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Berliner SPD-Überläufer erhalten Parteibuch: „Eine Koalition ohne CDU muss das Ziel sein“
Mit den ehemaligen Linken-Politikern Nöll und Schlüsselburg erhält die SPD zwei prominente Neumitglieder mitsamt Ämtern. Beide sehen in ihrer Ex-Partei keine relevante Kraft mehr.
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Derart gut gelaunt hat man die Berliner SPD-Oberen lange nicht erlebt. Am Mittwochmorgen machten die Landesvorsitzenden und der SPD-Fraktionschef Raed Saleh offiziell, was bereits am Vortag durchgesickert war: Die Ex-Linken-Politiker Sebastian Schlüsselburg und Oliver Nöll werden Mitglieder der SPD. Für die Sozialdemokraten bedeutet das gleichzeitig einen Ämterzuwachs. Schlüsselburg ist Mitglied im Abgeordnetenhaus und in Zukunft Teil der SPD-Fraktion, Nöll weiterhin Sozialstadtrat in Friedrichshain-Kreuzberg, nun aber mit SPD-Parteibuch.
„Es braucht eine starke, interventionsfähige linke Kraft. Das ist aus meiner Sicht die SPD“, sagte Schlüsselburg bei seiner Vorstellung im Kurt-Schumacher-Haus, der Parteizentrale der Berliner SPD. Rechtsextremisten und Populisten würden die Demokratie immer mehr unter Druck setzen. Die SPD sei eher als die Linkspartei imstande, dieser Entwicklung etwas entgegenzusetzen.
Schlüsselburg sprach von einem drei Jahre dauernden Entfremdungsprozess mit seiner ehemaligen Partei, deren Schlusspunkt die „mangelnde und zu späte Abgrenzung zum Phänomen des linken Antisemitismus“ gewesen sei. Schlüsselburg war wie andere prominente Linke bereits im Oktober aus der Linken ausgetreten, nachdem sich der Landesverband auf einem Parteitag nicht auf eine klare Abgrenzung zum linken Antisemitismus verständigen konnte.
Schlüsselburg will Überzeugungen „nicht am Kleiderhaken“ abgeben
Darin, dass Schlüsselburg nun als SPD-Abgeordneter Teil einer schwarz-roten Koalition ist, die er bis vor kurzem noch scharf kritisiert hat, sieht er keinen Widerspruch. „Ich bringe meine inhaltliche Überzeugung und meine Kritik an der Politik des derzeitigen Senats mit. Ich gebe die nicht am Kleiderhaken ab.“ Für die Zukunft müsse das Ziel jedoch lauten, Koalitionen ohne die CDU zu bilden. „Ich kämpfe in der SPD für linke gesellschaftliche und parlamentarische Mehrheiten“, sagte Schlüsselburg. Welche Rolle der Haushalts- und Rechtspolitiker zukünftig in der SPD-Fraktion übernimmt, ist noch offen.
Für Oliver Nöll ist es eine Rückkehr. Der Bezirkspolitiker hatte die SPD aufgrund der Agenda-Politik von Gerhard Schröder vor rund 20 Jahren verlassen und bei den Linken eine neue Heimat gefunden. Dass er nun zurückkehrt, liege zum einen an den Linken selbst. Die habe sich zu einem „Sammelbecken vermeintlich ‚linker‘ Sekten“ entwickelt, schrieb Nöll im Oktober in seinem Austrittsschreiben. Zudem habe sich die SPD mittlerweile von Hartz IV verabschiedet, sodass er nun „voller Überzeugung und Inbrunst“ zurückkehre, wie er am Mittwoch sagte.
Forderung aus den Linken, beide Politiker mögen ihr Mandat zurückgeben, wiesen beide zurück. Schlüsselburg verwies darauf, dass er in Lichtenberg das Direktmandat geholt habe. Nöll wiederum wurde von der Bezirksverordnetenversammlung gewählt. Zwar werden die Bezirksämter nach Parteiproporz auf Grundlage des Wahlergebnisses besetzt. Dies gilt de facto jedoch nur für das Vorschlagsrecht der Parteien. Für eine Abwahl von Nöll wäre eine Zwei-Drittel-Mehrheit notwendig, die derzeit nicht in Sicht ist.
Die SPD-Landesvorsitzende Nicola Böcker-Giannini verkündete am Mittwoch noch eine weitere Personalie: Neben Schlüsselburg und Nöll ist auch der ehemalige Linke und Lichtenberger Bürgermeister Michael Grunst der SPD beigetreten.
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