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Die Karl-Bonhoeffer-Nervenklinik, Oranienburger Strasse, in Reinickendorf ist eine von zwei Kliniken des Maßregelvollzugs in Berlin.

© imago/Schöning

Modernisierungen für 53 Millionen Euro: Berliner Senat will Krankenhaus des Maßregelvollzugs ausbauen

Der Platzmangel im Maßregelvollzug ist eklatant, die Klinik in Reinickendorf soll nun ausgebaut werden. Kurzfristig müssen trotzdem neue Standorte gefunden werden.

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In der Debatte um Berlins überlasteten Maßregelvollzug möchte die von Ulrike Gote (Grüne) geführte Senatsgesundheitsverwaltung für 53 Millionen Euro Modernisierungen durchführen. Diese Summe werde man für den nächsten Landeshaushalt beantragen, sagte ein Sprecher, sie sei für „die dringend nötige Erweiterung“ des Krankenhausareals in Reinickendorf vorgesehen.

Durch den Ausbau des auf dem Gelände befindlichen Hauses 8 sollen 60 neue Plätze geschaffen werden. Der geplante Ausbau wird allerdings auch im schnellsten Fall bis 2025 dauern. Um den Platzmangel dieser Tage zu beheben, sucht die Senatsgesundheitsverwaltung stadtweit nach externen Gebäuden, die zügig – nach entsprechenden Sicherheitsmaßnahmen – belegbar sind. Dafür suche man mit der Berliner Immobilienmanagement GmbH; die BIM verantwortet mehr als 5.000 landeseigene Immobilien.

Das Krankenhaus des Maßregelvollzugs, in dem psychiatrisch auffällige und drogenaffine Straftäter einsitzen, ist seit Jahren überlastet. Allein im Februar wurden zwei zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilte Berliner freigelassen, weil dort kein Platz frei war. Noch mindestens 15 weitere Gefangene sitzen in regulärer Haft, obwohl sie Anspruch auf Maßregelvollzug haben – auch sie könnten nun Jahre vor Ablauf ihrer Strafen entlassen werden.

Auf dem Gelände der früheren Karl-Bonhoeffer-Nervenklinik an der Oranienburger Straße in Reinickendorf befindet sich der Hauptstadtort des Maßregelvollzugs. Eine kleinere, zur Gesamteinrichtung gehörende Klinik gibt es in Buch. Insgesamt gibt es 541 ordnungsbehördlich genehmigte Betten, stationär versorgt werden aber 600 Häftlinge, davon 90 Prozent Männer.

64
ist der Strafrechtsparagraf, um den sich die Debatte dreht

In den letzten Jahren stieg die Zahl derjenigen, die zu Maßregelvollzug statt regulärer Haft verurteilt wurden. Dabei entschieden Gerichte meist auf Basis des Strafrechtsparagrafen 63, wonach Täter in einem „psychiatrischen Krankenhaus“ (etwa wegen Schizophrenie) unterzubringen sind. Zunehmend geht es auch um den Paragrafen 64, wonach die Strafe in einer „Entziehungsanstalt“ (wegen Drogenmissbrauchs) abzusitzen ist.

Auf den „64er“ zu zielen, kann vor Gericht eine Verteidigerstrategie sein. Denn es reicht ein attestierter „Hang zu Sucht“ des Angeklagten, es muss also keine klare Abhängigkeitsdiagnose vorliegen. Zudem kann die Strafe im Maßregelvollzug nach der Hälfte ausgesetzt werden, in regulärer Haft müssen Täter zwei Drittel absitzen.

Aus den Kliniken des Maßregelvollzugs gibt es deshalb bundesweit Kritik an der Praxis. Zwei Jahre lang prüften die zuständigen Ministerien dazu Reformvorschläge. In ihrem Abschlussbericht kam eine Bund-Länder-Gruppe 2022 zum Ergebnis, dass zu viele Täter im Maßregelvollzug untergebracht werden, die eigentlich in ein reguläres Gefängnis gehörten. Nun soll der Paragraf 64 novelliert werden.

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