
© Annette Kögel
Ein Stück Spanien in Berlin droht zu verschwinden: Gastronomen-Ehepaar findet keine Nachfolger
Aus einem Stasi-Gebäude machten diese Unternehmer ein spanisches Restaurant. Dabei waren die beiden noch nie in Spanien. Jetzt bangen sie um ihr Schmuckstück.
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Die Eidechse lief dem Paar vor die Füße. Guck mal, ein Gecko! Das Tier wurde Namenspate für die Geco Tapas Bar. In dem mediterranen Restaurant in Altglienicke macht man beim Essen zeitgleich Urlaub, als wäre man in Spanien. Als Innenarchitektin hätte Sabine Seekamp-Herrmann wohl ein Vermögen verdient. „Ich will aber lieber hier bei uns alles schön gestalten“, sagt die 66-Jährige. Doch das in Eigenarbeit erschaffene Finca-Ambiente an der Grünauer Straße 46 ist gefährdet.
Das Gastronomen-Ehepaar sucht weiter einen Betriebsübernehmer. Aber das ist nicht so einfach. „Wir finden keinen Nachfolger, der Wertschätzung mitbringt und bei dem wir das Gefühl haben, dass unser Lebenswerk in gute Hände kommt, ein Gastronom mit Liebe zur Kunst, der mal alles so erhalten oder in unserem Stil weiterentwickeln will.“
Einer wollte einen Döner-Betrieb, der andere eine Standard-Pizzeria reinklotzen. Auch Personal sei immer schwerer zu finden, sagt Herrmann, seit 52 Jahren Gastronom, gebürtig aus Petershagen. Früher betrieben sie das „Herrmanns Eck“ in Köpenick, ein DDR-Geheimtipp. „Zu uns kamen auch Wessis, wie Walter Momper.“
Anfangs hatten wir keine Ahnung von Tapas.
Ramon Herrmann, 68, seit 52 Jahren Gastronom
Eigentlich hat Herrmann heute frei, aber ständig klingelt das Telefon. Gäste wollen Plätze reservieren. Geöffnet ist Donnerstag bis Sonntag ab 17 Uhr, da ist es auch im Winter voll und belebt. Ramon Herrmann, er lernte zu DDR-Zeiten Kellner im Lindencorso Unter den Linden, auch schon 68, steht immer noch gern hinterm Tresen. „Anfangs hatten wir keine Ahnung von Tapas“, sagt er. 18 Jahre später ist das anders, viele Gäste sind längst Stammkunden.
Betreiber waren noch nie in Spanien
Ramon Herrmann heißt mit Vornamen wirklich so. Aber seine Frau und er waren noch nie in Spanien. Warum? Keine Zeit, lange eine kranke Freundin gepflegt, Flugangst. Herrmann sammelt Bauteile, Trödel, ihm Vermachtes. So wird die alte Kabeltrommel daheim zum Waschbeckenuntertisch. Fliesen stammen vom früheren Einrichtungsladen „Bella Casa“ aus der Bergmannstraße in Kreuzberg. Etliches kommt auch original aus Spanien.

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Derweil nehmen die Gäste Erik und Chiara Weber draußen Platz auf den von der Künstlerin bemalten Kissen. Die Tischnummer prangt dekorativ auf einem Backstein, je nach Wetter gibt es bis zu 260 Sitzplätze. Ein Windspiel klimpert, der Brunnen plätschert, Palmen in Kübeln reckten sich vor Rundbögen in Berlins Sonne. „Wie viel Liebe hier drinsteckt, eine eigene Welt“, sagt Chiara Weber.

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Ein Blick in die Karte: Der „Plato de Tapas vegetarianas“ kostet 12,50 Euro, der Kinderteller „Hamburguesa-Geco con papas fritas“ sieben Euro. Aperol Spritz 5,50 Euro. Günstige Preise, aber da das Paar keine Miete zahlen muss, geht das so. „Bei dem Preisgefüge mit 19 Prozent Mehrwertsteuer ist all die Arbeit aber eher Freizeitgestaltung“, sagt die gebürtige Köpenickerin.
Ein bisschen Hollywood in Treptow
Drinnen führen Treppen ins Weingewölbe mit preußischer Kappendecke; zubereitet wird in der offenen Küche. Alles wie aus einem Interieur-Design-Katalog, dabei ist vieles selbstgemacht, auch dank Freunden und Familie.

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Sabine Seekamp-Herrmann, Mutter Grafikerin, Vater Tischler und Architekt, hat schon als Kind am Reißbrett gemalt. In der DDR machte sie eine Lehre zum Gebrauchswerber, lernte die Gestaltung von Werbung und Schaufenstern. Die Ideen für das Restaurant holr sie sich aus Zeitschriften, Büchern, dem Fernsehen, sagt sie, und baue auch viel selbst.

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Kaum zu glauben, dass der Salon mit der Balkendecke früher eine Stasi-Autowaschanlage war. Er wird gern für Familien- und Weihnachtsfeiern gebucht. Auf verblichenen Fotos sieht man noch graue Stasi-Häuser, Kleingewerbe-Baracken, um 1900 war alles ein Bauernhof.
Wir kennen das, dass Unternehmer ihr Lebenswerk nicht aufgeben wollen.
Oliver Igel (SPD), Bezirksbürgermeister
Aber jetzt werden im Restaurant auch Filme gedreht. Szenen für „Die wahre Schönheit“ mit Lilly Anna Sophia Liefers und Emma Schweiger entstanden hier. „Den Film haben sie als DVD geschickt.“ Saskia Vester ist in „Käthe und ich“ dort zu sehen, für Szenen der Serie „Berlin Tag und Nacht“ diente es als Kulisse. Gerade filmte Uwe Jensen („Auf der Straße nach Süden“) ein Musikvideo.

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Doch wie geht es weiter? Der Bezirksbürgermeister von Treptow-Köpenick, Wirtschaftsfachmann Oliver Igel (SPD), sagt: „Wir kennen das, dass Unternehmer weitermachen bis weit über das Rentenalter hinaus, weil sie ihr Lebenswerk nicht aufgeben wollen“. Nachfolger schreckten, wie so oft in der Gastronomie, Arbeitszeiten und Bürokratie.
Er empfiehlt die bezirkliche Wirtschaftsförderung mit einmalig kostenfreier Beratung zu Nachfolgeregelung oder Geschäftsübertragung. Bei der Dehoga nickt Hauptgeschäftsführer Thomas Lengfelder. Es gebe in Berlin viele solcher Fälle, jedes Jahr kommen und gehen je 2000 Betriebe. Am besten einen Mitarbeiter als Nachfolger aufbauen. „Darauf haben wir auch immer gehofft“, sagt Seekamp-Herrmann.
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