2017.

Baugrundstücke und Fachkräfte fehlen

Weil immer mehr Menschen in Berlin „hängen bleiben“ – zieht man den Saldo aus Zu- und Abwanderung, ist mit einem Plus von 50 000 Menschen pro Jahr zu rechnen –, wird das Wohnungsgut knapp. Die Preise steigen. Das Bundesfinanzministerium rechnet zwar für die kommenden Jahre mit steigenden Zinsen. Doch noch sind sie niedrig. Wer sein Geld anlegen möchte, sucht sich also eine Immobilie – in Ermangelung von Alternativen. Die Folge: Die Preise steigen.

Diese Parameter könnten ein Grund sein, administrative Hürden so gut wie möglich beiseitezulegen und rasch zur (Bau-)Tat zu schreiten. Das aber geschieht nur mit Abstrichen und betrifft nicht nur Berlin, sondern auch andere Großstädte.

Die mittelständische Immobilienbranche führt das schleppend verlaufende Geschäft auf den „Mangel an Bauland“ zurück, meint aber eigentlich etwas anderes. „Die größte Hürde für Investitionen in den notwendigen Neubau ist laut 97 Prozent der Befragten die fehlende Verfügbarkeit von Baugrundstücken“, teilte der Bundesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen e. V. (BFW) am Dienstag nach der Auswertung seines aktuellen Konjunkturumfrage mit. „Trotz der derzeit guten Geschäftslage erwartet die mittelständische Immobilienbranche langfristig sinkende Baufertigstellungszahlen", sagte BFW-Präsident Andreas Ibel bei der Vorstellung des BFW-Neubauradars in Berlin. Fast 60 Prozent der befragten Mitgliedsunternehmen geben in der BFW-Konjunkturumfrage an, dass sich die Rahmenbedingungen für den Neubau im vergangenen Jahr weiter verschlechtert haben. „Gründe dafür sind vor allem der Mangel an Baugrundstücken und Fachkräften sowie die administrativen und bauordnungsrechtlichen Hindernisse“, sagte Ibel: „Wenn die Politik hier keine Gegenimpulse setzt, werden die Baufertigstellungszahlen nach einem kurzen Anstieg auf 300 000 Wohneinheiten in den kommenden Jahren auf 250 000 oder noch darunter zurückgehen. Aufgrund der hohen Erstellungskosten betrifft dies vor allem den Neubau im bezahlbaren Segment.“

Genehmigungsverfahren dauern zu lange

Kommt es zu dieser negativen Entwicklung, sind die Folgen für Mieter der vorhandenen Wohnungen leicht zu prognostizieren: Einmal mehr steigen die Preise.

Die Planungs- und Genehmigungsverfahren dauern, auch in Berlin (das je nach Bezirk jedoch ein uneinheitliches Bild bietet). Lange Planungs- und Genehmigungsverfahren sind aber ausgesprochene Kostentreiber, vor allem für die kommerziellen Projektentwickler: Welche Preise sollen sie denn kalkulieren, wenn sie gar nicht wissen, wann ihr Bau fertig werden könnte?

Neben der Verfügbarkeit von Bauland ist der Mangel an Baukapazitäten inzwischen ein größeres Hemmnis für den Wohnungsneubau, als dies noch vor einigen Jahren der Fall war. Rund 76 Prozent der Befragten finden es laut BFW-Umfrage heute „schwieriger, auf dem Markt freie Kapazitäten – etwa Fachplaner und Baufirmen – zu finden“. Eine Vereinfachung von Vorschriften würde die Prozesse beschleunigen.

Beschleunigung statt Entschleunigung ist also das Gebot der Stunde: In Deutschland fehlen 1,9 Millionen „bezahlbare“ Wohnungen, stellte die gewerkschaftsnahe Hans-Böckler-Stiftung in einer Studie ebenfalls in dieser Woche fest. In der Hälfte aller deutschen Haushalte lebt in den Großstädten nur eine Person (wobei Berlin die Single-Hauptstadt Deutschlands ist).  In der Hauptstadt fehlen die meisten Unterkünfte, nämlich 310 000, folgt man der Böckler-Studie.

Als bezahlbar gilt eine Wohnung, wenn die Bewohner nicht mehr als dreißig Prozent des verfügbaren Einkommen dafür aufwenden müssen. Gemeint ist hier die Miete mit Neben-, aber ohne Heizkosten.

Das Gute kommt (fast) zum Schluss. Wie das Statistische Bundesamt mitteilte, wurden im Januar in Deutschland insgesamt 24 800 Wohnungsneubauten genehmigt. Ohne Berücksichtigung von Wohnungen in Wohnheimen sei die Zahl der Baugenehmigungen im Vergleich zum Vorjahresmonat damit um insgesamt 1,8 Prozent angestiegen. Doch die Wohnheime sind andererseits gerade in Berlin Mangelwaren: Die Wohnungen in Wohnheimen ging bundesweit um 56,6 Prozent zurück – zu ihnen zählen auch Flüchtlingsunterkünfte. So wird der Wohnungsmarkt in Berlin einmal mehr enger, vor allem für Studenten, die auf preiswerten Wohnraum angewiesen sind.

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