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Berliner SPD beschädigt eigenes Spitzenpersonal: Der Gang in die Opposition täte der Dauerregierungspartei gut
Saleh, Müller und nun Giffey: Die SPD düpiert in erstaunlicher Regelmäßigkeit ihre eigenen Leute. Für alle Fälle gibt es konkrete Gründe. Dennoch stehen sie für ein strukturelles Problem der Partei.

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Positiv könnte man es so wenden: Die Berliner SPD hat keine Angst vor großen Namen. Nachdem die Sozialdemokraten erst den früheren Regierenden Bürgermeister Michael Müller ins Abseits schoben und dieser anschließend seine politische Karriere beenden musste, trifft es nun Müllers Amtsnachfolgerin Franziska Giffey.
Wie berichtet, bekommt die frühere Regierende Bürgermeisterin und aktuelle Wirtschaftssenatorin keinen Platz auf der Liste ihres Kreisverbands Neukölln für die kommende Berlin-Wahl. Die Ausgangslage ist zwar eine etwas andere als bei Müller, weil Giffey ihre Arbeit im Senat auch ohne Abgeordnetenmandat fortsetzen könnte. Dennoch weisen die Fälle auf ein strukturelles Problem der Berliner SPD hin: Ein Großteil ihres Spitzenpersonals hat offenbar kaum noch Rückhalt in der Partei.
Zoomt man an den Fall Giffey heran, lässt er sich machtlogisch durchaus erklären. Für die eher konservative SPD-Strömung, zu der Giffey gehört, war in der SPD Neukölln nur ein aussichtsreicher Listenplatz vorgesehen. Den besetzt die in Neukölln gut vernetzte Kreisvorsitzende Derya Çağlar, die zuletzt zweimal ihr Direktmandat holte. Für Giffey bleibt daher nur ihr eigener Wahlkreis, den sie direkt holen muss, um im Parlament zu bleiben. Ein Skandal ist das nicht.
Guckt man aber aufs große Ganze, steht am Ende die bekannteste und politisch ranghöchste Berliner Sozialdemokratin – die sich vor wenigen Monaten sogar noch Hoffnung auf die Spitzenkandidatur machte – einmal mehr beschädigt da.
Neben Müller und Giffey bekam auch Fraktionschef Raed Saleh den Liebesentzug seiner Genossen schmerzhaft zu spüren. Gerade einmal 15,7 Prozent stimmten beim Mitgliederentscheid zum Landesvorsitz 2024 für Saleh. Eine Demütigung.
Für all diese Ergebnisse gibt es jeweils konkrete Gründe und Erklärungen. Und dennoch müssen sich die Berliner Sozialdemokraten die Frage gefallen lassen, warum solche Beschädigungen in letzter Zeit zur Regel wurden.
Die SPD ist in Berlin zu lange an der Macht
Ein Teil der Antwort ist: Die SPD ist mittlerweile sehr lange Regierungspartei in Berlin, zu lange. Seit 1991 ist sie durchgehend im Berliner Senat vertreten. Das ist einerseits eine Erfolgsgeschichte für die Partei. Anderseits hat dies in letzter Zeit spürbar zur Entfremdung zwischen Spitzenfunktionären und Parteibasis beigetragen. Trotz der deutlichen Wahlschlappe 2023 hatte die SPD nicht den Mut, sich in der Opposition grundlegend zu erneuern. Die Brüche, die dadurch entstanden sind, werden nun an anderer Stelle sichtbar.
Den beiden Landesvorsitzenden muss man zugutehalten, dass sie dieses Problem rechtzeitig erkannt haben: Mit der Nominierung von Steffen Krach als Spitzenkandidat versucht die SPD-Spitze nun gewissermaßen einen Reifenwechsel bei voller Fahrt.
Ob dies 2026 erneut in die Landesregierung führt, ist derzeit mehr als ungewiss. Dabei wäre ein Scheitern – auch wenn das kein Sozialdemokrat öffentlich zugeben würde – für die Berliner SPD vielleicht sogar von Vorteil: Die Dauerregierungspartei hätte in der Opposition die Möglichkeit, personell und inhaltlich endlich wieder zu sich selbst zu finden.
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