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Wie müssen, wie dürfen neue Wohnungen errichtet werden - das regelt die Bauordnung.

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Exklusiv

Grüne sprechen von der „Ära Giffey“: Berliner SPD lässt Reform der Bauordnung platzen

Mehr Umweltschutz, schnellerer Wohnungsbau – der Senat wollte das Baugesetz novellieren. Doch die SPD-Fraktion möchte nun nicht zustimmen.

Zwei Jahre haben SPD, Linke und Grüne um dieses Gesetz gerungen. Der von ihnen gestellte Senat hatte es beschlossen. Doch nun scheitert die Novellierung der Bauordnung im Parlament, weil die SPD dem eigenen Projekt eine Absage erteilt.

Die erneuerte Bauordnung sollte Umweltschutz und Klimaschutz fördern, etwa durch die Begrünung von Dächern und Fassaden. Außerdem sollte schnellerer Wohnungsbau ermöglicht und den Dachgeschossaufbau erleichtert werden.

Es ist das zweite große Gesetzesvorhaben der Rot-Rot-Grünen Koalition, das innerhalb von gut einer Woche scheitert. In der vergangenen Woche war das neue Mobilitätsgesetz auf der Strecke geblieben. SPD und Grüne hatten sich dafür wechselseitig die Schuld gegeben.

"Eine neue Bauordnung darf man nicht übers Knie brechen, erst recht nicht wenn die davon betroffenen Bezirke vernichtende Kritik äußern", sagte Iris Spranger, wohnungspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion.

Deshalb werde die SPD dem Vorhaben nicht zustimmen. Ihren Beschluss habe Spranger mit den Landesvorsitzenden Franziska Giffey – die auch Spitzenkandidatin für die kommende Wahl ist – und Raed Saleh abgestimmt. Nach der Wahl werde man das Vorhaben "mit den Bezirken sauber aufarbeiten".

Deren Hauptkritik ist laut Spranger, dass es in den Ämtern kein Personal für die Umsetzung der neuen Regeln gebe. Spranger kritisiert die zuständige Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen: die von Linken-Politiker Sebastian Scheel geführte Behörde habe "nicht eines der Bedenken aus den Bezirken berücksichtigt und das Gesetz zudem viel zu spät vorgelegt.

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Scheel reagierte auf Tagesspiegel-Anfrage „überrascht über die jähe Wendung bei der SPD“. Die Novelle der Bauordnung sei „in einem 18-monatigen Prozess“ gemeinsam erarbeitet worden und solle außerdem „zur Verbesserung des Stadtklimas und zur Erreichung der Berliner Klimaschutzziele beitragen“.

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Mit Anforderungen zur Barrierefreiheit, sagte Scheel weiter, werde zudem ein weiteres Ziel der Koalitionsvereinbarung umgesetzt. Dass das von der SPD nun abgelehnt werden, finde er falsch. "Es wäre ausgesprochen bedauerlich wenn die Bauordnung ein Opfer des Wahlkampfs der SPD werden würde."

"Ära Giffey kündigt sich an"

Der baupolitische Sprecher der Grünen-Fraktion Andreas Otto sagte: "Man hat das Gefühl, dass mit der sich anbahnenden Ära Giffey, die ökologische Politik schwierig oder sogar unmöglich wird."

Die Fraktionen der Grünen und der Linken hätten den Gesetzesentwurf bereits beschlossen und zwei Wochen auf den noch fehlenden Beschluss der SPD gewartet. Mit dieser Vorentscheidung sei die geplante Novelle "blockiert und für diese Legislatur tot".

Eine "herbe Enttäuschung" nannte Otto den Rückzieher der SPD-Fraktion. Die Änderungen in der Bauordnung wären ein "Signal gewesen, dass diese Koalition bis zum Wahltag an der Umsetzung des Koalitionsvertrags arbeitet, handlungsfähig bleibt und ökologische Fragen ernst nimmt".

Vorschläge gemeinsam getragen

Otto hatte in einer Arbeitsgruppe gemeinsam mit Mikael Nelken (Linke) und Daniel Buchholz (SPD) bis zuletzt noch versucht, strittige Punkte in der Bauordnung auszuräumen. Das Ergebnis war ein Katalog von Änderungen an dem Senatsgesetz, den die drei Bau-Experten gemeinsam getragen hatten.

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Übrig geblieben war noch die Forderung nach einer Erhöhung der Barrierefreiheit von jeder zweiten neu gebauten Wohnung auf nahezu jedes Objekt. "Aber auch da hätten wir uns noch geeinigt", sagte Buchholz. Diese Vorschrift hätte laut Wohnungsverbänden die Wohnungskosten um 15 Prozent erhöht.

"Man kann nicht immer nur von Klimaschutz reden und dann die Substanz aus konkreten Gesetzen rausnehmen", sagte Buchholz. Vor einer Woche sei das Klimaschutzgesetz beschlossen worden. Ein Absenkung des Co2-Ausstoßes um 70 Prozent bis 2030 sei aber nicht ohne konkrete Maßnahmen auch im Gebäude-Sektor möglich.

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