zum Hauptinhalt
Die beiden Berliner SPD-Landesvorsitzenden Franziska Giffey und Raed Saleh.

© dpa/Jörg Carstensen

Update

„Berlin hat keinen Personenkult verdient“: Giffeys Karriere als SPD-Chefin könnte sich dem Ende zuneigen

Nach dem knappen Mitgliedervotum mehren sich kritische Stimmen. Doch Franziska Giffey will am Landesvorsitz festhalten. Aus der Partei kommen Vorschläge nach Trennung von Amt und Mandat.

| Update:

Am Tag nach dem SPD-Mitgliedervotum konzentriert sich ihre Partei vor allem auf sie: Franziska Giffey. Die bisherige Regierende Bürgermeisterin und Landesvorsitzende hatte das dürre Ergebnis von 53,4 Prozent noch am Abend verteidigt, sprach von einem „deutlichen Abstand“. Viele in der Partei wunderten sich über diese Interpretation – sogar über eine mögliche Abwahl noch im Mai wurde spekuliert.

Am Montagabend sagte Giffey dann, dass sie an ihrer Rolle als Landesvorsitzende ihrer Partei festhalten wolle. „Wir haben nächstes Jahr reguläre Parteiwahlen, dann steht diese Frage an – jetzt nicht. Wir haben keine Veranlassung, dieses Thema jetzt zu behandeln“, sagt sie bei der Vorstellung der neuen SPD-Senatsmitglieder im Berliner Abgeordnetenhaus und verwies auf das gewonnene Mitgliedervotum. Giffey selbst wird als Wirtschaftssenatorin dem neuen Senat angehören.

Zuvor hatte es teils deutliche Statements in Richtung der Landesspitze gegeben. „Ich bin zunehmend verwundert über die Kommunikation, die wir als SPD an den Tag legen“, sagte SPD-Politiker Kevin Hönicke, der stellvertretender Bürgermeister und Baustadtrat in Lichtenberg ist, dem Tagesspiegel am Montag. „Das Wahlergebnis, der Weg in eine Koalition mit der CDU und das Ergebnis des Mitgliederentscheids hätten Demut verlangt und nicht ständig Superlative.“ Hönicke ist auch Mitglied im SPD-Landesvorstand.

Der Politiker kritisiert die Fixierung auf bestimmte Persönlichkeiten, ohne dabei allerdings konkrete Namen zu nennen: „Berlin hat endlich eine ordentliche Regierung und keinen Personenkult verdient. Meine Mutterstadt hat schon viele Politiker erlebt, überlebt oder genießen dürfen“, sagte Hönicke. „Niemand ist unersetzlich.“ Er erwarte, dass die Partei nun endlich ordentlich regiere und damit die Öffentlichkeit erreiche.

„Breite der Partei sichtbar machen“

Tatsächlich sind die Personaldebatten längst im vollen Gange. Der Neuköllner Bundestagsabgeordnete Hakan Demir hatte sich schon am Sonntagabend für eine Trennung von Spitzenparteiämtern und Regierungsposten ausgesprochen.

Ich wünsche mir, dass wir ähnlich wie auf Bundesebene vorgehen.

Hakan Demir, SPD-Bundestagsabgeordneter

Um neue Führungspersonen zu finden, möchte er sich ein Beispiel an der Bundes-SPD nehmen: „Ich wünsche mir, dass wir ähnlich wie auf Bundesebene vorgehen“, sagte Demir dem Tagesspiegel am Montag. 2019 hatte die Bundes-SPD in einer Mitgliederbefragung unter sechs Kandidatenpaaren eine neue Parteispitze gesucht.

Demir ist mit Blick auf den Prozess in Berlin offen. Wichtig sei ihm die Aufstellung mehrerer möglicher Führungsduos, die sich auf dem Parteitag 2024 zur Wahl stellen könnten. „Die Breite der Partei sollte durch die Kandidaturen sichtbar sein“, sagte er.

Parallel zu diesem Prozess müsse es eine echte Problemanalyse geben. „Wir müssen in den Gremien ausloten, wie der Prozess der Neuaufstellung aussehen kann. Ich rufe alle auf, daran mitzuwirken“, erklärte Demir.

Landesvorsitzende sind für zwei Jahre gewählt

Dass die Parteispitze aber schon vor 2024 ausgewechselt werden könnte, gilt als unwahrscheinlich. Der Hintergrund: Ende Mai findet zwar schon der nächste Landesparteitag der Berliner Sozialdemokraten statt. Doch die Wahl der Landesvorsitzenden steht dann nicht an. Sie sind immer für zwei Jahre gewählt – die nächste reguläre Neuwahl ist erst in der ersten Jahreshälfte 2024 geplant.

Eine personelle Neuaufstellung bereits im Mai wäre wohl kaum durchsetzbar. Die Hürden dafür liegen hoch. Zwar gäbe es theoretisch die Möglichkeit, einen Abwahlantrag zur Parteispitze einzubringen. Dieser bräuchte aber eine Zweidrittelmehrheit. Selbst unter den Befürwortern personeller Veränderungen gilt es als unwahrscheinlich, dass diese erreicht würde.

Die Vielzahl an Stimmen, die sich eine Erneuerung wünschen, könnte darauf hindeuten, dass Giffeys Parteikarriere in absehbarer Zeit ein Ende findet. Sie wäre dann, sollte es dazu kommen, ab 2024 nur noch Senatorin.

Ob sich ihr Co-Vorsitzender Raed Saleh in so einem Fall halten könnte, ist fraglich. Er wird der neuen Regierung nicht angehören, aber weiterhin Fraktionsvorsitzender bleiben – wie bereits seit 2011. Er müsste gut begründen, inwiefern er für einen Neuanfang stünde.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Ob es wirklich zu einer personellen Neuaufstellung kommt, hängt darüber hinaus wohl auch davon ab, wie viel Druck die innerparteilichen Kritiker bis dahin machen.

Trennung von Spitzenparteiämtern und Regierungsposten

Wie Hakan Demir hatten sich auch die Berliner Jusos, die gegen die Koalition mit der CDU mobilisiert hatten, noch am Abend der Ergebnisbekanntgabe für eine Trennung von Spitzenparteiämtern und Regierungsposten ausgesprochen. Ein Blick in die Bundespartei zeige, dass die SPD davon profitiere, sagte die Juso-Vorsitzende Sinem Taşan-Funke.

Mit Blick auf die tiefe Spaltung der Partei fordern auch die Berliner Abgeordneten Mathias Schultz und Linda Vierecke eine Neuaufstellung.

Ähnlich äußerte sich die Abgeordnete Tamara Lüdke sowie der Vorsitzende der SPD Mitte, Yannick Haan. Sie alle erwarten von ihrer Partei einen Neuanfang. Auch die SPD-Bundestagsabgeordneten Annika Klose und Ruppert Stüwe äußerten sich ähnlich.

Es werden unangenehme Tage für Giffey.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false