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Für fast jeden Wunsch gibt es in Berlin einen Anspruchsschein. Was für einen Wunschbaum ein Konzept ist, sorgt als Politikstrategie für Frust.

© Dora Spiekermann-Klaas

Sozialpolitik in Berlin: Berliner Versprechungen sind das Papier nicht wert

Ob Kitaplatz oder günstige Wohnung: Berlin verteilt gern Anspruchsscheine, leider sind sie vom Angebot nicht gedeckt. Zur Politik des schnöden Scheins - ein Kommentar.

Ein Kommentar von Gerd Nowakowski

Da freuen sich Eltern in Berlin. Klingt prima, was der Senat beschlossen hat. Seit dem 1. Januar gibt es einen Betreuungsanspruch von täglich sieben Stunden  – ohne Prüfung des Bedarfs. Die Realität sieht anders aus. Zwar hat Berlin in den vergangenen Jahren die Kitas enorm ausgebaut; es fehlen trotzdem tausende Plätze. Ein Witz, dass in der Handreichung der Senatsverwaltung Eltern geraten wird, mit dem Kita-Gutschein zwei Monate vor dem gewünschten Termin bei der Einrichtung vorzusprechen. Wer nicht bereits als Schwangere nach einem Kitaplatz sucht, gilt an der Spree als hoffnungslos naiv. Dabei gibt es den Anspruch auf einen Kitaplatz ab dem ersten Geburtstag schon seit 2013. Der Kitaplatz-Mangel beschäftigt schon die Gerichte. Was also nützt Eltern die verbriefte tägliche Betreuung von sieben Stunden?

Nur ein Beispiel für rot-rot-grüne Seltsamkeiten. Ein anderes ist der Wohnberechtigungsschein. Wegen der steigenden Mieten erhalten nun neben Geringverdienern auch Menschen mit mittlerem Einkommen einen WBS, um eine Sozialwohnung zu beziehen. Der Senat macht damit freilich Politik auf dem Rücken der Bezirke. Die fürchten eine Antragswelle, wenn nun jeder zweite Berliner Anspruch auf das begehrte Papier hat – ohne dass es in den Bezirksämtern dafür genug Personal gibt. Das ist das Elend der zweistufigen Verwaltung: Oben bestimmt, unten darf ausführen. Vollends absurd wird es, weil die Zahl der Sozialwohnungen schrumpft. Den fast 50.000 Berechtigungsscheinen, die 2017 ausgestellt wurden, stehen nur 3000 neue Sozialwohnung gegenüber. Statt mehr zu bauen, werden wertlose Papiere verteilt. Man kann das zynisch nennen.

Auf diversen Feldern bewegt sich herzlich wenig

Regierungen schmücken sich gerne mit großzügigen Wohltaten. Langsam aber wächst der Verdacht, in Berlin werde mit Bedacht eine Politik des schönen Scheins gemacht nach dem Motto: ankündigen und schnell vergessen. Die Folgen tragen die Betroffenen. Schon vergessen, dass Ämter monatelang lahmgelegt waren, weil sich Mitte 2017 die Zahl der Menschen enorm vergrößerte, die staatlichen Unterhalt für ihre über zwölfjährigen Kinder beantragen durften? Nun ist das eine bundesgesetzliche Regelung; den Bezirken aber fehlte auch dafür das Personal. Doch das wird im Senat offenbar ignoriert. Im Verwaltungsstau hängt deshalb auch das ehrenwerte Vorhaben, dass sich Prostituierte und Bordelle registrieren müssen, um illegale Beschäftigung und Ausbeutung zu verhindern. Obwohl die Frist Ende 2017 ablief, ist es bislang keiner einzigen Prostituierten und nur einem Bordell gelungen, sich anzumelden.

Man könnte auf den Gedanken kommen, es handele sich um eine Strategie. Mit rasender Geschäftigkeit wird übertüncht, dass sich auf diversen Feldern herzlich wenig bewegt. Dabei wäre vordringlich, darüber zu sprechen, wo es hakt und wie man mehr Kitaplätze schaffen oder schneller preiswerte Wohnungen bauen kann. Stattdessen gibt es virtuelle Politik, mit dem der Koalitionsvertrag abgearbeitet wird. Haken dran – Hauptsache, auf dem Papier sieht die Bilanz prima aus. Wen interessiert schon die Wirklichkeit? Die ist auch viel zu kompliziert.

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