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Dominus Master André im Bizarr-Studio in Berlin.

© Sabine Beikler

Berliner Sexstudios gegen Arbeitsverbote: „Masken können ohnehin in die Sexarbeit integriert werden“

Selbstständige Sexarbeiter und Sexarbeiterinnen verweisen auf hohe Hygienestandards in ihrem Job. Sie fordern Gleichbehandlung mit anderen Branchen.

Von Sabine Beikler

Kat Rix und Master André arbeiten im Erdgeschoss eines Gartenhauses in der Tempelhofer Ringbahnstraße. Sie, Mitte 30, ist eine erotisch dominante Sexarbeiterin, er, 44, arbeitet als Dominus. Beide verdienen schon einige Jahre als Selbstständige ihr Geld mit Sexarbeit und mieten ihren Arbeitsplatz bei Bedarf im „Dominastudio Lux Berlin“. 

Doch seit dem ersten Lockdown Mitte März ist Prostitution verboten. Alle Prostitutionsstätten, Wohnungsbordelle oder Studios sind in Berlin geschlossen. „Wir leben momentan von unseren Ersparnissen“, erzählen die Sexarbeiter. Eine zeitliche Perspektive für Lockerungen in der Corona-Pandemie für die 6000 bis 8000 Sexarbeiter in Berlin gibt es nicht.

Die Situation ist für viele dramatisch, Studios wie das Lux Berlin versuchen sich mit Vermietungen von Räumen an private Paare oder „Backstagetouren“ für interessierte Berliner finanziell über Wasser zu halten.

Johanna Weber hat vor fünf Jahren mit zwei Berufskolleginnen das Dominastudio gegründet. Die 52-Jährige begann mit 25 Jahren als Prostituierte zu arbeiten und kennt das Business. Vor acht Jahren war sie Mitbegründerin des Berufsverbands erotische und sexuelle Dienstleistungen. Heute ist sie die politische Sprecherin des Verbandes, in dem rund 550 Sexarbeitende organisiert sind.

„Auch wir wollen wieder arbeiten“, fordert Weber und verweist auf Nachbarländer wie die Schweiz, Österreich, Belgien, Niederlande oder Tschechien, wo die Prostitutionsstätten wieder geöffnet sind. Die Sexarbeiter fordern eine Gleichbehandlung mit anderen körpernahen Branchen wie Tattoostudios oder Thai-Massage-Salons, die wieder öffnen dürfen. Die Sexarbeiter sind es gewohnt, sich mit Hygienemaßnahmen zu befassen, um sich zu schützen und Geschlechtskrankheiten zu vermeiden.

Österreich als Hygiene-Vorbild

Weber verweist auf das „Hygienekonzept Sexarbeit“ in Österreich. Das sieht unter anderem vor, dass an Orten, an denen Sexarbeit stattfindet, mehrsprachiges Informationsmaterial für Prostituierte und Kunden ausliegt. Professionelle Hygienestandards und Safer Sex sind weiter einzuhalten, die Orte, an denen Sexarbeit stattfindet, werden nach jedem Kontakt desinfiziert.

Domina Kat Rix arbeitet als selbstständige Sexarbeiterin.
Domina Kat Rix arbeitet als selbstständige Sexarbeiterin.

© imago images/Jens Schicke

Matratzenbezüge werden nach jedem Sexkontakt ausgewechselt. In Österreich müssen sowohl Sexarbeiter als auch Kunden einen Mund-Nasen-Schutz tragen, der nach jedem Kontakt ausgetauscht werden muss. Und sexuelle Kontakte sollen ausschließlich zwischen zwei Personen stattfinden.

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„Es gibt keine Studios ohne Handschuhe oder Desinfektionsmittel“, betont Master André. Sexarbeiter hätten natürlich ein eigenes Interesse, Risiken zu minimieren. Und das Tragen von Masken könne ohnehin in die Sexarbeit integriert werden, betonen Kat Rix und ihr Kollege.

Erstmal erotische Massagen anbieten

Viele Prostituierte erhielten nach dem Lockdown als Selbstständige Zuschüsse von 5000 Euro. Die Inhaber des Studios Lux konnten mit 14.000 Euro Zuschuss die ersten Monate Ausgaben wie Miete gegenfinanzieren. „Wir haben die monatlichen Kosten von 16.000 Euro bei laufendem Betrieb auf 7000 Euro pro Monat reduziert“, erzählt Johanna Weber. „Wir brauchen aber Klarheit und Planbarkeit, wie lange wir noch durchhalten müssen.“

Vor drei Wochen fand eine Telefonkonferenz mit der Senatsgesundheitsverwaltung, Vertretern des Berufsverbands und von Hydra, der Beratungsstelle für Prostituierte, statt. Das Ergebnis brachte auch keine zeitliche Perspektive für die Sexarbeiter in Berlin.

In Berlin haben am Wochenende Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter für die Öffnung von Prostitutionsstätten demonstriert.
In Berlin haben am Wochenende Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter für die Öffnung von Prostitutionsstätten demonstriert.

© Christoph Soeder/dpa

Hydra-Projektleiterin Sarah Stöckigt erzählt, dass Hydra notleidenden Sexarbeiterinnen aus einem Hilfsfonds seit März mit rund 15.000 Euro unterstützt haben. Wie Weber fordert Stöckigt schrittweise Lockerungen für Sexarbeiter und sagt, man könne zunächst erst einmal erotische Massagen anbieten.

Senat prüft Hilfen für Sexarbeiter

In einer Antwort auf eine Anfrage von Ines Schmidt und Philipp Bertram (beide Linke) heißt es, dem Senat sei schon bekannt, dass „die Situation für Sexarbeitende prekär ist“. Und staatliche Hilfen seien „nicht immer ohne Hürden möglich“. Es werde „geprüft“, wie Sexarbeiter, die keinen Zugang zu Sozialleistungen haben, unterstützt werden können.

Für großen Ärger bei den Berufsverbänden sorgt derzeit ein Brief von 16 Bundestagsabgeordneten an die Ministerpräsidenten, die ein Sexkaufverbot nach dem Nordischen Modell fordern. Der Grundgedanke ist, dass erotische Dienstleistungen angeboten werden dürfen, Kunden sich aber strafbar machen. Die SPD-Bundestagsabgeordnete Leni Breymaier, die das Schreiben mitinitiiert hat, betont, dass auch Ausstiegshilfen angeboten werden müssten. 

„Deutschland ist das Bordell Europas“, sagt Breymaier. Der überwiegende Teil der Sexarbeiterinnen seien nicht die eloquenten Frauen, die selbstbestimmt arbeiten würden. Die meisten würden aus Osteuropa, Afrika und China kommen und ausgebeutet werden. Die Diskussion über diesen Antrag läuft derzeit in den Fraktionen auf Bundesebene. 

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