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Ein Wahrzeichen im Osten Berlins: die Seilbahn zwischen Marzahn und Hellersdorf.

© Britta Pedersen/dpa

Exklusiv

Berliner Senat verweigert Finanzierungszusage: Der Erhalt der IGA-Seilbahn ist gefährdet

Seilbahnen sind besonders ökologische Verkehrsmittel. Aber bisher fehlt eine dauerhafte Finanzierung für die Bahn. Der Bezirk Marzahn-Hellersdorf ist verärgert.

Mit ihnen kann man dem Stau einfach entschweben – mit diesem Versprechen erobern Seilbahnen seit einigen Jahren die Großstädte. Gerade in Lateinamerika – etwa in Mexiko-Stadt, La Paz und Medellín – haben die elegant dahingleitenden Gefährte bereits zur Lösung von Verkehrsproblemen beigetragen.

Und auch in zwei deutschen Städten wird derzeit untersucht, ob Seilbahnen den öffentlichen Nahverkehr ergänzen können. In München geht es dabei um die Erschließung eines Gewerbegebiets. In Bonn soll auf diese Weise die Uniklinik auf dem Venusberg an Straßenbahn und Regionalbahn angebunden werden.

Berlin hat bereits seit der Internationalen Gartenausstellung 2017 eine Bahn. Doch ob die Gondeln dauerhaft durch die Luft von Marzahn schweben, ist weiterhin offen. Der Erbauer der Seilbahn – die Firma Leitner aus Südtirol – lässt die Kabinen noch bis Ende dieses Jahres in Eigenregie zwischen dem U-Bahnhof Kienberg und den Gärten der Welt kreisen. Bereits jetzt ist allerdings klar: Eigenwirtschaftlich lässt sich die Bahn dauerhaft nicht betreiben.

Seit 2018 ringen Senat und Abgeordnetenhaus nun um eine Lösung für den Erhalt der Seilbahn. In den nächsten zwei Jahren werden die Betriebskosten durch den Haushalt der Grün Berlin GmbH gedeckt. Der Senat gewährt der städtischen Betreiberfirma der Gärten der Welt 2021 dafür einen Zuschuss von 1,053 Millionen Euro. Zudem verhandelt die Grün Berlin momentan mit Leitner über einen langjährigen Weiterbetrieb. Doch hier droht inzwischen – nun ja – eine Hängepartie.

Die Finanzverwaltung blockiert

Eigentlich sollte eine entsprechende Vereinbarung im September in den Hauptausschuss des Abgeordnetenhauses eingebracht werden. Aber die Senatsverwaltung für Finanzen habe das Papier im letzten Moment zurückgezogen, berichtet der Biesdorfer Abgeordnete Stefan Ziller (Bündnis 90/Grüne). Dabei sei man sich im Hauptausschuss weitgehend einig. „Auch die Haushaltspolitiker der SPD wollen die Seilbahn erhalten.“

Der in der Vergangenheit diskutierte Betrieb der Bahn durch die BVG sei zudem vom Tisch. „Die Seilbahn ist kein klassischer Nahverkehr“, sagt Ziller. Es handele sich um ein touristisches Angebot. Eine Finanzierung über den Zuschuss für die Grün Berlin GmbH sei deshalb sinnvoll. Doch wegen der Coronakrise sträube sich die Finanzverwaltung momentan neue langjährige finanzielle Verpflichtungen einzugehen.

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„Die Bedeutung der Seilbahn als Attraktion für die Gärten der Welt“ erkenne man an und unterstütze den Weiterbetrieb, erklärt die Finanzverwaltung dazu auf Nachfrage. Eine mehrjährige Finanzierungszusage in zweistelliger Millionenhöhe halte man jedoch nicht für vertretbar.

Als Blockierer will das Haus von Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) allerdings nicht dastehen und zeigt kaum verhohlen auf die von den Grünen geführte Umweltverwaltung. Die „haushaltsmäßigen Voraussetzungen“ wären gegeben, schreibt ein Sprecher, „wenn die zuständige Verwaltung den konkreten Bedarf, unterlegt durch belastbare Wirtschaftlichkeitsberechnungen, anmelden sollte“. Bis dahin will sich die Finanzverwaltung mit „Interimslösungen“ behelfen.

Baut Leitner die Seilbahn einfach ab?

Beim Bezirksamt Marzahn-Hellersdorf führt diese Position zu Verärgerung. „Die Finanzverwaltung bringt damit eine extreme Unsicherheit in die vertragliche Gestaltung“, sagt die Verkehrs- Wirtschafts- und Umweltstadträtin Nadja Zivkovic (CDU). Ein ökologisches Verkehrsmittel werde „ohne jeglichen Grund“ gefährdet , „obwohl es dieses Jahr mehr einbringt, als angesetzt war.“

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Die Stadträtin befürchtet, dass Leitner die Seilbahn gegebenenfalls 2022 einfach abbauen wird, wenn die Firma keinen mehrjährigen Betreibervertrag bekommt. Da Seilbahnen überwiegend aus Standardbauteilen bestehen, lassen sich die Stützen und Gondeln leicht an anderer Stelle wiederverwenden. Eine Anfrage dazu ließ die Berliner Dependance des Unternehmens, das zu den Weltmarktführern bei Seilbahnen gehört, in den vergangenen Tagen jedoch unbeantwortet.

Ohne die Seilbahn erwartet Zivkovic rund um die Gärten der Welt neue Verkehrsprobleme. Der Autoverkehr werde zunehmen und ein Parkplatzproblem entstehen, sagt sie, weil eine Anbindung zur U-Bahn nicht mehr gegeben sei. Vor allem aber stoße der Senat die Marzahner und Hellersdorfer vor den Kopf. „Denn die Seilbahn ist ein Bezirkswahrzeichen geworden, mit dem sich die Menschen identifizieren.“

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